Femizide: "Die Wut, die Kränkung und der Hass"

Femizide: "Die Wut, die Kränkung  und der Hass"
Bei Femiziden stößt Emanzipation auf das Patriarchat. Die Täter seien laut Psychiaterin Sigrun Roßmanith nicht dazu fähig, sich friedlich zu trennen.

In Österreich zählt man im Jahr 2024 bisher 26 getötete Frauen. Meistens sind die Partner oder Ex-Partner die Täter. Die in Wien lebende Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Sigrun Roßmanith beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Männergewalt. Als Gutachterin hat sie Tausende Fälle untersucht, viele davon mit dem Schwerpunkt Gewalt- und Sexualverbrechen.

KURIER: Auf den Punkt gebracht: Warum töten manche Männer ihre Frauen?

Sigrun Roßmanith: Meistens geht es darum, dass man etwas als nicht erträglich erachtet und lieber alles auslöscht, als diese Situation auszuhalten. Gemeinsam haben sie die Anwendung von Aggression.

Was hat das Patriarchat damit zu tun?

Es ist natürlich so, dass patriarchale Strukturen die Besitzergreifung der Frau fördern. Als eine Art Anhängsel des Mannes ohne eigenständiges Leben und ohne Berücksichtigung ihrer Wünsche. Ich glaube, dass das oft Konfliktsituationen sind, die aus einer Unreife im Umgang mit Frustration, mit Trennung, mit Verlassenwerden entstehen. Auch das könnte man als patriarchalen Aspekt sehen.

Hat das auch etwas mit männlicher Eitelkeit zu tun?

Absolut. Solch ein Mann schämt sich, wenn er verlassen wird. Bei einer Frau ist das manchmal auch der Fall, aber weniger ausgeprägt. Dieses Schamgefühl, kein echter Mann zu sein, nichts weiter zu bringen oder im schlimmsten Fall, durch einen anderen ersetzt zu werden, das ist ein Todesstoß für manch männliche Eitelkeit. Das ist übrigens unabhängig von der Kultur.

Sie meinen, dass diese Männer ein Verlassenwerden nicht aushalten?

Ja, das hat auch mit dem Selbstwert zu tun. In unserer Gesellschaft ist ein Mann, der verlassen wird, noch oft ein Verlierer. Aber es sollte ein Umdenken stattfinden, denn das ist ein Relikt einer patriarchalen Gesellschaft. Ein Mann, der seine Fäuste braucht und seine Frau erwürgt, ist ein Verlierer. Nicht einer, der eine Trennung aushalten und nach vorne schauen kann.

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