Schnelltest für Endometriose: Dem Schmerz auf der Spur
Eine von 10 Frauen. 190 Millionen Frauen weltweit leben mit der Diagnose: Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen überhaupt.
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Mädchen und Frauen leiden unter gutartigen Wucherungen aus Gebärmutterschleimhautgewebe, das überall im Körper auftreten kann. Die Konsequenzen: starke Schmerzen während der Periode und/oder beim Sex sowie Unfruchtbarkeit.
Die Symptome beginnen meist lange vor der endgültigen Diagnose.
Datenlücke bei Frauen
Der Weg dorthin dauert derzeit durchschnittlich sechs bis 12 Jahre und kann nur mit einer Operation, bei der Gewebe entnommen wird, final festgestellt werden. Warum diese lange Zeitspanne? Weil die Beschwerden von Frauen oft nicht ernstgenommen werden, weil es bis vor Kurzem wenige Studien und somit wenig Material für Forschungszwecke gab. Dieses Phänomen nennt sich Gender Data Gap, eine Lücke bei der Datenerhebung, sprich es werden – je nach Thema – keine oder weniger Daten von Frauen erhoben. Das wirkt sich auf die Forschung und auf alle Lebensbereiche aus.
Inhalt
Von Männern für Männer: Wie viele und welche Bereiche des Lebens das betrifft, wird hier akribisch aufgezeigt – viel Datenmaterial, und doch verständlich formuliert
Infos
„Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“, Caroline Criado-Perez, btb-Verlag, 496 Seiten, 19 €
Den viel zu langen Leidensweg von Endometriose-Betroffenen wollen vier junge Wissenschafterinnen aus Oberösterreich gravierend verkürzen. Sie gründen gerade das Start-up Diamens und stehen kurz vor dem Start der klinischen Studien.
„Unser Test ist so konzipiert, dass ihn jede Frau zu Hause durchführen kann“, erklärt Marlene Rezk-Füreder. Und das funktioniert so: Der Test wird in der Drogerie oder Apotheke zu kaufen sein. Während der Periode nehmen Frauen eine Probe des Menstruationsbluts und senden es in einer Spezialverpackung ins Labor. Nach wenigen Tagen soll das Ergebnis bekannt sein. Kostenpunkt für den Test: unter 50 Euro.
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit analysierte Rezk-Füreder Daten von Endometriose-Patientinnen weltweit und kam so auf die Idee für den Schnelltest. Am Zentrum für medizinische Forschung, das an die Linzer Kepleruni angestückelt ist, lernte sie die analytische Chemikerin Clara Ganhör, die Biophysikerin Angelika Lackner und die Biomedizinerin Eva Dovjak kennen. Die jungen Forscherinnen, alle vier sind Mitte oder Ende 20 Jahre alt, taten sich zusammen – aus dem Antrieb heraus, Frauen in der Forschung, in Studien, in der Medizin sichtbarer und somit effizienter behandelbar zu machen.
Großes, internationales Interesse
„Frauen sind nicht einfach kleinere Männer. Trotzdem sind an 80 Prozent der medizinischen Studien nur Männer beteiligt. Das ärgert uns“, sagt Angelika Lackner.
In zwei bis drei Jahren soll der Endometriose-Schnelltest auf dem Markt sein. Bis dahin geht es nicht nur um Formalitäten, sondern auch um Förderungen und Gelder von Investorinnen und Investoren. Darüber machen sich die Unternehmerinnen aber weniger Sorgen: „Das ist Interesse, vor allem international, ist extrem groß. Wir sind bereits in ernsthaften Gesprächen“, so Rezk-Füreder.
Einfach & leistbar
Die Reaktionen von Gynäkologinnen und Gynäkologen auf den geplanten Test sind durchwegs positiv. Peter Oppelt, Vorstand der Gynäkologie und Geburtshilfe am Kepler Uniklinikum in Linz, betreut das Projekt von Beginn an mit: „Uns war von Anfang an wichtig, dass der Test einfach durchführbar und leistbar ist, beides ist gelungen.“.
Zum Glück steige in der Gynäkologie das Bewusstsein für die Erkrankung, Heilung gäbe es aber bis dato keine: „Es ist ein neues Medikament auf dem Markt, das gut wirkt. Vielen Frauen hilft der Einsatz einer Hormonspirale. Aber derzeit bekämpfen wir nur die Symptome“, sagt der Mediziner.
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Den Test, den die vier jungen Wissenschafterinnen entwickeln, sieht er nicht als Konkurrenz, im Gegenteil: „Dadurch kann man vielen Frauen einen langen Leidensweg ersparen.“ Diesbezüglich sieht er aber auch seine eigene Zunft kritisch: „In der Ausbildung wird viel zu wenig Fokus darauf gelegt. Wer sich auskennt, diese Verwucherungen schon gesehen hat, kann anhand einer ausführlichen Anamnese eine 85-prozentige Diagnose stellen, ohne Operation.“
Einen Endometriose-Test gab es bereits, der musste aber wieder vom Markt genommen werden und kostete rund 800 Euro. Jener, den das Medizin-Start-up „Diamens“ entwickelt, ist somit bis dato weltweit ein Unikum.
Selbst erlebt: "Kam vor Schmerzen nicht aus dem Bett"
Mit der ersten Periode, damals war sie elf, ging es los: Jahrelang hatte Lilly P. aus Linz währenddessen so starke Schmerzen, „dass ich kaum aus dem Bett kam.“ Ohne Medikamente ging gar nichts. „Anfangs dachte ich, das ist halt so, wenn man die Regel hat.“ Erst bei Gesprächen mit Freundinnen wurde sie hellhörig: Nein, das ist nicht normal.
Bei Arztbesuchen thematisierte die 27-Jährige die Schmerzen und hörte: „Manchen Frauen geht es während der Periode halt schlechter als anderen.“ Erst als eine Zyste auf den Eileiter drückte und die Pädagogin operiert werden musste, war klar: Das sind Endometriose-Verwucherungen. Die Hormonspirale habe die Beschwerden gelindert, ist Lilly P. froh. Wenn es um Kinder geht, sagt sie: „Ich weiß, dass es schwierig sein könnte, schwanger zu werden. Aber ich habe von mehreren Seiten gehört, dass es prinzipiell möglich ist. Wissen werde ich es erst, wenn ich es versucht habe.“
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