Festspiele: „Es ist so sinnlich unter freiem Himmel“
Ein wenig aufgedonnert tritt sie dreimal auf die Freiluftbühne vor dem Salzburger Dom und macht den Jedermann auf seinen Egoismus aufmerksam: Anna Rieser, junge Schauspielerin aus dem Gasteinertal und aktuell Ensemblemitglied am Wiener Volkstheater. Sie steht an der Seite des Schuldknechts, der von Jedermann Gnade fordert.
Das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ mitten in der Salzburger Altstadt ist für sie eine Art Heimspiel, das einem fast den Atem nimmt.
„Es ist so sinnlich draußen: Man hat das Leben um sich und beschäftigt sich mit dem Tod.“ Das mache den Jedermann zum Spiegel für die Gesellschaft. Und sie findet es beängstigend, dass Oberflächlichkeiten, wie etwa Diskussionen über die Frisur der Buhlschaft (übrigens auch eine Gasteinerin) so hochkochen würden.
Die große Bühne vor dem Dom fordere noch mehr Kraft und Energie ein. Ihre Mission sei es, den reichen Mann daran zu erinnern, dass es mehr gibt „als ihn und sein Geld“, schildert Rieser.
Früh Talent erkannt
Ihr Schauspiel-Gen zeigte sich bald, obwohl sie früher eigentlich glaubte, der Schauspielberuf sei etablierten Familien vorbehalten: „Meine beide jüngeren Schwestern und ich haben mit unserer Videokamera ständig Filme gedreht.“ Die Drehbücher dazu stammten aus Annas Feder – von Familiendramen bis Krimigeschichten.
Ihre Stationen führten sie vom Film („ich habe von Prostituierten bis zu Leichen schon alles gespielt“) immer mehr in die Bühnenwelt. Begeisterte Reaktionen flogen ihr schon von vielen Seiten zu. „Sie nutzt ihre salzburgerische Sprachfärbung, um die vermeintliche Schlichtheit der Figur hervorzuheben“, hieß es in einer Kritik zu Hauptmanns „Einsame Menschen “ am Volkstheater. Sie spielt mit Sprache und setzt, wo es passt, auch einmal Dialekt ein.
Lange Durststrecke
Ihre erste Spielzeit in Wien erlebte eine Vollbremsung durch Corona: Drei Stücke waren fertig geprobt und dann begann die lange Wartezeit. Hauptmanns „Einsame Menschen“ konnten erst acht Monate nach der Generalprobe Premiere feiern. Eine lange Durststrecke.
Rieser fühlt sich dennoch vor allem zur Bühne hingezogen: „Das Theater ist etwas Besonderes, weil es nur in dem jeweiligen Moment stattfindet.“ Die Klappe kann nicht erneut fallen. Es reizt sie, im Augenblick zu sein.
Nicht immer an die Sonnenseite
Und es muss auch nicht immer die Sonnenseite des Lebens sein: Bei der Feier zur Festspieleröffnung las Anna Rieser aus einem Text von Christine Lavant, die darin ihren Aufenthalt in der Landes-Irrenanstalt Klagenfurt verarbeitet hatte. Die Art der Selbstwahrnehmung sprach die junge Schauspielerin an.
Ihre Festspieltage abseits der Bühne? Die Orte wechseln rasch – von Salzburg bis Wien oder ins Gasteinertal. Energiequelle ist die Natur: „Ich brauche rund um die Aufführungen auch Ruhe.“ Eine Traumrolle hat sie nicht, lässt die Zukunft lieber auf sich zukommen. „Ich versuche, generell offen zu sein.“ Allzu große Verbissenheit würde ihr auch nicht stehen.
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