Katja Almberger, Beiratsmitglied im Geschichtsverein für Kärnten und stellvertretende Direktorin im Landesarchiv, hat den Original-Akt der Faschaunerin im Zuge ihrer Dissertation noch einmal genau unter die Lupe genommen. Auf 210 Seite ist darin aufgelistet, wie sich der Giftmord-Prozess einst zutrug.
1.000 Tage Prozess
"Man muss sich vorstellen, wie lange alleine der Prozess gedauert hat. Über 1.000 Tage. Das war für die damalige Zeit äußerst ungewöhnlich", erzählt Almberger, während sie in jenen Räumlichkeiten steht, in denen die Schätze des Landesarchivs gelagert werden.
Umringt von 19.000 Urkunden, rund 70.000 Handschriften und 400.000 Akten. "Alles zusammen 15 Laufkilometer. Platz haben wir für 20 Laufkilometer", erklärt die stellvertretende Direktorin.
Jener Akt, der die Faschaunerin behandelt, liegt vor ihr auf einem Tisch. Ihren Beinamen verdankte die bei ihrem Todesurteil 36-jährige Frau übrigens ihrem Hof, der Faschauner-Hube am Maltaberg.
Kein männlicher Erbe, darum Ehe
Da es für diese keinen männlichen Erben gab, versprach ihr der Vater den Hof - so sie denn heiratet.
Nach mehreren Absagen, ehelichte Eva Kary schließlich am 7. Februar 1770 Jakob Kary. Knapp einen Monat nach der Hochzeit, am 9. März 1770, nahm das Schicksal schließlich seinen Lauf. Zum Mittagessen servierte die Faschaunerin gefüllte Topfennudeln. „Die übrig gebliebenen Reste bereitete sie für ihren Ehemann als Nachmittagsjause zu und bot sie auch ihrer Schwiegermutter zu essen an“, weiß die Historikerin.
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Wenig später klagten beide über starke Übelkeit. Während sich die Schwiegermutter wieder erholte, verstarb Jakob Kary schließlich 11. März 1770.
Knoblauchgeruch als Zeichen für Arsen
„Schnell kam das Gerücht auf, dass Eva ihren Mann mit Arsen vergiftet haben soll“, erklärt Almberger. Den letzten Beweis lieferte schließlich die Exhumierung von Karys Leichnam und einer für die damalige Zeit gängigen Untersuchung, wie aus dem Akt am Tisch vor Almberger hervorgeht.
„Es wurden Flüssigkeiten aus Magen und Darm des Verstorbenen gewonnen und auf heiße Kohlen gegossen. Roch der aufsteigende Dampf nach Knoblauch, deutete dies auf Arsen-Vergiftung hin.“ Und der Dampf im Falle Karys roch eindeutig nach Knoblauch.
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Doch noch etwas geht aus den Unterlagen hervor: Die Standhaftigkeit der Eva Kary. Über 1.000 Tage dauert der Prozess. Stets leugnet die Angeklagte, ihren Mann vergiftet zu haben. Bis auf Seite 160 des Gerichtsaktes ihr erstmals mit dem Henker, damals Freimann genannt, gedroht wird. Eine Viertel Stunde später, so ist weiter zu lesen, folgt das erste Geständnis. Jedoch ohne Details.
Welche Foltermethode für welches Vergehen
Deswegen beginnt am 4. Februar die Folter, damals "peinliche Befragung" genannt, um ein Geständnis zu erlangen. "Die Überzeugung war, dass jemand, der wirklich nichts verbrochen hat, auch eine Folter übersteht", erklärt die Historikerin und deutet auf ein weiteres Buch im Landesarchiv: Die "Constitutio Criminalis Thersiana". In diesem ist penibel festgehalten, welche Foltermethoden für welche Art von Vergehen anzuwenden waren.
Im Falle der Faschaunerin war es die Schnürung. "Dabei wurde sie auf einen Hocker gesetzt bzw. an eine Leiter gelehnt und an den Händen und Füßen mit Schnüren gefesselt. Anschließend zogen die Knechte des Scharfrichters die Seile mit Walzen fest zusammen."
Der Finger von Almberger wandert erneut über den Gerichtsakt. Bei der vierten Schnürung verharrt er: Jene Passage, in der das Geständnis erfolgt. "Sie gab an, vom Arsen ein erbsengroßes Stück abgeschlagen, es verrieben und in das Schmalz der Nudel gestreut zu haben. Als Motiv nannte sie ihre unglückliche Ehe", sagt die Historikerin.
Doch warum fasziniert der Fall nach so langer Zeit nach wie vor?
"Weil er wie ein Krimi ist. Da haben wir den letzten Folterprozess, dazu aber auch das große Frauenthema. Da ist diese Frau, die ohne Mann den Hof nicht übernehmen darf, dann unglücklich in ihrer Ehe wird und als einzigen Ausweg Gift sieht. Sie wirkt hochintelligent. Gesteht nicht. Der Prozess dauert lange. Und man muss wissen, dass die Landesgericht Mordprozesse damals fürchteten", erzählt die stellvertretende Direktorin.
Henker ließ sich alles separat zahlen
Nicht zuletzt, weil diese mit hohen Kosten verbunden waren. 361 Gulden und 47 Kreuzer kostete jener der Faschaunerin. Was damals etwa vier Jahresgehältern eines Maurerlehrlings entsprach.
"Hinzu kamen die hohen Kosten für den Henker. Dieser ließ sich alles separat bezahlen. Das Abschlagen einer Zunge, das Aufheben der Zunge, das Zurschaustellen dieser. Alles einzeln zu begleichen", erklärt die Historikerin.
Der Faschaunerin wurde am Ende der Kopf und eine Hand abgeschlagen. Beides offiziell zur Schau gestellt.
Ob die Frau unschuldig war, oder nur unter den Schmerzen der Folter ein Geständnis abgelegt hat? Auf diese Frage finden selbst alle Unterlagen des Archivs keine eindeutige Antwort.
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