Die Rebellion mit der Wasserpfeife
Wien, 1984. Ein Grüppchen 14-Jähriger schleicht sich nach der Schule heimlich in den kleinen Park nebenan. Die erste Zigarette – wie grauslich. Aber wie cool. Der Marlboro-Mann auf der Plakatwand gegenüber lächelt lässig über ihren Ekel und ihr Hüsteln hinweg.
Wien, 2014. Der Marlboro-Mann ist tot. Lungenkrebs. Und wer mit 14 heute rebellisch, cool und hip sein will, der raucht nicht mehr – der dampft. E-Shishas heißen die Zigaretten des 21. Jahrhunderts, kleine, elektrische Wasserpfeifen in Form von Stiften. Kunterbunt, aromatisiert – und auch für 14-Jährige erlaubt. Denn weil E-Shishas grundsätzlich weder Nikotin noch Tabak enthalten, fallen sie weder unter das Jugendschutz- noch unter das Tabakgesetz.
Für jeden Geschmack
Und so funktionieren diese Shishas-to-go: Ein aromatisiertes Liquid, das in allen möglichen Geschmacksrichtungen (Erdbeere, Traube, Apfel oder auch Fruchtmix) angeboten wird, wird über ein batteriebetriebenes Heizmodul verdampft. Das Aerosol, das dabei entsteht, wird dann inhaliert – und es schmeckt dank der Aromen süß und fruchtig. Genau das, was Kinder und Jugendliche wollen.
Doch das Marketing richtet sich an eine noch deutlich jüngere Zielgruppe.
Zwar haben sich die österreichischen Trafikanten selbst dazu verpflichtet, an Unter-16-Jährige keine E-Shishas zu verkaufen.
Aber schwarze Schafe gibt es immer.
Und dann wäre da ja noch das Internet, in dem theoretisch schon Zehnjährige E-Shishas bestellen können.
Es verwundert also kaum, wenn der 14-jährige Andreas aus Niederösterreich sagt: "In meiner Schule rauchen viele E-Shishas. Sehr viele sogar." Auch er selbst dampfe "ab und zu einmal". Warum? "Na, weil’s gut schmeckt."
"Weil die Unterstufler cool sein wollen", unterstellen hingegen die 15-jährige Sarah und ihre Freunde. "Und E-Shishas bekommt man halt leichter als Zigaretten." Auch in ihrer Schule in Wien seien sie daher in aller Munde.
Mediziner warnen
Was auch immer der Beweggrund der Teenager sein mag – Mediziner warnen vor dem Konsum der kleinen, tragbaren Wasserpfeiferln und halten den Trend für sehr gefährlich. Denn Hauptinhaltsstoff der E-Shishas ist Propylenglykol, das zwar als Zusatzstoff für Nahrungsmittel und Kosmetikprodukte zugelassen ist und in dieser Verwendung als ungefährlich gilt. Werden Propylenglykol-Dämpfe allerdings (wiederholt) inhaliert, "kann das allergische Reaktionen in den Atemwegen hervorrufen", sagt Oberärztin Irmgard Homeier von der 2. Internen Lungenabteilung im Otto-Wagner-Spital. "Außerdem wissen wir nicht, ob diese E-Shishas wirklich kein Nikotin enthalten, oder was sonst noch drin ist" – denn die genaue Zusammensetzung geben die Hersteller auf dem Produkt nur selten an.
Es könnte also leicht sein, meint Homeier, "dass andere Stoffe enthalten sind, die süchtig machen".
Neben der unsicheren Informationslage macht der Lungenfachärztin aber auch Sorgen, dass der Konsum von E-Shishas nur der Anfang sein könnte: "Wir wollen verhindern, dass junge Leute zur Zigarette greifen. Wenn es jetzt aber ein verführendes Produkt gibt, das der Zigarette sehr ähnelt, dann kann das ein potenzieller Einstieg ins Rauchen sein – der nächste Schritt ist dann vielleicht die Shisha mit Nikotin, dann folgt die Zigarette", sagt Homeier. "Wir wissen, dass selbst Zwölfjährige schon E-Shishas rauchen. Es wird damit also schon sehr früh ein typisches Rauchverhalten gefördert. Und Rauchverhalten, egal, was im Stengel drinnen ist, ist ein entbehrliches Verhalten."
