Erste Präsidentin: "Strafrichter zu sein, ist schöne Arbeit, aber harter Job"

Caroline List wird am 1. Juni erste Präsidentin des Straflandesgerichts
Karrieresprung für eine vielfach Engagierte: Caroline List wechselt an die Spitze des Grazer Straflandesgerichts.

Caroline List, 53, ist zum zweiten Mal Pionierin: 1993 wurde sie erste Strafrichterin am Grazer Landesgericht, nun wird sie dessen erste Präsidentin. List hat zwei Töchter, arbeitete in der Opferschutzkommission für kirchliche Missbrauchsfälle und engagiert sich für Opfer sexueller Gewalt.

KURIER: Politikerinnen sagen zuweilen, sie müssten im Vergleich zu männlichen Kollegen 150 Prozent geben. Wie sehen Sie das?

Caroline List: Ich glaube, ich bin in den vergangenen Jahren weitgehend gleich behandelt worden wie Männer. Ich musste gleich gute Leistung erbringen, hatte gleich viele Akten, musste gleich viel Präsenz zeigen. Aber: Ich habe zwei Kinder aufgezogen, da musste ich viel organisieren. Und da habe ich schon gemerkt, dass den meisten männlichen Kollegen dieser Teil von ihren Frauen abgenommen worden ist.

Wie wollen Sie die Gerichtsleitung anlegen? Müssen Frauen anders agieren als Männer?

Das denke ich nicht. Aber ich glaube schon, dass das spezifisch Weibliche Kollegialität und Miteinander ausmacht. Ich möchte, dass wir uns auf kollegialer Ebene gut verstehen. Es ist ein schönes Haus, in dem harte Arbeit verrichtet wird.

Nach dem Amokfahrerprozess in Graz ist die Debatte um die Reform der Schwurgerichte wieder aufgeflammt. Einige Richter fordern, mit den Laien gemeinsam zu entscheiden.

Das haben wir ja bei den Schöffenverfahren. Aber ich habe mit keinem der beiden Systeme Probleme. Wenn sich der politische Wille in diese Richtung dreht, zu sagen, wir beraten gemeinsam, dann mache ich das gerne. Ich habe es bei Schöffenverfahren immer erfrischend gefunden, die Sicht von Menschen zu hören, die nicht aus unserer Juristenwelt kommen. Aber bei den Schöffenverfahren würde ich mir wieder zwei statt einem Berufsrichter wünschen.

Wie sehen Sie die Debatte um das Kopftuchverbot? Würden Sie einer Angeklagten Vollverschleierung erlauben?

In erster Linie geht es einmal um die Frage der Identifikation der Person. Wenn das sichergestellt ist und sich danach jemand entscheidet, sich dem Gericht in seiner Mimik nicht zu zeigen, muss ich das als Form des Schweigens akzeptieren. Aber der Angeklagten muss dann auch klar sein, dass das in der Beweiswürdigung eine Rolle spielt.

Ihre Töchter studieren Jus. Würden Sie ihnen zum Beruf der Richterin raten?

Sie können es ruhig machen, meine Große hat aber schon gesagt, sicher nicht. Aber man muss sagen: Strafrichter zu sein ist eine schöne Arbeit, aber ein wirklich harter Job. Man hat fast ausschließlich mit den negativen Erscheinungen des Lebens zu tun.

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