Estibaliz C. als „tickende Zeitbombe“
Ab kommendem Montag muss sich die Eissalon-Besitzerin Estibaliz C. wegen Doppelmordes vor einem Wiener Schwurgericht (Vorsitz: Susanne Lehr) verantworten. Ihre Verteidiger wollen der 34-Jährigen, die im April 2008 ihren Ex-Mann Holger H. und im November 2010 ihren Lebensgefährten Manfred H. getötet, zerstückelt und die Leichenteile einbetoniert haben soll, eine drohende lebenslange Haft ersparen.
Wie Werner Tomanek, der neben Rudolf Mayer die Angeklagte in der Verhandlung vertreten wird, gegenüber der APA erklärte, erhofft sich Estibaliz C. von dem gegen sie geführten Strafverfahren Hilfe: "Sie weiß, dass sie eine tickende Zeitbombe ist." Nur deshalb habe die Frau der psychiatrischen Sachverständigen Adelheid Kastner Dinge erzählt, die bis dahin niemand wusste: Dass sie schon gegen ihren ersten Freund in Barcelona Mordgedanken hegte, weil sie von ihm genug hatte, und später, als sie in Berlin in einem Eissalon arbeitete, das Geschäft anzünden wollte, weil sie unter den schwierigen Arbeitsbedingungen litt.
Estibaliz C. dürfte sich daher nicht gegen die Unterbringung in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher sperren, die die Staatsanwaltschaft auf Basis des psychiatrischen Gutachtens zusätzlich zur Verurteilung wegen Mordes beantragt hat. "Sie will, dass diese Gedanken, von denen sie erstmals der Sachverständigen erzählt hat, weggehen und aus der Welt sind", deutete Tomanek die Bereitschaft seiner Mandantin an, sich einer Therapie zu unterziehen.
Was im Falle einer Verurteilung das Strafausmaß betrifft, hält der Verteidiger die 34-Jährige infolge ihrer psychischen Disposition für "herabgesetzt schuldfähig". Dieser Umstand könne "auf die Straffrage Einfluss haben", so Tomanek, der Estibaliz C. gemeinsam mit seinem Kollegen Mayer derzeit eingehend auf den Prozess vorbereitet. Auf Wunsch ihrer Anwälte muss sich die Angeklagte etwa zu den geladenen Zeugen - immerhin 47 Personen - Notizen machen, um sich klar zu werden, was diese aussagen könnten.
Auf die auf vier Tage anberaumte Verhandlung blickt die Frau laut ihrem Rechtsbeistand "angespannt" entgegen: "Sie befindet sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Seine Aufgabe in den kommenden Tagen sei es, "ihr diese Anspannung zu nehmen", so Tomanek.
Zum Prozessauftakt werden zahlreiche Kiebitze und Medienvertreter erwartet. Auch spanische Journalisten haben sich angesagt. Um ein geordnetes verfahren gewährleisten zu können, hat das Wiener Straflandesgericht beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Saalschutz angeordnet.
Am Montag beginnt im Wiener Landesgericht wohl der Prozess des Jahres: Die heute 34-jährige Spanierin Estibaliz C. ist angeklagt, in den Jahren 2008 und 2010 ihren Mann bzw. ihren Lebensgefährten aus nächster Nähe mit einer Pistole erschossen, die Leichen zerstückelt, einbetoniert und in einem Kellerabteil unter ihrem Eissalon in Wien-Meidling versteckt zu haben. Der Fall flog im Juni des Vorjahres auf, die Angeklagte wurde nach ihrer Flucht in Italien verhaftet. Nachfolgend eine Chronologie der wichtigsten Eckdaten des spektakulären Kriminalfalles:
27. April 2008: Estibaliz C. tötet laut Anklage in ihrer Wohnung ihren geschiedenen Mann Holger H., während ihr dieser sitzend den Rücken zukehrt. Demnach feuert sie aus einer Pistole der Marke Beretta, Kaliber 22, aus nächster Nähe zweimal auf seinen Hinterkopf und einmal in seine Schläfe. Sie versucht laut Staatsanwaltschaft zunächst, die Leiche in ihrer Wohnung zu verbrennen, bricht dies wegen der starken Rauchentwicklung ab und kauft in den nächsten Tagen eine Kettensäge, zerteilt den Toten und friert ihn zunächst ein. Im Herbst 2008 betoniert sie die Leichenteile in einer Wanne ein und lagert diese in einem Kellerabteil unter ihrem Eissalon "Schleckeria" in der Oswaldgasse ein. Das Motiv dürfte darin gelegen sein, dass Holger H. nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen wollte.
21./22. November 2010: Nach einem gemeinsamen Abend kommen Estibaliz C. und ihr Lebensgefährte Manfred H. nach Hause. Laut Anklage wartet die Beschuldigte, bis ihr Freund schläft, kleidet nach den Erfahrungen des ersten Mordes die Wände und den Boden mit einer Plastikfolie aus und tötet den Mann mit vier Schüssen aus kurzer Distanz in seinen Hinterkopf. Mit einer zuvor besorgten Kettensäge zerteilt sie die Leiche und betoniert sie ebenfalls in Wannen im Keller unter dem Eissalon ein. Für Manfred H. soll seine wiederholte Untreue das Todesurteil gewesen sein.