Politik reagiert
In Salzburg hat die Politik schon auf den bedenklichen Trend reagiert und das Jugendschutzgesetz dahingehend geändert, dass der Kauf und der Konsum jeglicher Wasserpfeifen für junge Leute unter 16 verboten ist. In der Steiermark wird ein solches Verbot im Rahmen der laufenden Evaluierung des neuen Jugendschutzgesetzes, das erst im Vorjahr in Kraft getreten ist, geprüft. Das Verbot könnte 2015 kommen.
Auch in Wien macht sich jetzt Jugendstadtrat Christian Oxonitsch für eine Gesetzesänderung stark: "Wir wissen nicht, wie schädlich das Rauchen von E-Shishas ist, es gibt ja noch keine Langzeitstudien. Ich würde daher ein Verbot des Verkaufs derartiger Utensilien an Unter-16-Jährige begrüßen." Die Experten des Wiener Jugendschutzbeirates sollen ein solches Verbot nun prüfen.
Schulen müssen übrigens nicht auf mögliche Gesetzesänderungen warten: Sie können das E-Shisha-Rauchen einfach durch eine Änderung der Hausordnung verbieten, heißt es aus dem Büro der Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl.
Kostspielig
Dann bliebe Andreas und seinen Freunden vielleicht auch wieder mehr Taschengeld übrig. Denn billig ist die ganze Qualmerei nicht: Je nach Modell kosten die (nicht wiederaufladbaren) E-Shishas zwischen 10 und 20 Euro. Nach spätestens 500 Zügen ist aller Dampf abgelassen – und die E-Shisha wandert in den Müll.
Shishas und E-Shishas Nicht nur die elektrisch betriebenen Shishas-to-go (E-Shishas) sind bei Jugendlichen sehr beliebt, auch die klassischen Shishas (Wasserpfeifen arabischen Ursprungs) sind der Renner – und Shisha-Bars entsprechend voll. In der traditionellen Variante wird meist Tabak mit (Frucht-)Aromen geraucht. Nach Angaben der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, inhalieren Wasserpfeifenraucher während einer Shisha-Sitzung etwa so viel Rauch wie durch hundert filterlose Zigaretten. Da der durch das Wasser gekühlte Qualm zudem nicht im Hals kratzt, inhaliert man ihn auch tiefer. Die Nikotinkonzentration im Blut ist daher deutlich höher als nach dem Konsum von Zigaretten – so viel zur Mär von der „gesunden Alternative“.
Gesetz Shisha-Tabak mit Nikotin unterliegt dem Jugendschutz, Shisha-Tabak ohne Nikotin jedoch nicht. E-Shishas sind ohne Tabak und Nikotin und daher auch für Unter-16-Jährige (noch) erlaubt.
Hie und da muss sich der Raucher von besorgt-wohlgesonnenen Menschen dies fragen lassen: Wie kann der gesunde Menschenverstand es zulassen, dass man die lebenswichtige Lunge in seinem Körper, die eine, die man hat, krankmachendem Rauch aussetzt, immer und immer wieder? – Stimmt eh.
Und dann ertappt sich der Raucher bei der selben Frage: Er sieht immer öfter, im Lokal, im Billard-Club, in der Straßenbahn, bunt aufleuchtende Glimmstängel. Sie dampfen ein bisschen, riechen nicht nach Zigarette und heißen E-Shishas. Die Glühstäbchen mit Batterie werden schon von 12-Jährigen geraucht. Sie enthalten neben fruchtigen Aromen und Propylenglykol noch eine Reihe munter in die Lunge dampfender Stoffe, die vielleicht süchtig machen, vielleicht ungesund sind, um die man jedenfalls nicht weiß. Weil sie der E-Shisha-Hersteller auf seinem Produkt nicht angeben muss. Wie, um alles in der Welt, kann man so etwas ... ?
Aber mit Vernunft hat es der Raucher so und so ohnehin nicht so. Sagt einer (ohne Batterien).
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