Expertenforderung: Kommt jetzt die Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter?

Ein Mann fährt mit einem grünen E-Scooter auf der Straße.
Die Fahrer von Elektro-Fahrrädern und -Rollern sind besonders gefährdet, zeigt eine aktuelle Studie. Was aus Expertensicht für und was gegen eine Helmpflicht spricht.

Die Debatte um die Einführung einer Helmpflicht lodert in Österreich in der Fahrrad-Saison regelmäßig auf. So ist das auch 2023. Heuer liegen der Diskussion Zahlen aus einer Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) zugrunde. Konkret geht es diesmal um eine Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter.

Demnach hat man ohne Helm auf dem E-Bike ein elfmal höheres Risiko, eine ernsthafte Verletzung zu erleiden, als mit Kopfschutz. Das Risiko, tödlich zu verunglücken, ist mit einem Elektroantrieb dreimal so hoch. Interessant ist außerdem, dass zwei Drittel der verunglückten E-Bike-Fahrer über 65 Jahre alt sind. Das ist damit zu erklären, dass das Fahren mit Antrieb für Ältere natürlich bequemer ist und deshalb viele Ältere auf das E-Bike umsteigen.

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Aber gerade das kann zu Problemen führen, auch wenn man bereits ein routinierter Radfahrer ist. Der Antrieb ist schneller, das E-Bike hat ein höheres Gewicht und ein anderes Bremsverhalten, und außerdem sind die Fahrräder weniger wendig. All diese Faktoren müssten eigentlich zu einem vorsichtigeren Fahrverhalten anregen – doch genau das Gegenteil ist der Fall.

2 km/h schneller

Laut der KfV-Studie neigt man auf E-Bikes oder E-Scootern nämlich zum schnelleren Fahren. Um durchschnittlich 2 km/h steigt die Geschwindigkeit, wenn der Motor mithilft.

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Deshalb fordern die Experten des KfV eine Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter. Dass die modernen Gefährte auch ein höheres Unfallpotenzial haben, scheint vielen Nutzern bewusst zu sein. Der Anteil der Helmträger auf E-Bikes beträgt 62 Prozent, bei den Radfahrern ohne Motorantrieb nur 41 Prozent. Das Bewusstsein für die Gefahr ist bei E-Bike-Fahrern also bereits größer, dennoch brauche es laut KfV eine Helmpflicht.

Helmpflicht führt zu weniger Radfahrern

Dieser Forderung können andere Verkehrsklubs nichts abgewinnen. Laut der Radlobby Österreich sei das Problem, dass eine Helmpflicht den Anteil der Fahrradfahrer insgesamt drastisch minimieren würde. Erfahrungsgemäß ginge er sogar um die Hälfte zurück.

Als Beispiel wird hier gerne Australien herangezogen, wo 1991 nach der Einführung der Helmpflicht nur noch halb so viele Menschen das Fahrrad benutzten. Radfahren verbessere aber die Gesundheit und sei auch ein wichtiger Klimaschützer, wie der Sprecher der Fahrradfahrer-Vertreter Roland Romano auf KURIER-Anfrage sagt. Zu riskieren, dass sich der Anteil der Radfahrer drastisch verkleinere, könne deshalb nicht im Sinne der Gesetzgebung sein.

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Eine Helmpflicht würde laut Radlobby zwar einen Nutzen für die Sicherheit bringen, der Schaden für Klimaschutz und Gesundheit würde diesen Nutzen aber übersteigen.

Ein Mann mit Sakko und Hemd sitzt an einem Tisch.

Christian Gratzer,  VCÖ-Sprecher

Anstatt einer Helmpflicht sei es laut Romano sinnvoller, mehr Geld in die Reduzierung des Autoverkehrs, bessere Infrastruktur für Fahrradfahrer sowie in Schulungs- und Motivationskampagnen zu investieren.

Das wäre auch für den Verkehrsclub Österreich die bessere Variante, wie Sprecher Christian Gratzer dem KURIER sagt: „Nur fünf Prozent der Fahrrad-Unfälle passieren auf Radwegen. Man sieht also, dass eine gute Infrastruktur maßgeblich für die Sicherheit ist.“

Abgesehen davon verhindere ein Helm auch keinen Unfall. „Das Tragen eines Helms vermittelt ein Sicherheitsgefühl, leider aber tragen ihn sehr viele Radfahrer nicht richtig, und dann wird es bei einem Unfall noch gefährlicher“, sagt Gratzer.

Ein Fahrrad liegt nach einem Unfall beschädigt auf der Straße.

Im Jahr 2022 verunglückten 40 Radfahrer tödlich. Das Risiko ist mit dem E-Bike dreimal so hoch.

Helmpflicht ändert Schuldfrage bei Unfällen

Ein weiterer Punkt, den man nicht vergessen darf, ist laut den Helmpflicht-Gegnern folgender: Wird man als Radfahrer ohne Helm unverschuldet in einen Unfall verwickelt, würde man nach Einführung einer Helmpflicht automatisch eine Teilschuld tragen. Auch die Polizei hätte massiv mehr Aufwand, wenn sie auch noch eine Helmpflicht kontrollieren müsste, sagen die Gegner des Konzepts.

Das Rad ist ein Wirtschaftsfaktor

Den Bund könnte die Einführung einer Helmpflicht teuer kommen: Laut Berechnungen der Fahrradfahrer-Vertreter könnte Österreich bei einer Verdopplung des Radverkehrsanteils dem Gesundheitssystem jährlich 300 Millionen Euro sparen. Im Gegensatz dazu würden die Einnahmen aus Strafen im Zusammenhang mit einer Helmpflicht nur einen Bruchteil dessen ausmachen.

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