Fast blind mit Tempo 100 über die Streif

Veronika und Guide Elisabeth Aigner sind seit Jahren im Paraskisport das Maß der Dinge
Die Streif völlig gesund und in Bestform zu bezwingen, ist für die erfahrensten Skirennläufer schon eine große Herausforderung. Die berüchtigte Strecke am Hahnenkamm mit nur acht Prozent Sehleistung im Renntempo zu befahren, dazu gehört neben Können auch eine ganze Portion Mut.
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Den hat im Rahmen des legendären Kitzbühel-Wochenendes einmal mehr die niederösterreichische Parasportlerin Veronika Aigner (20) bewiesen. Die stark sehbeeinträchtigte Skifahrerin aus Gloggnitz am Fuße des Semmering bekam auf Einladung ihrer Sponsoren die Möglichkeit, zusammen mit ihrer Schwester und Guide Elisabeth Aigner (25) die rennfertige Piste zu testen.
Veronikas Sehleistung liegt seit ihrer Geburt bei gerade einmal acht Prozent. „Im Grunde sehr ich nur weiß, alles andere ist sehr verschwommen. Dafür sind meine Sinne um einiges schärfer, als bei anderen“, schildert Österreichs Parasportlerin von 2020, 2022 und 2023.

Test mit Spezialbrillen
Was diese Art der Sehschwäche besonders im Skirennsport bedeutet, sollte in Kitzbühel ein prominenter Sportler am eigenen Leib erfahren. Niemand Geringerer als Olympiasieger und Weltmeister Benni Raich konnte für das spannende Projekt gewonnen werden.
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Es ging in erster Linie darum, normal sehenden Menschen zu vermitteln, welche besondere Leistung es ist, die Streif annähernd blind auf Skiern im Renntempo zu meistern.
Eingeschränkte Sicht
Zu diesem Zweck bekam Benni Raich eine Skibrille, die mit einer speziellen Folie präpariert war. Damit hatte der Skistar in etwa das gleiche eingeschränkte Sehvermögen wie die paralympische Goldmedaillen-Gewinnerin.
„Die Streif ist ein großes Vorhaben für jeden Skifahrer und für jemanden, der fast nichts sieht, eigentlich unvorstellbar“, erklärte Raich.

Wie ein Anfänger
Wie das Youtube-Video von dem Projekt zeigt, sollte der frühere Skistar recht behalten. Benni Raich konnte Vorausfahrerin Elisabeth auf dem Übungshang mit Toren kaum folgen. Er fuhr mehr Pflug, als Parallelschwünge, erklärte die 25-Jährige nach dem Testlauf. Wie das Video zeigt, versetzte der Filter in der Brille den Olympiasieger auf das skifahrerische Können eines Anfängers. „Ich habe mich gefühlt, als würde ich mit einem Fünfjährigen fahren“, lachte Guide Elisabeth Aigner.
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Auch Benni Raich war völlig von der Rolle, wie sehr er durch die simulierte Sehschwäche beeinträchtigt war. „Ich bin ganz baff. Mit dieser Brille da runterzufahren war der Wahnsinn. Jeder, der selbst einmal Ski gefahren ist, weiß, wie wichtig eine gute Sicht ist und die fehlt bei Vroni komplett. Ich ziehe meinen Hut vor Vroni und Lisi, dass sie das im Renntempo hinbekommen“.
Seidlalm und Hausbergkante
Wie die Schwestern immer wieder betonen, ist es das „blinde Vertrauen“, dass ihren Erfolg ausmacht. Veronika muss sich auf jedes Kommando ihrer Schwester voll und ganz verlassen können. Bei der Fahrt über die Streif tat sie das auch bei Tempo 100 auf der Seidlalm, dem Lärchenschuss und an der Hausbergkante.
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