Zwar gab es 2022 laut Kriminalstatistik weniger Wohnraumeinbrüche als noch 2019 (siehe Grafik). Allerdings beobachtet die Polizei eine Häufung der Dämmerungseinbrüche zum Jahresende: „Wir hatten bis Februar 2022 Corona-Einschränkungen. Richtig losgegangen ist es erst im November letztes Jahr. Wenn man sich nur den Beginn der Dämmerungssaison, also November und Dezember 2019, anschaut und den Zeitraum mit 2022 vergleicht, sehen wir im abgelaufenen Jahr sogar einen Anstieg“, erklärt Seidl die Abweichung von der aktuellen Kriminalstatistik.
Es könnte sich um einen Nachholeffekt handeln, denn laut dem Kriminalisten reagieren die Einbrecherbanden auf steigende Lebenskosten. Die wiedergewonnene Reisefreiheit erleichtere das – speziell für die Profis.
Die Polizei konnte in der Pandemie einiges über die Kriminellen lernen: So sind Kellereinbrüche während Corona in gewohnter Manier weitergegangen bzw. gestiegen, als der Handel zusperren musste und Ladendiebstähle nicht möglich waren. „Wir schließen daraus, dass die Täter im Land leben und aus Not handeln“, sagt Seidl.
Anders sei das bei den Profis, speziell jenen, die sich auf die Dämmerung konzentrieren. „Diese Delikte haben quasi nicht stattgefunden, als die Grenzen geschlossen waren. Jetzt steigen sie massiv. Die Täter sind Reisende.“
Dass diese Tätergruppe zurück ist, musste die 39-jährige Beate H. unlängst erfahren. Sie war auf Skiurlaub, als Einbrecher ein Fenster ihrer Erdgeschoßwohnung in Wien-Währing einschlugen.
Sie entkamen mit etwas Bargeld sowie Schmuck, der eher sentimentalen Wert hatte. Die größere Herausforderung sei es gewesen, sich vor ihren Kindern keine Verunsicherung anmerken zu lassen: „Wir haben ihnen erzählt, was passiert ist. Mein kleiner Sohn fühlt sich seitdem manchmal unwohl vor dem Schlafengehen. Er will nicht, dass es abends dunkel wird.“
Für Kriminalist Seidl ein typischer Fall. Ihm zufolge sind die Täter in erster Linie auf Geld und Schmuck aus. Technik sei problematisch, da viele Gegenstände mittlerweile ortbar sind. Auch das Unwohlsein nach dem Einbruch überrascht den erfahrenen Ermittler nicht: „Es geht meistens nicht so sehr um die finanziellen Verluste, sondern um das Gefühl, dass jemand in die Privatsphäre eingedrungen ist, in das eigene Reich sozusagen. Das macht was mit den Menschen. Wir hatten Opfer, die sind danach umgezogen.“
Seidl, der diese latente Angst nachvollziehen kann, gibt Entwarnung. Einbrecher seien so gut wie nie bewaffnet. „Die wollen rein, Beute mitnehmen und unentdeckt wieder raus.“ Danach geht es häufig weiter ins nächste Land. Jahrelange Erfahrungswerte der Kriminalisten zeigen, dass viele Banden aus dem Osten sich Routen zurechtlegen. Österreich ist dabei nicht selten das erste Ziel.
Derzeit sind es vor allem georgische Banden, die Ermittler auf Trab halten. Georgier brauchen seit 2017 kein Visum mehr für den Schengenraum. Das rufe Kriminelle auf den Plan, die – unabhängig von ihrem Herkunftsland – immer einfallsreicher werden. Allein im Großraum Wien gab es zuletzt zwei spektakuläre Serien. Eine Tätergruppe verätzte Schlösser, die andere kletterte auf Balkone.
Seidl betont aber, dass die Polizei gut dagegenhält. Das zeige auch der über die Jahre starke Rückgang bei den Einbrüchen. „Wir versorgen die Kollegen laufend mit aktuellen Lagebildern. Jeder Polizist weiß, wo was wann war.“ Außerdem gebe es keinen Tatort mehr ohne Spurensicherung. Und: „Irgendwelche Spuren hinterlässt sogar der beste Einbrecher.“
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