„Störung der Totenruhe“ ist der rechtliche Fachbegriff, wenn Grabschmuck gestohlen oder mutwillig zerstört wird. Bei der Polizei gemeldet wird das aber in den seltensten Fällen, wie die Wiener Exekutive dem KURIER bestätigt. Heuer gab es wienweit erst 16 Anzeigen deswegen. „Viele zeigen Diebstähle von Grabschmuck nicht an, weil die Gegenstände oft nicht von hohem Wert sind. Solche Delikte sollten aber auf jeden Fall angezeigt werden“, sagt Polizeisprecherin Barbara Gass.
Aktuell kam es auf dem Friedhof in Strebersdorf zu mehreren Diebstählen. Erbeutet wurden auch Gegenstände von höherem Wert, wie etwa eine Messingvase und Grablicht-Ständer. In den Bundesländern häuften sich solche Diebstähle in den vergangenen Wochen: Mitte September wurden auf dem Friedhof in Klagenfurt Kupferdächer abmontiert und gestohlen. 25 Laufmeter Kupfer erbeuteten die Diebe, der Schaden liegt im vierstelligen Euro-Bereich. Ein Monat später waren im steirischen Pinggau, Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, 13 Kreuze von
Gräbern abmontiert und gestohlen worden. Anfang Oktober wurden auf dem Friedhof Kleinmünchen in Linz 68 Urnen von Dieben beschädigt. Bei 43 davon wurden die Kupferdächer gestohlen.
Das ist nur ein Auszug der Vorfälle aus den vergangenen Monaten. Gefunden wurden die Täter bisher in keinem Fall. Die Kriminellen gehen nachts auf Diebestour, wenn sonst niemand auf dem Friedhof ist. Flächendeckende Videoüberwachung gibt es dort fast nie. Bei dem Diebstahl in Linz etwa mussten die Täter nicht einmal ihr eigenes Werkzeug mitbringen: Sie brachen einen Werkzeugschrank auf und montierten mit den Geräten die Kupferdächer ab. Laut den Ermittlern hängen die aktuellen Diebstähle trotz der örtlichen Trennung zusammen. „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine reisende Tätergruppe handelt“, sagt eine Sprecherin der oberösterreichischen Polizei, die weiter nach den Tätern fahndet.
Wie betroffen solche Diebstähle die Angehörigen der Verstorbenen machen, wird bei der Nachlese in sozialen Netzwerken klar. Auf Facebook gibt es Hunderte Einträge von Menschen, die Schmuck von den Gräbern ihrer Liebsten vermissen. Täglich kommen Neue hinzu. Vor allem der Verlust von persönlichen Andenken schmerzt. „Was muss in einem Menschen vorgehen, so etwas zu tun?“, fragt eine Userin.
In den meisten Fällen wollen die Täter das Metall weiterverkaufen. Für ein Kilo Kupfer bekommt man derzeit rund sechs Euro.
Ebenso oft liest man auch, dass der Grabschmuck plötzlich auf einem anderen Grab wieder auftaucht. Kavaliersdelikt ist das keines, auch wenn „nur“ Seidenblumen gestohlen werden. „Ganz grundsätzlich kann man jeden Diebstahl anzeigen, das Gesetz definiert keinen bestimmten Wert. Die Sache darf lediglich wirtschaftlich nicht ganz wertlos sein, muss also zumindest einen Tauschwert haben, da für einen Diebstahl nach dem Strafgesetzbuch die Bereicherung gefordert wird“, sagt Polizeisprecherin Gass.
Wer Schmuck von einer Beisetzungs-, Aufbahrungs- oder Totengedenkstätte entfernt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten rechnen. Beschädigt oder stiehlt man Teile eines Grabes oder einer Urne, liegt die Höchststrafe sogar bei sechs Monaten Haft.
100 Millionen Euro per Testament gespendet
Laut einer Studie der niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer war jeder vierte Österreicher schon einmal in Erbstreitigkeiten involviert. Vielleicht um den Angehörigen das zu ersparen, entschließen sich immer mehr Menschen dazu, mit ihrem Vermächtnis Gutes zu tun und so der Nachwelt in Erinnerung zu bleiben. „Rund 2.000 Österreicher jährlich entscheiden sich dazu, neben Verwandten und Freunden auch gemeinnützige Einrichtungen testamentarisch zu bedenken“, sagt Markus Aichelburg, Leiter von „Vergissmeinnicht“. Die Initiative will gemeinsam mit der Notariatskammer dem großen Informationsdefizit in Sachen Erben entgegenwirken. Nur 30 Prozent der über 40-Jährigen haben hierzulande ein Testament.
Vor allem kinderlose Personen entschließen sich immer öfter, ihr Erbe zu spenden. Starke Argumente sind der persönliche Bezug zu einer bestimmten gemeinnützigen Organisation und der Wunsch, dass das Vermögen nach dem Ableben nicht an den Staat gehen soll. Das passiert dann, wenn kein Testament vorliegt und es keine gesetzlichen Erben gibt. Im Jahr 2019 flossen dadurch 13 Millionen Euro in die Staatskasse.
Tendenziell werden moderate Vermögen zwischen 50.000 und 100.000 Euro vererbt. Laut Market-Studie können sich 16 Prozent der Bevölkerung über 40 eine Testamentsspende persönlich vorstellen. 25 Prozent wären dazu bereit, gemeinnützige Organisationen als Ersatzerben einzusetzen.
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