Gasthof Kalteis in NÖ: Im Pielachtal ist er der Platzhirsch

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Hubert und Sonja Kalteis führen einen Bilderbuch-Gasthof, an dessen Stammtisch Tradition und Zeitgeist auf die Zukunft anstoßen.

Zusammenfassung

  • Hubert Kalteis entschied sich gegen die Försterschule und für die Arbeit im Familiengasthof Kalteis in Kirchberg an der Pielach.
  • Der Gasthof Kalteis kombiniert regionale Küche mit internationalen Einflüssen und ist bekannt für seine Wildgerichte und regionale Zutaten.
  • Sonja Kalteis, früher bei der AUA, bringt internationale Erfahrungen in den Gasthof ein.

Hubert“, sprach der Herr Papa, „du wirst Förster.“ Und schwupps war der Bub in der Försterschule Bad Vöslau angemeldet. Hingegangen ist er aber nicht; er wollte lieber daheim arbeiten im Familiengasthof Kalteis in Kirchberg an der Pielach, an dessen Stelle seit 1693 eine Pferderast mit Ausschank existierte, und den die Familie Kalteis seit 1957 betreibt – unmittelbar neben der Ortsbrücke über dem glasklaren, bei Fliegenfischern so beliebten Fluss.

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Die lange Wildsaison beginnt bei Kalteis mit dem Maibock.

Mutter Theresia war einverstanden. „Aber du musst alles machen“, sagte sie. „Hier in der Küche und draußen im Service.“ Und dann hat Hubert sich schon wieder durchgesetzt. In der Küche gefiel es ihm viel besser als draußen hinter der Schank. Er war ja schon als Adoleszent der freiwillige Grillmeister an den aus Paletten, Ziegeln und Kabeltrommeln zusammengezimmerten Wildgrillplätzen entlang der Pielach. Deren aristotelische Dramaturgie lautete: Wasserschlacht – Bratwürstel – Flaschenbier – Zungenkuss.

Vom Backen und Jagen

Heute führen Hubert Kalteis und seine Frau Sonja den, wie man sagt, gastronomischen Leitbetrieb im ganzen Pielachtal; und sie setzen fort und bauen aus, was Theresia Kalteis begonnen hat. Sie stieg 1970 in die elterliche Küche ein; von da an wurde die Speisekarte immer anspruchsvoller. 

„Trotzdem hat die Mama so eine Art positiven Komplex gehabt“, erinnert sich Hubert schmunzelnd. „Sie hat immer geglaubt, sie kann nicht kochen, dabei kann sie das wunderbar.“ Noch dazu autodidaktisch, die einzige Ausbildung, die sie genossen hat: „Zwei Tage Kochkurs bei Martin Sieberer in Ischgl.“

Ihre Selbstzweifel nahm ihr ohnehin niemand ab, der ihr Wildbeuschel, ihre Hendlbrust mit Mandelfülle, ihre Forelle blau und vor allem ihre süße Küche erlebt hat. Theresia hat zwar bereits 2005 das Kochfeld den Jungen überlassen, aber noch immer kann es vorkommen, dass um halb sieben Uhr früh in der Küche das Licht angeht und sie dort den Tagesbedarf an Torten und anderen Mehlspeisen bäckt. „Um neun ist sie wieder weg“, sagt der Sohn, „und in der Küche durftet es herrlich.“

Vom Vater wiederum – ach ja, der heißt natürlich auch Hubert – stammt die Liebe zur Jagd. Seit 1894 gibt es oberhalb von Kirchberg ein eigenes Familienrevier. Dort knattert auch Hubert junior, wenn er ausspannen will, auf seiner „Postler-Harley“, einer uralten Puch X50, oft hinauf. Kein Wunder also, dass der Maibock seit Jahrzehnten den Auftakt einer Wildsaison bildet, die sich bis tief in den Winter zieht.

Je nach Jahreszeit werden Reh, Hirsch, Wildschwein oder Hase von saisonalen Gemüsen begleitet. Was beinahe alle Zutaten von Hubert eint: Sie sind ausgesprochen regional, sie wachsen und gedeihen oft nur wenige Kilometer entfernt. Forellen und ihren Kaviar liefert eine mit Pielachwasser gespeiste Zuchtanlage bei Schwarzenbach, Pielachtaler Weiderind von der Rasse der spektakulären schottischen Hochlandrinder steuert Huberts Freund Friedrich Hardegg bei, und die prächtigen Zuchttauben kommen ebenfalls aus Kirchberg. Letztere kombiniert Hubert Kalteis mit Linsen und „Mostviertler Alpenvorlandtrüffeln“ vom Rand des Dunkelsteiner Waldes.

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Blick übern Tellerrand

Aber Hubert ist deswegen kein radikaler Regionalfreak. Er nennt seine Küche „glokal“ und streut gerne kleine Prisen von Exotik ein. Immer wieder blitzen auch Elemente aus den Küchen der Welt auf, besonders der südafrikanischen, denn das Land mögen er und Sonja ganz besonders. 

Aus Reh entsteht bisweilen das namibische Trockenfleisch „Biltong“; im Juni veranstaltet er ein „Braai“ in der Tradition südafrikanischer Grillfeste. Damit entspricht der Gasthof Kalteis zwar nicht ganz den da und dort geäußerten Vorstellungen von gastronomischer Heimatliebe, aber Hubert ist überzeugt: „Wenn du nur die traditionelle Schiene fährst, verlierst du die Jungen endgültig an die Burgerbuden.“

Zu all dieser Weltoffenheit passt auch jene von Sonja wortwörtlich. Bis 2013 gehörte sie neben dem Job der Servicechefin an der Pielach auch dem Bordpersonal der AUA an, was zu bemerkenswerten Situationen führte, wie Sonja sich erinnert: „Da bin ich nach dem Mittagsservice am Sonntag raus aus dem Dirndl, rein in die roten Schuhe und hab gesagt: Ich bin dann in Bangkok, Mittwoch früh wieder da.“ Dieses Leben fühlte sich ganz normal an, bis eines Tages Tochter Sofie aus der 2. Klasse Volksschule mit einem Aufsatz nach Hause kam. Darin stand zu lesen: „Bei uns in der Familie ist alles anders. Da arbeitet die Mama, und der Papa kocht.“

Gut, dass Hubert junior sich von Hubert senior damals nicht zum Arbeiten in den Wald schicken lassen wollte.

Nächsten Sonntag lesen Sie: Schneyder im Blauensteiner

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