Warum halten diese Männer es nicht aus, wenn Frauen sich trennen wollen?
Hier geht es um eine tiefe und frühe Phase in der Entwicklung. Loslassen fällt diesen Männern besonders schwer, wenn sie in einer Abhängigkeit sind. Und abhängig ist man dann vom anderen, wenn man nicht gelernt hat, in sich zu ruhen. Wenn man nicht gelernt hat, mit Frustration adäquat umzugehen. Wenn man die Partnerin mehr braucht, als sie zu lieben. Das heißt, die Frau geht und die Welt bricht zusammen. Als würde die Mutter den Säugling verlassen.
Warum ist dieses Verhalten bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen? Sie werden auch von Männern verlassen und betrogen, töten diese aber viel seltener.
Ich glaube, das ist u. a. auch ein Erziehungsfaktor. Lange Zeit galt und gilt auch noch viel zu oft heutzutage, dass Buben nicht weinen sollten. Sie sollen tapfer sein. Eine Rollensozialisation, die vermeintlich starke Männer fördert. Wenn ich an meine Kindheit denke: Ich wollte immer ein Bub sein, weil die alles durften. Und das sehen wir beispielsweise auch oft in anderen Kulturen. Dass Buben mehr wert sind als Mädchen. Das hat natürlich negative Konsequenzen.
Buben bekommen also weniger Grenzen, was eine gewisse Unreife fördert?
Genau, wenn Buben weniger in ihrem Verhalten begrenzt werden, dann wird ihnen vermittelt, dass sie etwas Besonderes sind, etwas Starkes. Sie sollen im Leben etwas darstellen. Hier wird eine narzisstische Grundhaltung leichter genährt als bei Mädchen. Erziehung verändert sich, aber es ist noch ein langer Weg.
Durch einen Femizid zerstören diese Männer nicht nur das Leben der Frau und ihrer Angehörigen, sondern auch ihr eigenes.
Ich glaube, dass diese Männer nicht so rational über den Femizid nachdenken. Das tun wir jetzt hier, aber im Normalfall nicht der Täter. Der Auslöser für solch eine Gewalthandlung ist nie in Relation zu sehen. Es kommt zu drastischen Lösungen und Tötungen, wenn in deren Kopf kein anderer Ausweg mehr bleibt.
Bei Femiziden kommt es oft zu Übertötungen. Der Mann wendet mehr Gewalt an, als zur Tötung notwendig wäre. Er tut viel mehr, als zu töten. Warum?
Das Übertöten sehen wir bei Beziehungsdelikten sehr oft, das ist richtig. Denn hier fließen die massiven Spannungen, die Wut, die Kränkung und der Hass ein. Die enttäuschte Liebe also.
Welches ist das wirksamste Mittel gegen Männergewalt?
Kurzfristig ist Männergewalt nicht zu lösen. Das ist ein Entwicklungsprozess. Einerseits muss auch der Blick der Frauen in Sachen Männerwahl geschärft werden. Grenzen ziehen lernen, Wahrnehmung für Gefahr und Gewalt fördern. Die beginnt ja meist schon viel früher, als viele wissen. Lange vor dem ersten blauen Auge. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass diese Männer zu Beginn der Beziehung oft bewusst beeindrucken, bevor ihr wahres Ich zum Vorschein kommt.
Und was muss aufseiten der Männer getan werden?
Sehr viel. Das kann ich nicht oft genug betonen. Männer müssen verstehen, dass Zuschlagen ein Zeichen von Schwäche ist und Konfliktpotenzial erlangen. Sie müssen lernen, dass Loslassen zum Leben gehört. Dafür reicht es nicht, ein Betretungsverbot und sechs Stunden Aussprache zu verordnen. Weil die nötige Selbstreflexion erst erwachsen muss. Nur wer bei sich selbst beginnt, der kann eine Veränderung herbeiführen. Diese Männer benötigen einen anderen Blick auf ihre Beziehungen, auf ihre Partnerinnen, auf ihre Kindheit. Sie müssten alle in intensive Anti-Gewalt-Trainings oder noch besser: in Therapien. Tief sitzende Gefühle müssen zur Sprache gebracht werden. Und das Wichtigste: Diese Männer müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Hilfe für Betroffene
In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u. a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133.
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