Der Hund im Wandel der Zeit: Vom Beschützer zum Familienmitglied

Der Hund im Wandel der Zeit: Vom Beschützer zum Familienmitglied
Imagewandel: Der Hund gilt noch immer als bester Freund des Menschen. Doch sein Status hat sich verändert.

Herr Brodmann – so ruft Lifeball-Organisator Gerry Keszler seinen kleinen Hund. Der sieht zwar harmlos aus. Aber glaubt man Society-Insidern, hat der hellbraune Pinscher ganz schön Biss. Mehr als einem Promi habe Herr Brodmann bereits seinen Beschützerinstinkt bewiesen.

Weit dramatischere Bissvorfälle erregten zuletzt Aufsehen und führten in Wien sogar zu Verschärfungen im Tierhaltegesetz (siehe Artikel unten). Doch sind diese alleine am Imagewandel des Hundes schuld?

Die Aufgaben der Hunde haben sich jedenfalls im Lauf der Zeit verändert: Früher wurden sie wegen ihres Beschützerinstinkts gehalten. Heute sollen sie – überspitzt formuliert – nicht mehr bellen, keinesfalls beißen und nirgends mehr markieren.

„Fast niemand weiß, dass Menschen Chihuahuas (kleinste Hunderasse, Anm.) züchteten, um Ratten zu jagen“, erzählt Alexandra Wischall-Wagner, Psychologin und Präsidentin des Vereins für österreichische Hundetrainer. Insgesamt 350 Hunderassen wurden gezüchtet und jede von ihnen sollte eine bestimmte Aufgabe erfüllen. So etwa Schlittenhunde. Geschaffen, um weite Strecken laufen zu können.

Einst sollten die Hunde aber vor allem Vieh hüten, Eigentum verteidigen und Nahrung jagen. Durch den zunehmenden Wohlstand hat sich das verändert. Menschen konnten es sich auf einmal leisten, Hunde als Statussymbole zu halten. Sie wurden zu Familienmitgliedern. So zeigt sich etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen gerne mit Hund in der Öffentlichkeit – seit Kurzem mit seiner neuen Hündin Juli.

Wissensdefizite

Als Wegbegleiter gilt der Hund als „bester Freund des Menschen“. Vergessen wird dabei jedoch oft eines: Die ursprüngliche Aufgabe der Rasse geht dadurch nicht verloren. Auch Schoßhündchen hätten gerne Arbeit.

Durch das fehlende Wissen komme es zu Problemen bei der Haltung. „Zum Teil halten Leute Hunderassen, die ganz andere Bedürfnisse haben als die Besitzer“, erklärt der Tiroler Hundetrainer Florian Schneider.

Beobachtet man die Debatten der vergangenen Jahre in Wien – vom Gackerl-Sackerl, über Maulkorb- und Leinenpflicht für Listenhunde, bis zur Diskussion um Hunde-Urin in Parkanlagen – scheint es, als müsse der Hund um seinen Status fürchten. Mitschuld daran haben auch Bissattacken.

Ein wesentliches Manko sind also Wissensdefizite – bei Hundehaltern, bei Skeptikern und auch bei Personen, die das Verhalten der Tiere missinterpretieren.

„Vor allem Kinder haben oft keine Ahnung von der Sprache der Tiere“, meint Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins. Gerate der Hund in Panik, sei meist ein Missverständnis zwischen Mensch und Tier die Ursache. Die Lösung könnten nur entsprechende Ausbildungsprogramme sein.

Petra Hochstrasser

Statistik: 3.600 Bissverletzungen pro Jahr

Immer wieder schaffen es Hundebisse in die Schlagzeilen – vor allem, wenn Kinder betroffen sind. Erst dieser Tage wurde ein Fünfjähriger in Tirol von einem Pitbull ins Gesicht gebissen – der KURIER berichtete. Statistiken gibt es dennoch kaum.

Die aktuellsten Daten stammen vom Kuratorium für Verkehrssicherheit und betreffen 2017.  Demnach wurden in diesem Jahr  rund 3.600 Personen nach einem Hundebiss im Spital behandelt. Knapp 17 Prozent der Verletzten waren unter 14 Jahre alt. Die Hälfte der Opfer war zwischen 25 und 64.

Wien legte für 2015 bis 2018 eine eigene Statistik vor: 412 Bissvorfälle wurden in dem Zeitraum  gezählt. Davon 64 durch Listen- und 13 durch Schäferhunde.

Gesetz: Tierschützer steigen gegen Rasselisten auf die Barrikaden

In Österreich ist Tierschutz zwar Sache des Bundes, die Tierhaltung liegt aber in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer. Dementsprechend heterogen sind die gesetzlichen Regelungen.

In Wien wurde das Tierhaltegesetz erst im Februar novelliert, nachdem der Rottweiler einer alkoholisierten Halterin im Vorjahr ein Kleinkind getötet hatte.


Dass die rot-grüne Stadtregierung dabei insbesondere sogenannte Listenhunde – also Rassen wie Rottweiler, Dogo Argentino oder Pitbull, die als besonders problematisch eingestuft werden – in den Fokus nimmt, ist umstritten. Neben Tierschutzorganisationen wie den „Vier Pfoten“ oder dem Wiener Tierschutzverein (WTV) stieg vor allem die FPÖ dagegen auf die Barrikaden. Das Problem sei der Halter und nicht der Hund, lautet das Hauptargument der Kritiker.


Nichtsdestotrotz gilt in Wien seit Kurzem eine generelle Maulkorb- und Leinenpflicht für Listenhunde im öffentlichen Raum. In umzäunten Hundezonen dürfen sie sich ohne Maulkorb bewegen, in Hundeauslaufzonen mit Maulkorb, aber ohne Leine. Für Halter von Listenhunden gilt eine 0,5-Promille-Grenze, wenn sie den Hund auf der Straße führen.  
Neu ist auch, dass ab 1. Juli Halter aller Hunderassen für die Neuanschaffung einen Sachkundenachweis brauchen.

Bernhard Ichner

 

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