Flüchtlinge lösten keine Welle der Kriminalität aus

Flüchtlinge lösten keine Welle der Kriminalität aus
Die Anzeigen gegen Asylwerber machten im Vorjahr 2,8 Prozent aller Anzeigen aus.

Die Zahl der Strafanzeigen gegen Asylwerber stieg von rund 10.000 im Jahr 2014 auf 14.000 im Vorjahr. Die mancherorts befürchtete große Kriminalitätswelle durch die ankommenden und weiterreisenden Flüchtlinge blieb damit aus: Im gleichen Zeitraum verdreifachte sich die Zahl der Asylanträge auf rund 100.000.

"In Relation gesetzt ist das also eine Verringerung. Auch geht es nicht um Verurteilungen, sondern um Anzeigen. Die Bilanz spiegelt die Berichterstattung der vergangenen Monate nicht wider", sagt Norbert Leonhardmair vom Zentrum für sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung (VICESSE).

Rund 500.000 Anzeigen insgesamt

Flüchtlinge lösten keine Welle der Kriminalität aus
Gemessen an der Gesamtkriminalität machten die Anzeigen gegen Asylwerber im Vorjahr 2,8 Prozent aus. "Studien haben zuletzt ergeben, dass der Begriff Asylwerber in der Statistik ohnehin sehr weit gefasst wird.", sagt Veronika Hofinger vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). Es würden Menschen dazugerechnet, deren Verfahren längst entschieden seien. "Trotz der hohen Zahl an Asylanträgen sind die Anzeigen aber nur geringfügig gestiegen."

Das derzeit herrschende "Unsicherheitsgefühl habe nichts mit konkreten Zahlen zu tun, sondern das kommt durch die Jobsituation, das Gefühl in der Wohnumgebung oder sogar durch Beziehungsprobleme", sagt Leonhardmair. "Das bedeutet de facto: Die wirtschaftliche Krise heizt die Angst vor Kriminalität an und wird auf Asylwerber projiziert."

Gefühle sind anders

Es habe auch wenig Einfluss, ob man tatsächlich Opfer einer Straftat geworden ist oder nicht, sagt der Experte: "Bei Kriminalität und Ausländern ist es gleich: Die Angst ist dort am größten, wo es am wenigsten gibt."

Eine Studie der Universität Wien hat ergeben, dass die Kriminalität im Burgenland im österreichweiten Vergleich kaum vorhanden, die Furcht dort aber am allergrößten ist.

Ein weiterer Fehler sei, so Leonhardmair, dass die Zahl der von Ausländern verübten Straftaten mit der Wohnstatistik verglichen wird. "Man müsste das aber in Relation zu jenen Menschen setzen, die sich tatsächlich hier aufhalten, also auch Touristen. Dann schaut das schon ganz anders aus." Der Anteil von Ausländern an Straftaten würde dadurch spürbar sinken.

Vor allem die Medien – klassische, wie soziale – prägen das Sicherheitsgefühl. Hofinger: "Derzeit kursieren viele Gerüchte über Kriminalität von Asylwerbern, etwa auf Facebook. Und seit den Vorfällen in Köln muss sich die Polizei rechtfertigen, wenn sie nicht offensiv über Sexualdelikte berichtet. Dabei schadet die ausführliche Berichterstattung über solche Delikte den Opfern und erzeugt nur Angst." Viele Vorwürfe, die in sozialen Medien gegen Asylwerber erhoben werden, sind zudem nachweislich falsch.

Rekordtief bei Kriminalität

"Eigentlich ist es absurd", sagt auch ein hochrangiger Mitarbeiter des Innenministeriums. "Während Bürgerwehren gebildet werden und sich immer mehr Menschen bewaffnen, haben wir gleichzeitig die niedrigste Kriminalitätsrate seit Jahrzehnten."

Offiziell ist die Kriminalstatistik für 2015 noch ein gut gehütetes Geheimnis. Vergangene Woche wurde der Bericht aber per eMail an alle Entscheidungsträger im Innenministerium übermittelt. Erstmals seit langer Zeit gab es demnach im Vorjahr nur noch rund 500.000 Strafanzeigen. "Alle Deliktarten sinken, nur bei der Computerkriminalität wird es eine Steigerung geben", sagt ein Insider.

In Deutschland verhält es sich ebenso

Bei unserem nördlichen Nachbar zeichnet sich ein ähnliches Bild: Dort stieg die Zahl der Straftaten im Verhältnis zur Zahl der Asylwerber ebenfalls geringer an. In Deutschlang begingen Flüchtlinge rund 200.000 Straftaten.

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