Experte: „Cannabis wird total verharmlost“

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Daniel Lichtenegger, Drogenkoordinator des BMI, spricht über die Auswirkungen von zu liberaler Drogenpolitik.

Seit Ende letzten Jahres befasst sich eine neue Gruppe mit insgesamt 20 Ermittlern im Bundeskriminalamt mit Drogenkriminalität. Schon im Probebetrieb gelang mit der „Operation Sandmann“ ein großer Coup. Täter die Drogen via Darknet verkauft und von Österreich aus versendet haben, wurden festgenommen. Insgesamt sollen sie mit synthetischen Giftstoffen im Wert von 13 Millionen Euro gehandelt haben. Der Leiter des Referats und Drogenkoordinator des BMI, Daniel Lichtenegger, hat mit dem KURIER über die Lage in Österreich gesprochen.

KURIER: Wie hat sich der Drogenhandel durch das Darknet verändert?

Daniel Lichtenegger: Die Frage mit dem Darknet war am Anfang, ob es nur ein Phänomen ist, oder sich etablieren wird. Das ist passiert. Es hat den klassischen Suchtmittelhandel aber nicht verdrängt, sondern ergänzt. Früher musste man in eine Stadt zu einem Dealer fahren, um an Suchtgift zu kommen. Jetzt kann ich mir das am Land ganz einfach im Internet bestellen.

Ist es nicht möglich, Post in den Verteilerzentren stärker zu kontrollieren?

Weil das Briefgeheimnis sehr stark reglementiert ist, behindert uns das natürlich sehr stark bei den Ermittlungen. Es wäre vieles möglich, aber es bräuchte teilweise eine Adaptierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir haben eine sehr enge Kooperation mit den Zollbehörden, die rechtlich mehr Möglichkeiten haben. Da sind wir als Polizei schlechter gestellt. Alleine im Postverteilerzentrum Inzersdorf werden pro Monat durchschnittlich zwischen 200 und 400 Briefsendung abgefangen. Das passiert im Rahmen von derzeit lediglich vier Kontrollen. Die Dunkelziffer ist hier aber hoch.

Wie wichtig ist die internationale Vernetzung mir anderen Polizeibehörden?

Generell wird der schwere Suchtmittelhandel in Österreich jeweils zur Hälfte von Ausländern und Inländern betrieben. Beim Suchtmittelhandel im großen Stil spielen Österreicher aber nur mehr eine untergeordnete Rolle. Da gibt es mafiöse Strukturen, die im Hintergrund stehen. Österreich wurde zum Beispiel bei der „Operation Sandmann“ als Vertriebsstandort gewählt, die Ware ging großteils in die USA. Von Österreich aus ist der Versand sehr leicht und viele haben Familie oder einen Wohnsitz hier.

Wie stehen Sie zu liberaler Drogenpolitik?

Hier sollen persönliche Meinungen keine große Rolle spielen. Es gibt in Österreich Gesetze die eingehalten werden müssen und die Polizei ist verpflichtet diese zu vollziehen. Bei Drogen hört sich aber der Spaß auf, da diese tagtäglich Leben zerstören. Die externen Umwelteinflüsse speziell bei der Suchtmittelkriminalität spielen aber auch eine große Rolle. Ein Riesenproblem für uns sind zum Beispiel die Niederlande, die als einer der Hauptproduzenten von synthetischen Suchtgiften Europa damit überschwemmen. Die liberale Drogenpolitik der Niederlande als positives Beispiel hinzustellen, wie es oft der Fall ist, ist verfehlt.

Derzeit gibt es eine Diskussion um CBD-Produkte, also Cannabis ohne berauschende Wirkung. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Wir haben in Österreich teilweise grobe Unschärfen im Gesetz. Wenn ich die Growshops hernehme, da kann ich Setzlinge kaufen. Wenn sie blühen ist es strafbar, wenn nicht dann nicht. Ich kann Zubehör zur Sucht kaufen. Jeder weiß wofür diese Gegenstände benutzt werden. Cannabis und das darin enthaltene THC wird total verharmlost. Es ist aber unbestrittenen eine Droge, und das muss jedem klar sein. Auch der nicht strafbare Stoff CBD ist derzeit ein Riesenthema. Wir hatten im Jahr über 42.000 Anzeigen und über zwei Drittel haben mit Cannabis zu tun. Durch die Anfallszahlen betreffend Cannabis werden die Ressourcen der Polizei sehr stark belastet. Das CBD-Thema kommt dann noch hinzu. Nichts zu unternehmen ist aber keine Lösung, schon in Hinblick des Schutzes unserer Jugendlichen. Darf man CBD eigentlich auf der Straße konsumieren?

Es riecht gleich wie Cannabis und es schaut gleich aus. Wie soll ein Polizist feststellen, ob es legal ist oder nicht? Jeder Beamte entscheidet vor Ort aufgrund seiner Ausbildung und der Rechtsgrundlagen, aber es wird in jedem Fall eine Untersuchung feststellen, ob es sich um CBD handelt oder ob mehr als 0,3 Prozent THC enthalten sind. Die Kunden wissen das teilweise selbst nicht. Die Frage ist auch, wie die Bevölkerung das aufnimmt. Es geht um das Vertrauen in die Polizei. Da sitzen Menschen im Park und rauchen, es riecht nach Cannabis und die Polizei macht scheinbar nichts. Deshalb wird aufgrund der rechtlichen Grundlagen vorgegangen. Zukünftig müssen sicherlich noch rechtliche Klarstellungen erfolgen, um der Polizei den Vollzug zu erleichtern. Die Laboruntersuchungen sind natürlich auch ein Ressourcenfaktor. Die Zahl der Überprüfungen ist in den letzten Monaten sehr stark angestiegen.

Experte: „Cannabis wird total verharmlost“

Daniel Lichtenegger, Abteilungsleiter Suchtmittelkriminalität im Innenministerium

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