Gerda Tuider, damals Leiterin der Personalabteilung im Strafvollzug, erklärte im Jahr 2021 im Magazin des Innenministeriums ‘Öffentliche Sicherheit’, dass die Justizwache einer erhöhten Gefährdung von Leib und Leben ausgesetzt sei. “Zudem ist unbestritten, dass durch die stete Zunahme psychisch auffälliger, zunehmend gewaltbereiter und substanzabhängiger Straftäter das Arbeiten in den Justizanstalten noch ein Stück weit gefährlicher geworden ist“, meinte sie.
Das kann Simma nur bestätigen. “Das wird Ihnen auch jeder, der ehrlich ist, sagen. Die psychischen Auffälligkeiten der Insassen sind extrem angestiegen. Viele Personen sind bei uns aufgrund ihrer Gefährlichkeit in Haft, aber diese Menschen haben eigentlich in einem Gefängnis nichts zu suchen, sie gehören in medizinische Einrichtungen.” Solche Insassen müssten 24 Stunden am Tag per Video überwacht werden, “und das braucht enorme Ressourcen”. In der Justizanstalt Wiener Neustadt wären die fünf vorhandenen Videoüberwachungsräume permanent belegt.
Den Gesamtzustand, mit Überbelag und Personalmangel, bezeichnet Simma als “unverantwortlich von der Politik”. Es sei doch klar gewesen, dass die 60er Jahrgänge jetzt alle in Pension gehen. Und es sei aus Sicht der Gewerkschaft zudem unumgänglich, dass die Gehälter der Justizwache angehoben werden. “Der Job muss attraktiver werden, wir brauchen dringend neue Leute.”
Moderner und mehr Unterstützung
Von Seiten des Justizministeriums weist man darauf hin, dass der systematisierte Belag weiterhin unverändert sei. “Die derzeitige bundesweite Belagsquote ist aktuell im Sinken begriffen”, heißt es. Den Justizanstalten würden jährlich Planstellen zugewiesen, die so bemessen wären, dass der gesetzliche Auftrag erfüllt werden könne. “In den letzten Jahren ist es überdies zu einer generellen Steigerung der Planstellen im Exekutivdienst und auch bei den eingesetzten Justizwachebediensteten gekommen.” Ein Blick auf den Rechnungshofbericht zeigt, dass Anfang 2023 die Planstellen im Strafvollzug zu 96 Prozent besetzt waren. Es fehlten aber umgerechnet immer noch mehr als 130 Vollzeitbeschäftigte.
Man räumt aber ein, dass es im Bereich der Justizanstalten attraktive Arbeitsplätze braucht und dass dafür zeitgemäße Arbeitsbedingungen ausgestalten werden müssen. “Dies erfordert nicht nur modernere Dienstzeitpläne, an welchen derzeit im Rahmen des Projekts ‘Dienstplanoptimierung’ gearbeitet wird, sondern auch zusätzliche Unterstützung etwa durch Betriebskindergärten. Um die Sicherheit in den Anstalten zu erhöhen, wurde in den letzten Jahren verstärkt in Schutz- oder Sicherheitsausrüstung investiert. "Außerdem steht den Bediensteten psychologische Hilfe zur Verfügung und die Inanspruchnahme von Supervision wird gefördert.”
Hinsichtlich unbesetzter Stellen im Strafvollzug würden die bisher getätigten Maßnahmen, wie etwa die gezielte Öffentlichkeitsarbeit samt verschiedener Kampagnen, fortgesetzt und intensiviert werden. Der Fokus liege auf dem Ausbau der Initiativen zur Rekrutierung von Berufsanfängern und Berufsanfängerinnen bei der Justizwache. Insbesondere auch zur Erhöhung des Anteils an Frauen und von Personen mit Migrationshintergrund.
So betont man im Justizministerium, dass “bis dato zwei Recruiting-Officer implementiert wurden, die sich zielgerichtet der Thematik widmen. Der Start einer ressortweiten Werbekampagne ‘Berufe für Berufene’, die Installierung einer Arbeitsplattform zur Attraktivierung einer Tätigkeit im Straf- und Maßnahmenvollzug und die Durchführung von ‘Online-Recruiting-Days’ stehen auf der Tagesordnung und werden auch nachweislich gut angenommen.”
Fluchtgefahr und Übergriffe
Laut Angaben des Ministeriums weist die Justizanstalt Wien-Josefstadt aktuell in Summe einen Besetzungsgrad im Bereich der Exekutive von 98,22 Prozent auf. Der derzeitige Insassenstand betrage 1.059 Personen, davon seien 349 österreichische Staatsbürger und 710 nicht-österreichische Staatsbürger, also knapp 70 Prozent. Weiter heißt es: “Erklärend ist hierzu festzuhalten, dass der Anteil nicht-österreichischer Insassen in der Untersuchungshaft höher ist als in der Strafhaft, weil der Haftgrund der Fluchtgefahr naturgemäß häufiger anzunehmen ist und in der Justizanstalt Josefstadt mehr als doppelt so viele Untersuchungsgefangene wie Strafgefangene angehalten werden.”
Man beschäftige sich mit dem Thema der Übergriffe auf die Justizwache. “Aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit kann das Zusammenleben unter inhaftierten Personen mit Spannungen beladen sein. Auch Änderungen der familiären Situation während einer Haft sowie der Ausgang von Verfahren können sich auf das Verhalten von inhaftierten Personen auswirken. Dem wirken wir präventiv entgegen, in dem zum Beispiel Gesprächsangebote im vertraulichen Setting angeboten und geschaffen werden. Eine Maßnahme in diesem Kontext ist auch das Angebot von Anti-Gewalttrainings.
Um die Kommunikation mit Insassen zu verbessern, werden auch vermehrt Videodolmetsch-Möglichkeiten genutzt”, heißt es. Alle Kollegen und Kolleginnen aus sämtlichen Berufsgruppen würden gemeinsam mit den Insassen an der Resozialisierung und so auch an Themen wie Gewaltbereitschaft oder Anerkennung von anderen Menschen arbeiten. Ein professioneller und respektvoller Umgang mit Insassinnen und Insassen sei außerdem Teil eines gesamtheitlichen Sicherheitskonzepts im Straf- und Maßnahmenvollzug.
Kein Bereuen
“Die Gesellschaft hat sich verändert”, sagt Simma und betont noch einmal, dass der wichtigste Schritt wäre, das Gehalt der Justizwache zu erhöhen. “Und, denn das kam ja nicht von heute auf morgen, mehr Hafträume zu schaffen.” Der gelernte Maschinenbauer Albin Simma hat sich im jungen Alter von 24 Jahren dazu entschieden, zur Justizwache zu gehen. “Ich bereue es keineswegs, beneide aber die nachfolgenden Generationen nicht.” Zum Schluss sagt er stolz: “Ich habe es geschafft”. Simma geht nun nach fast 40 Jahren Justizwache in Pension.
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