26. November 2010: Wegen wiederholter Nachfragen seiner Verwandten meldet die Angeklagte Manfred H. als abgängig.
6. Juni 2011: In seinem Geschäftslokal, das sich ebenfalls im Haus des Eissalons "Schleckeria" befindet, baut ein Mieter um und muss im Keller neue Installationen vornehmen. Dazu bricht er das mit einem Vorhängeschloss gesicherte Kellerabteil mit der Nummer 6, das laut mehreren Hausbewohnern niemandem zugeordnet werden kann, auf und entdeckt eine Faustfeuerwaffe sowie die mit Beton gefüllten Mörtelwannen. Er verständigt die Polizei. Diese fördert in mehreren mit Beton gefüllten Maurertrögen, Blumentöpfen und drei Kühltruhen die Leichenteile, die von einer Sachverständigen als Holger H. und Manfred H. identifiziert werden.
7. Juni 2011: Die Angeklagte hört in ihrem Eissalon zufällig, wie der Entdecker der Leichen gegenüber einer ihrer Mitarbeiterinnen davon spricht, er hätte den "Manfred" gefunden. Sie flüchtet, lässt sich von einem Freund ihren Reisepass aus der Wohnung holen und ein Wertkartenhandy besorgen, hebt von ihrem Sparbuch 10.000 Euro ab und leert ihr Bankschließfach. Sie fährt mit einem Taxi zum Flughafen, bucht ein Ticket nach Paris, flüchtet aber wegen des späten Flugtermins aus Angst, festgenommen zu werden, wieder vom Airport nach Wien und steigt am Busbahnhof in ein weiteres Taxi. Die Ermittler haben tatsächlich am Gate schon auf sie gewartet. Der Lenker bringt sie nach Udine, wo er unter seinem Namen ein Hotelzimmer für sie mietet.
8. Juni 2011: Estibaliz C. verlässt das Hotel und kommt wieder den Ermittlern zuvor. Diese haben bereits mit dem Taxilenker gesprochen und die italienischen Kollegen ersucht, sie in dem Hotel festzunehmen. Am Bahnhof von Udine lernt sie einen Straßenkünstler kennen und bringt ihn dazu, sie bei ihm aufzunehmen. Ihm fällt ihr Interesse an dem Kellerleichen-Fall im Internet auf, außerdem äußert sie Selbstmordgedanken. Er verständigt schließlich die Polizei.
9. Juni 2011: Die Polizei identifiziert einen der Toten als den Lebensgefährten von Estibaliz C.
10. Juni 2011: Italienische Polizisten verhaften die Beschuldigte in Udine. Sie wird in ein Krankenhaus eingeliefert, weil sie im zweiten Monat schwanger ist. Vater ist ihr neuer Lebensgefährte.
24. Juni 2011: Die Verdächtige wird von den italienischen Behörden an die österreichische Justiz ausgeliefert. In Udine hat sie zuvor den italienischen Behörden die Taten im Prinzip gestanden, bei den Einvernahmen in Wien zeigt sie sich zunächst relativ verschwiegen.
11. Jänner 2012: Estibaliz C. wird in einem Wiener Krankenhaus Mutter eines gesunden Buben. Unmittelbar nach der Geburt wird das Baby seinem Vater übergeben. Letztlich wird das Kind nach Barcelona zu den Eltern der Angeklagten gebracht.
29. März 2012: Die Angeklagte heiratet den Kindesvater: In der Vernehmungszone der Justizanstalt Wien-Josefstadt geben Estibaliz C. und ihr Lebensgefährte, der 47-jährige Roland R., einander das Ja-Wort.
4. Juli 2012: Details des psychiatrischen Gutachtens zu der Angeklagten werden bekannt. Darin beschreibt die Gutachterin die Frau als "Prinzessin", die "sich erhofft, von einem Mann 'gerettet' zu werden". Sie habe sich ihren jeweiligen Partnern völlig untergeordnet, sei dabei aber nicht glücklich geworden. Da Estibaliz C. nicht imstande sei, von ihr nicht mehr erwünschte Beziehungen zu beenden, "bleiben im Wesentlichen nur mehr deviante Auswege", hält die Gerichtspsychiaterin fest. Selbstmord komme für Estibaliz C. nicht infrage, weshalb der Ausweg in der "Elimination desjenigen Hindernisses" bestünde, "das einer neuen und erhoffterweise vorteilhafteren Beziehung im Weg steht".
5. September 2012: Die Staatsanwaltschaft Wien erhebt Anklage gegen Estibaliz C. wegen Mordes an Holger H. und Manfred H. und beantragt die Einweisung der Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Der Prozessbeginn wird in weiterer Folge für den 19. November festgesetzt. Vier Tage später soll im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts das Urteil folgen.
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