Fachkräftemangel in den Moscheen

Fachkräftemangel in den Moscheen
Moscheen, aber keine Imame-Schulung in Österreich: Prediger mit oft reaktionärem Islam-Verständnis werden „importiert“.

In vielen Teilen der islamischen Welt entwickelten sich die Proteste gegen den dummen Mohammed-Film zu einem Flächenbrand. In der provisorisch eingerichteten Moschee des Afro Asiatischen Instituts in der Türkenstraße in Wien-Alsergrund schlug Imam Zekirija Sejdini versöhnliche Töne an: „Lasst euch nicht provozieren. Ein Film darf keine Gewalt auslösen.“

Sejdini, 40, ist Hobby-Vorbeter, der etwas von seinem Handwerk versteht. Im Brotberuf ist der studierte Islam-Theologe Inspektor für islamischen Religionsunterricht und Sprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ). Er zeichnet gerne ein moderates Bild von heimischen Imamen. Mit solchen Idealen, das weiß er, hat die Realität wenig zu tun.

In Österreich mangelt es an Vorbetern. Besser gesagt: Hierzulande werden gar keine ausgebildet. Sie sind die vermutlich am stärksten nachgefragten Fachkräfte. Um den Bedarf zu stillen, werden sie aus der Türkei, Ägypten oder anderswo „importiert“.

Background

Diese Praxis ist folgenreich, denn ihr Islam-Verständnis ist mit dem Leben vieler Austro-Muslime nicht kompatibel. Das behauptet Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, und ein innerislamischer Kritiker, eine Art Helmut Schüller des Islam. „90 Prozent der Muslime, die mit einer Frage in eine Moschee gehen, kriegen keine Antwort darauf.“ Die Auflösung des Rätsels: Die rund 300 in Österreich tätigen Prediger hätten einen anderen Background. Aslan: „Die können mit der Fragestellung nichts anfangen. Österreich und Ägypten sind nicht vergleichbar“ (siehe Interview) .

Das Problem ist bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass der Islam hierzulande eine lange Tradition hat: Seit hundert Jahren ist er eine anerkannte Religion; es gibt mehr als 200 Moscheen; je nach Schätzung gehören zwischen 50.000 und 75.000
Muslime (10 bis 15 Prozent) einem Moscheeverein an. Aber eine Ausbildung für Imame? Fehlanzeige.

Die Forderung, ein universitäres Imam-Institut einzurichten, ist alt und wird von vielen Seiten gebetsmühlenartig erhoben. „Wir wollen das seit Langem. Das hat früher aber wenige interessiert“, sagt IGGIÖ-Sprecher Sejdini. Das Projekt scheitert aber bei jedem Anlauf fulminant. Warum? Dem Staat fehlt es an Interesse. Und der IGGIÖ fehlt die Durchsetzungskraft. Denn auch in der Glaubensgemeinschaft ziehen im Hintergrund die mächtigen Vereine der muslimischen Communitys die Fäden.

Wildwuchs

Wer in Österreich eine Moschee führen will, der braucht nur einen Verein gründen, einen Raum mieten und einen Prediger anstellen. Die IGGIÖ prüft lediglich, ob er eine theologische Ausbildung hat. Das Ergebnis ist ein Wildwuchs, und Geistliche, die am Gängelband teils umstrittener Organisationen hängen.

Das Vereins-Prinzip fand viele Nachahmer. Ein Paradebeispiel ist die türkisch-islamische Union ATIP, eine Dachorganisation für österreichweit 63 Vereine. Die Imame – rund ein Drittel der Vorbeter – sind privilegierte Beamte. Sie unterstehen dem Präsidium für Religionsangelegenheiten in der Türkei, predigen aber in heimischen Gebetshäusern. Sie brauchen nicht einmal die sonst obligate Erlaubnis der Glaubensgemeinschaft. „Es geht bei vielen nicht nur um Religion, sondern um Politik und Nationalismus“, kritisiert Amer Albayati von der Initiative Liberaler Muslime Österreich.

Integrationsmotor

Hierzulande sind Bildungsmöglichkeiten für Vorbeter rar. Der Integrationsfonds bietet Deutschkurse an, die Uni Wien eine Fortbildung. Am großen Wurf arbeitet das Integrationsstaatssekretariat im „Dialogforum Islam“. Nicht ganz ohne Eigennutz, denn die in ihrer Community geschätzten Imame
könnten ein Motor für die Integration sein. Im Staatssekretariat war man zu den Plänen aber schweigsam.

Ein eigenes Institut könnte ein Forum für die längst fälligen innerislamischen Diskussionen bieten. Aslan: „Wir könnten die Theologie aus dem europäischen Kontext heraus entwickeln.“ Am Ende des Weges könnte eine österreichische Prägung des Islam stehen.
Sejdini bereitet bereits seine nächste Predigt vor. „Für mich“, sagt er, „gehört es dazu, den Islam im österreichischen Kontext zu predigen.“

KURIER: Glauben Sie wirklich, dass ein Uni-Institut für Imam-Studien den Islam reformiert?

Ednan Aslan: Wir könnten die Theologie aus einem europäischen Kontext, aus einer Mündigkeit heraus entwickeln. Derzeit stammen die Prediger aus ihren jeweiligen Ländern und dort haben sie ihre Berechtigung. Aber gestatten Sie: Österreich und Ägypten sind nicht vergleichbar. Mit ihrem Wissen können sie hier wenig anfangen. Die Imame sollten sich zu unseren Werten bekennen.

Der Islamischen Glaubensgemeinschaft fehlt es an Durchsetzungskraft.

Sie müsste eine entscheidende Rolle übernehmen, Impulse setzen, die Imame-Ausbildung gestalten.

Was braucht es?

Etwa einen Kriterienkatalog für Moscheen oder Imame. Wer muss was können? Wer darf eine Moschee gründen? Wir brauchen eine Neugestaltung der Moscheen. Die Glaubensgemeinschaft muss den Druck der Verbände brechen.

Wo bedarf es noch Reformen?

Überall. Wir brauchen keine neue Religion. Wir müssen aber reflektieren, kritisch hinterfragen. So wie es jetzt ist, produziert der Islam viel zu viele Widersprüche.

Steht am Ende des Weges wirklich ein Austro-Islam?

Das ist eine große Herausforderung, der sich alle Muslime stellen müssen. Das muss Schritt für Schritt passieren. Zuerst die Infrastruktur, die Ausbildung.

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