Dunkle Spuren: Der Wilderer von Annaberg

Man kennt Annaberg, im niederösterreichischen Bezirk Lilienfeld, weil es eine wichtige Wallfahrtsstation an dem Pilgerweg Via Sacra, der heiligen Straße nach Mariazell, ist. Man kennt Annaberg, weil es dort ein beliebtes Skigebiet gibt. Und man kennt Annaberg, weil es im Jahr 2013 für nationale und internationale Schlagzeilen gesorgt hat.
Wie viele Männer in dieser Region ist auch der Täter dieser Geschichte, Alois Huber, ein Jäger. Er hat allerdings nicht nur auf Tiere geschossen. Als „Wilderer von Annaberg“ ist er in die österreichische Kriminalgeschichte eingegangen.

Auch die Hündin hat er erschossen
Was ist geschehen?
Schon im Jahr 2008 sucht die örtliche Polizei nach einem seltsamen Wilderer. Immer sind es prächtige Kapitalhirsche: Der Wilderer schießt die Tiere, trennt ihnen den Kopf ab und nimmt diesen mit – den Körper lässt er liegen. Manchmal stellt er die Kadaver an Straßenrändern provokant zur Schau.
Im Jahr 2011 attackiert ein maskierter Angreifer einen Jäger in der Region mit einem Messer. Dieser kann sich aber wehren und der Angreifer flüchtet. Man geht davon aus, dass es sich auch hier um den berüchtigten Wilderer handelt. Die Ermittler holen die Spezialeinheit Cobra mit ins Team. Man setzt zunächst auf Wildkameras im Wald, um den Mann zu identifizieren. Und tatsächlich gelangt man auf diese Art zu den ersten Bildern des Wilderers von Annaberg. Er selbst ist darauf zwar nicht zu erkennen, allerdings weiß man nun, dass er einen dunkelgrünen Toyota Hilux fährt.
„Das Problem war aber, dass diesen Wagen sehr viele Jäger haben, weil er groß ist und viel aushält“, sagt KURIER-Redakteur Johannes Weichhart, der damals von Anfang an über den Fall berichtet hat.
Schließlich wird in den Abendstunden des 16. September 2013 eine Straßensperre von Cobra-Beamten eingerichtet. Alois Huber ist zeitgleich in seinem dunkelgrünen Hilux in Annaberg und Umgebung unterwegs. Die Polizei entdeckt und verfolgt ihn. Vor der Straßensperre hält Huber an, beschleunigt und rast schließlich hindurch. Er schiebt dabei einen Streifenwagen weg und fährt weiter. Bei einer Linkskurve kommt er von der Fahrbahn ab, das Auto schießt über eine Böschung, Huber springt aus dem Wagen und versteckt sich hinter einem Haus.
In dieser Nacht regnet es in Annaberg, es ist mittlerweile stockdunkel. Schlechte Bedingungen für die Beamten, die denken, der Mann würde nun flüchten. Das tut der 55-jährige Alois Huber, bekannter Fuhrunternehmer aus der Gegend, aber nicht. Stattdessen schießt er aus dem Hinterhalt auf die Polizisten. Er schießt nicht nur einmal, er hat sein Sturmgewehr auf Dauerfeuer gestellt. Später wird festgestellt werden, dass seine Waffe als Kriegsmaterial eingestuft ist. Woher er sie hat, wird nie geklärt werden.
Kaltblütig
Der Cobra-Beamte Roman Baumgartner wird als erster getroffen, er kämpft nun um sein Leben. Die Kollegen versuchen, dem Angeschossenen zu helfen. Doch er stirbt. Der Täter flüchtet zu dem Sägewerk, das gleich in der Nähe liegt, und versteckt sich erneut. Als kurz darauf ein Rettungswagen zur Hilfe kommt, schießt Alois Huber dem Sanitäter Johann Dorfwirth durch die Windschutzscheibe in den Kopf. Das Ausmaß seiner kriminellen Energie und Kaltblütigkeit wird spätestens jetzt allen klar. Die Ermittler sprechen „von einem völlig unberechenbaren Täter“.
Alois Huber lässt das Auto nun zurück und flüchtet weiter zu Fuß. An einer Straßenkreuzung steht ein Streifenwagen. Er erschießt beide Polizisten, die darin sitzen. Johann Ecker und Manfred Daurer. Alois Huber kapert den Wagen und fährt damit nach Großpriel, wo sein Anwesen liegt. Eine Stunde später kommt er dort an und verschanzt sich darin.
Allmählich wird der Einsatz immer größer. Spezialeinheiten aus ganz Österreich rücken an und finden sich auf Hubers Grundstück ein, während dieser aus dem Inneren des Hauses heraus schießt. Sogar das Bundesheer hilft mit. „Der Pionierpanzer sollte mit der Baggerschaufel die Hauswand einschlagen, damit die Schützenpanzer die Cobra-Beamten sicher ins Haus bringen können“, sagt Hauptmann Ulrich Kühnel vom Melker Pionierbataillon, der damals einen der Panzer gefahren hat.

Der Plan funktioniert. Die Polizisten sind sicher im Haus angekommen und suchen den Täter. Nach mehreren Stunden finden sie einen Geheimraum, eine Art Bunker, in den Huber sich zurückgezogen hat. Er hat versucht, dort alles in Brand zu setzen. Dann hat er die Waffe auf sich selbst gerichtet und geschossen. Der Wilderer von Annaberg ist nach einem über 24-stündigen Einsatz tot. In seinem Haus stellt man knapp 300 Langwaffen sicher und zahlreiche Jagdtrophäen, die er nicht legal geschossen hat. Schließlich schreibt man ihm 108 Straftaten zu: Diebstähle, Einbrüche, Vandalismus. Mit einem Gesamtschaden von zehn Millionen Euro.
Alois Huber hat kurz vor dem Suizid noch seinen besten Freund angerufen und sich verabschiedet. Bekannte beschreiben ihn danach als hilfsbereit und unauffällig. Seine Schwester sagt damals in einem Interview, sie hätte immer schon Angst gehabt, dass er irgendwann einmal etwas Schlimmes anrichten würde. Jedes der Opfer war verheiratet und hatte Kinder.
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