Das Konzept des Sprachbads ist also überholt. Karin Steiner, Leiterin der EU-Programme für sprachliche Bildung bei den Kinderfreunden, betont: „Wir müssen neue Ansätze entwickeln – gemeinsam mit der Wissenschaft und direkt vor Ort in Kindergärten und Schulen.“
Frühe Förderung ist der Schlüssel
Die Expertin sieht den Schlüssel zur Lösung in der frühen Förderung. „Kinder mit Sprachdefiziten sollten so früh wie möglich in den Kindergarten kommen – idealerweise ab einem Alter von drei Jahren.“
Immerhin ist der Spracherwerb seit Kurzem ein verpflichtender Teil der pädagogischen Ausbildung. Die Weiterbildung bleibt aber schwierig: „Der Personalmangel führt dazu, dass dafür schlicht keine Zeit bleibt.“
Profis schulen in die Gruppen
Bei den Kinderfreunden wird deshalb ein praxisnaher Ansatz verfolgt: Pädagoginnen werden direkt in den Gruppen geschult. Ein Beispiel: Um die Artikel im Deutschen zu vermitteln, können Gegenstände mit farbigen Markierungen versehen werden – etwa ein blauer Sticker für „der Bub“ oder ein roter für „das Schiff“. Auch die Sprache der Pädagoginnen spielt eine Rolle: Statt knapper Anweisungen wie „Setz dich“ sollten sie längere, komplexere Sätze verwenden, etwa „Könntest du dich bitte auf deinen Sessel setzen?“.
Sprachförderung bedeutet nicht nur Grammatik und Vokabeln zu vermitteln, sondern auch den Aufbau von Weltwissen. „Ein Kind, das noch nie im Wald war, hat kein Bild davon im Kopf. Wenn es später über Bäume oder Äste liest, versteht es den Text nicht“, erklärt Steiner. Konkrete Erfahrungen sind daher entscheidend.
Besonders geeignet für die Sprachförderung seien Pädagoginnen, die selbst eine andere Erstsprache als Deutsch haben. Sie können besser auf die Herausforderungen des Deutschlernens eingehen und schneller eine Beziehung zu den Kindern aufbauen – ein essenzieller Faktor für erfolgreiches Lernen.
Derzeit sind die Gruppen zu groß
Steiner weist darauf hin, dass Sprachförderung nur in Kleingruppen funktionieren kann. „Aktuell betreut eine Pädagogin oft 25 Kinder – so ist das nicht machbar.“ Zusätzlich müsse die Förderung über viele Jahre hinweg fortgesetzt werden: „Es dauert sechs bis acht Jahre, bis Kinder die Zweitsprache wirklich beherrschen.“ Für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche brauche es außerdem gezielte, zusätzliche Unterstützung.
Man dürfe die Kindergärten und Schulen mit der Aufgabe nicht alleine lassen. Steiner verweist auf Versäumnisse in anderen Bereichen. Wenn sich Menschen mit ähnlichem Hintergrund in bestimmten Stadtteilen konzentrieren, wird Integration und somit der Spracherwerb erschwert. Auch in der Migrationspolitik wurden wohl Fehler gemacht: Bildungsferne Milieus unter den Migrantinnen und Migranten wurden nicht gezielt genug gefördert.
Bildungsferne der Eltern als Hemmschuh
Dazu kommt: Viele Mütter und Väter sind sich der Bedeutung von Bildung nicht bewusst oder können ihre Kinder nicht ausreichend unterstützen, weil sie selbst nur wenig gebildet sind. „Unser Schulsystem setzt aber voraus, dass Eltern, vor allem Mütter, aktiv beim Lernen helfen. Doch genau hier liegt oft das Problem, das durch eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule reduziert werden könnte“, erklärt Karin Steiner.
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