Die Bar-aufs-Handerl-Mentalität
Keine vier Jahre ist Jörg Haider tot, und sein System der schwarzen Kassen bricht allerorten auf. Mit demselben Habitus des Landesfürsten, mit dem er Kinder- und Seniorengeld bar aufs Handerl verteilte, hat er Geld für seine Partei und sein finanziell aufwendiges Polit-Leben lukriert – freihändig und nach Belieben.
Allein 360.000 Euro im Jahr sollen Haiders Spesen ausgemacht haben, also ein Tausender am Tag. Dazu kamen Brot und Spiele für die Kärntner und allerlei größenwahnsinnige Projekte: Fußballstadion, Seebühne, FC Kärnten, Fluglinie oder Formel-1-Engagement mit Kärntner Piloten. Geld sollte dabei, im finanzmaroden Kärnten, keine Rolle spielen. Das kam wie selbstverständlich von der landeseigenen Hypo – ohne große Formalitäten. Das Wort des Landeshauptmanns hatte Gewicht, mehr als jedwede Sorgfaltspflicht: "Vertrau mir, verlass dich auf mich" (siehe Wirtschaft von innen).
Das System Haider. Es lebt in seinen Weggefährten, die unvermittelt zu politischen Nachfahren wurden, fort.
Millionen im Plastiksackerl
Die "Bar-aufs-Handerl"-Mentalität hat Haider früh verinnerlicht. 1996 verlässt er die Villa des Industriellen Herbert Turnauer (gest. 2000) mit einem Plastiksackerl, darin fünf Millionen Schilling in zehn Packerln – daran erinnert sich Jahre später sein Chauffeur, der die Parteispende über Nacht verwahren durfte.
Mit der FP-Regierungsbeteiligung im Februar 2000 schrumpft sich Haider zum "einfachen Parteimitglied" und kompensiert sein Provinz-Dasein mit Reisen zu Diktatoren wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi. Das verschafft ihm internationale Aufmerksamkeit und – noch nicht letztgültig bewiesen – Geldflüsse in Millionenhöhe.
2008 kommt es zur bekanntesten und wohl auch unverschämtesten Geldbeschaffungsaktion. Der Villacher Steuerberater Dietrich Birnbacher soll für ein achtseitiges Gutachten zum Hypo-Verkauf sagenhafte zwölf Millionen von der Kärntner Landesholding bekommen. Als dies bekannt wird, erfinden Haider und sein damaliger Adlatus Stefan Petzner den "Patriotenrabatt": "nur" sechs Millionen werden ausgeschüttet. Es hagelt Anzeigen, doch nichts passiert. Im Jänner 2009 – Haider ist inzwischen verunfallt – wird das Verfahren eingestellt. Erst zwei Jahre später ordnet die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Fortführung der Ermittlungen an. Es kommt zum Prozess, einem umfassenden Geständnis Birnbachers und zum Rücktritt von Josef Martinz , dem Kärntner VP-Chef, der das Haider’sche System der illegalen Parteienfinanzierung wie selbstverständlich übernommen hatte (wie er im Juli 2012 gestand). Das Untreue-Verfahren gegen Martinz, Birnbacher und die beiden Kärntner Landesholding-Vorstände Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander wurde vergangenen Freitag vertagt.
Birnbacher belastet auch Finanz-Landesrat Harald Dobernig und FPK-Obmann Uwe Scheuch schwer: Sie hätten ihren Anteil aus dem Honorar für die Partei eingefordert. Dobernig saß im Aufsichtsrat der Landesholding, gegen ihn wird ermittelt. Am 1. August tritt Uwe Scheuch zurück – um seinen Bruder Kurt nachrücken zu lassen.
Part of the game
Einen Monat zuvor war Uwe Scheuch in zweiter Instanz (nicht rechtskräftig) wegen Geschenkannahme durch Amtsträger schuldig gesprochen worden: In einem pikanten Tonbandmitschnitt aus dem Jahr 2009 fordert Scheuch von einem russischen Investor "fünf bis zehn Prozent" für die Partei als "Part of the game" im Austausch für eine Staatsbürgerschaft. Der Fall zeigt exemplarisch, wie selbstverständlich Haiders politische Nachfahren sein System der schwarzen Kassen fortgeführt haben. 2006 hat Haider nach selbem Muster Staatsbürgerschaften an zwei Russen verkauft.
Wie der KURIER vergangenen Sonntag aufgedeckt hat, kam es auch beim Verkauf des Wörthersee-Schlosses Reifnitz im Jahr 2008 zu Zahlungen an die Partei, die über die Werbeagentur "Connect" abgewickelt wurden. Parteikassier war damals der jetzige Landeshauptmann Gerhard Dörfler , der aber von nichts wissen will. Bis vor einem Jahr kannte er nicht einmal die "Connect", rechtfertigt er sich.
Die Justiz ermittelt trotzdem gegen den Landeshauptmann sowie Scheuch, Petzner und Dobernig, und zwar im Zusammenhang mit einer Wahlkampfbroschüre aus dem Jahr 2009, die auf Landeskosten (mehr als 500.000 Euro) produziert und an alle Kärntner Haushalte verschickt wurde. Das Design ähnelte BZÖ-Wahlplakaten dermaßen, dass fraglich ist, warum die öffentliche Hand, also der Steuerzahler, dafür aufkommen soll.
Für alle Beteiligten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
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