Urlaubsgrüße aus dem Wohnmobil

Julia, Pascal und Klara in ihrem Bus, der alles kann
Die große Freiheit auf vier Rädern: Zu Besuch bei Menschen, die am liebsten heute hier und morgen dort sind

„Camper sind ein eigenes Volk“, sagt Martin und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. Der 57-Jährige aus Brandenburg sitzt in kurzer Hose und Crocs auf einem Klappsessel vor seinem Wohnmobil am Campingplatz Wien-West. Es ist früh, viele schlafen noch. Nur das Rauschen der Autos auf der Hüttelbergstraße stört die absolute Ruhe.

Martin meint das mit dem „eigenen Volk“ durchaus positiv. Camper seien naturverbunden, hilfsbereit und würden Rücksicht aufeinander nehmen. Zumindest sei das früher einmal so gewesen.

Seit Corona gibt es viele Neuzugänge. Das belegen auch Zahlen der Statistik Austria. Wohnmobile verzeichneten 2020 unter allen Fahrzeugarten den höchsten Zuwachs an Neuzulassungen: ein Plus von 74 Prozent. Dieser Trend setzt sich heuer fort. Im Mai 2021 waren es erneut knapp 78 Prozent mehr als im Jahr davor.

Hannes Fikota, Bereichsleiter vom Campingplatz Wien-West, spricht von einem regelrechten Camping-Boom. „Viele wollen seit der Corona-Pandemie keine weiten Reisen mehr machen. Wohnmobile sind vielerorts ausverkauft, der Markt ist leer gefegt.“

Hier, am Rande des Wienerwaldes, komme man derzeit bei 170 Stellplätzen zwar nur auf eine Auslastung von etwa 30 Prozent. Es fehle noch das kulturelle Angebot der Stadt. Fikota: „Aber die Campingplätze an Seen sind schon voll.“ Und für den Sommer hat er schon viele Anfragen.

Urlaubsgrüße aus dem Wohnmobil

„Camper sind ein eigenes Volk“, sagt Martin aus Brandenburg

Warum man überhaupt Ferien auf vier Rädern machen soll, das können Pascal und Julia ziemlich genau beantworten. Am Dach ihres Camping-Cars kann man in der Sonne chillen und Cocktails genießen. Unten, wenn man will, sogar ein Huhn braten. Besser eignet sich aber Eintopf, weil: nur ein Topf. Der Herd ist klein. Außerdem schlafen, duschen und vor allem: durch ganz Europa tingeln – wann man will, wohin man will. Ein weißer Ford Transit bedeutet für die beiden die große Freiheit. Ihr Bus ist Transport, Unterkunft und Fernweh-Verhinderer in einem.

Im Juli 2020 hat sich das junge Paar den großen Kastenwagen angeschafft und liebevoll ausgebaut, um bei jeder Jahreszeit spontan in ein neues Abenteuer starten zu können. Und das ziemlich bequem. On the Road mit 160-Zentimeter Doppelbett, warmer Dusche und Standheizung. Getestet bereits bei minus acht Grad am Hochschwab. „Ich bin ständig am Handwerken“, sagt Pascal, der von Holzarbeiten bis Elektrik alles selbst gemacht hat. Wieso er das kann? „Ich war in der HTL.“ Hier hat also tatsächlich einer in der Schule für das Leben gelernt.

Der Bus wird ohne Gas betrieben, gekocht wird mit Induktion, Warmwasser gibt’s auch elektrisch. Am Dach liegen vier Solarpaneele. Im Sommer ist man, wenn man nicht ununterbrochen duscht und kocht, autark. Insbesondere in der Corona-Zeit ist es das, was viele wollen.

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