Eugen Ketterl: Des Kaisers treuer Kammerdiener
Ein Original, das es so nur in Österreich geben kann: Kaiser Franz Joseph hatte zu seinem Kammerdiener, der ihm über zwei Jahrzehnte näher war als irgendjemand anderer, uneingeschränktes Vertrauen.
Eugen Ketterl war 1859 in kleinen Verhältnissen in Wien zur Welt gekommen und brachte es nach der Handelsschule zum Schlossverwalter auf dem Gut des Grafen Bellegarde. Da der Graf als Oberstküchenmeister für das leibliche Wohl des Kaisers zuständig war, fragte er Ketterl eines Tages, ob er an den Wiener Hof wechseln wollte. Der 33-jährige Ketterl nahm an.
Vorerst Speisenträger
Musste aber ganz klein beginnen. Nach zwei Jahren als Silberputzer und Speisenträger wurde er zum Kaiser gerufen. „Sie werden jetzt zu mir kommen“, erklärte Franz Joseph dem verblüfften Ketterl. „Sie müssen ein bissl Geduld mit mir haben, ich bin ein alter Herr. Was sind Sie für ein Landsmann?… Wiener, sehr gut. Haben Sie beim Militär gedient?… Damit wir einander kennen lernen, werden Sie mich auf meiner Reise begleiten. Sie müssen nur schauen, dass meine Garderobe in Ordnung ist... Auf Wiedersehen!“
Auf Reisen
Der „1. Kammerdiener Seiner Majestät“ trat am 27. Februar 1894 seinen Dienst an und begleitete Franz Joseph noch am selben Tag per Zug an die Côte d’Azur, wo sich Kaiserin Elisabeth aufhielt. Wieder in Wien, begann Ketterls Alltag als Kammerdiener. „Als ich mich alleruntertänigst bei Seiner Majestät bedankte, sagte er zu mir: ,Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich mit Ihnen sehr zufrieden bin.’“
Ketterl verstand es, die Sympathien seines Herrn zu wecken, auch weil er ihm „Zeitungen brachte, die man ihm vorenthielt und ihm auch viel übermittelte, was er sonst nie zu sehen und zu hören bekommen hätte“, was Ketterl allerdings „die Missgunst der hohen Hofchargen einbrachte“.
Kleiderordnung
Zu seinen Aufgaben gehörte es, für Ordnung in der Kleiderkammer zu sorgen. „Was die Garderobe Seiner Majestät betraf, so herrschten trostlose Zustände. Der frühere Kammerdiener Hornung“, hinterließ uns Ketterl, „war ein 80-jähriger Greis, der sich um nichts mehr kümmerte“.
Während sich der Kaiser bei Uniformen gut auskannte, hatte er mit dem Tragen der Zivilkleidung seine liebe Not. „Er hatte keinerlei Bedenken, zu einem grünen Sakko eine blaue Krawatte zu tragen. Als der Kaiser einmal von Katharina Schratt zur dringend nötigen Erneuerung seiner Privatgarderobe angeregt wurde, sagte er zu ihr: „Was den Anzug anbelangt, muss ich schon tun, was der Ketterl sagt, der versteht besser als ich, was zusammenpasst.“
Und so beschreibt Ketterl in seinen Memoiren seinen „Chef“: „Der Kaiser war zu uns allen sehr gütig. Niemals befahl er, immer bat er um eine Dienstleistung und bedankte sich, wenn ihm zum Beispiel ein Glas Wasser gereicht wurde. Er zeigte sich immer ruhig und selbstbeherrscht, mochte er in seinem Innern auch noch so erregt sein.“
Der Kaiser putzt selber
An seinem Arbeitsplatz sorgte der Kaiser selbst für Sauberkeit: „Überall mussten kleine Staubwedel liegen, mit denen er wiederholt seinen Schreibtisch reinigte.“ Es gehörte zu Ketterls Passion, „dem Kaiser durch die offene Tür zuzusehen, wie er auf dem Schreibtisch Ordnung machte“.
Sisi mochte er weniger
Während Ketterl für Franz Joseph ausschließlich Worte der Hochachtung findet, bleibt für Kaiserin Elisabeth wenig Schmeichelhaftes: „Sie war vom Ideal einer Gattin weit entfernt… Für einen Herrscher, der seine Aufgabe ernst nehmen musste, war sie vollkommen ungeeignet.“
Ketterl war seinem Herrn bis zu dessen letzter Stunde treu ergeben. Er überlebte ihn um zwölf Jahre und starb 1928 mit 69 Jahren. „Franz Joseph“, betonte Eugen Ketterl, „blieb auch vor seinem Kammerdiener in allen Lebenslagen stets ,der Kaiser’“, er hätte nie die Würde eines Kaisers abgelegt und sei dabei doch bescheiden und menschlich geblieben.georg.markus
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