Eine schwimmende Polizeiinspektion

Eine schwimmende Polizeiinspektion
Die Wiener Wasserpolizei hat alle Hände voll zu tun. Vor allem Lebensrettungen und Seenotbergungen stiegen an.

Eine 19-Jährige, die es auf der Alten Donau nicht aus eigener Kraft zurück ins Boot schafft, Hund Gidosch, der in der Donau von der Strömung erfasst wird und zu ertrinken droht oder ein in Not geratenes Schlauchboot im Donaukanal – die Wiener Wasserpolizei hatte diesen Sommer viel zu tun. Für die Nautiker gehören solche Rettungsaktionen zum Alltag. Zehn Menschen retteten sie alleine 2019 vor dem Ertrinken.

Corona-Urlaub

Für das aktuelle Jahr geht Chefinspektor Erich Kraus von einem Anstieg aus. Dieser könne mit Corona zu tun haben, da viele Wiener ihren Badeurlaub an die Donau verlegt hätten. Hinzu komme der Andrang am Donaukanal, da die Clubs geschlossen haben. Zuletzt erhöhte die Wasserpolizei dort ihre Streifendichte, da angeheiterte Feiernde immer wieder freiwillig oder unfreiwillig baden gingen.

Eine schwimmende Polizeiinspektion

Chefinspektor Kraus ist seit 1991 Wasserpolizist

Dass es in solchen Fällen um Minuten geht, zeigt ein Einsatz Ende Juli, als die Polizisten einen bewusstlos in der Donau treibenden Mann bergen und wiederbeleben konnten. „Erfolgreiche Reanimationen sind die prägendsten Momente“, erzählt Kraus, während er das 16-Meter-lange Polizeiboot „Wien“ bei einer Streifenfahrt auf 40 km/h beschleunigt.

Viele Lebensrettungen

„In unserem Bereich gibt es viele Lebensrettungen, die sonst eher Rettung und Feuerwehr vorbehalten sind. Das ist etwas Besonderes“, erklärt der Chefinspektor mit Blick in Richtung Bug, wo das Wasser links und rechts meterhoch in die Luft spritzt. Unruhige Bedingungen ist Kraus nach fast 30 Jahren im See- und Stromdienst gewöhnt. So manche Privatperson würde sich hingegen überschätzen. Nicht immer ginge das gut aus, meint Leutnant Andrea Anders.

Sie kam im Zuge der Offiziersausbildung zur Wasserpolizei, hat dort aber schon einiges gesehen: „Wir haben es immer wieder mit Suizidversuchen zu tun (33 waren es 2019, Anm.) und nach tagelangen Suchaktionen können wir manchmal nur mehr eine Wasserleiche bergen.“ Das Einsatzgebiet der Nautik-Experten ist aber nicht auf Rettungen und Bergungen begrenzt.

Bis zu 6.000 Tonnen Ladung

Ein wichtiger Teil ist der Umweltschutz, wobei vor allem kontrolliert wird, dass es nicht zur Wasserverschmutzung kommt. Schließlich dient die Donau zur Trinkwasserentnahme. Hinzu kommen Verkehrskontrollen auf dem Wasser, Grenzschutz und der Kampf gegen Schmuggel. Vor allem Letzteres ist schwierig, immerhin sind auf der Donau Frachtschiffe mit bis zu 6.000 Tonnen Ladung unterwegs .

Körperlich fit

Das breite Aufgabenfeld macht den Dienst am Wasser laut Kraus für Bewerber attraktiv. Aktuell sind 46 Polizisten rund um die Uhr im Einsatz. Sie müssen körperlich fit sein und technisches sowie nautisches Verständnis mitbringen. Neun Boote stehen ihnen zur Verfügung, um einen 70 Kilometer langen Donauabschnitt, Neue und Alte Donau sowie Donaukanal abzudecken – aufgrund des trüben Wassers und der teils geringen Tiefe anspruchsvolle Gewässer.

Das Hobby ist der Beruf

Entscheidungen müssen regelmäßig in Sekunden getroffen werden, wie etwa Anfang Juli, als Kraus trotz niedrigen Wasserstandes auf den in der Donau ertrinkenden Hund zusteuerte, Schäden in Kauf nahm und ihm so das Leben rettete. „Bei der ,Wien’ braucht man wegen ihrer Größe Fingerspitzengefühl. Man steuert quasi eine schwimmende Polizeiinspektion.“ Solche Herausforderungen machen für Kraus aber den Reiz aus: „Alle hier haben eine Affinität zum Wasser. Wir können Hobby und Beruf vereinen.“

Wichtig:

Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Wer für  weitere Hilfsangebote offen ist, kann die Telefonseelsorge  kontaktieren. Sie bietet schnelle, erste Hilfe an und vermittelt Ärztinnen, Beratungsstellen oder Kliniken. Sie ist in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142 erreichbar.

 

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