Der Hass im Netz wuchs: „Das ist sehr bedrohlich“
Die Stolpersteine zum Gedenken an Naziopfer „verschandeln Gehsteige“. Emojis mit stramm erhobenem rechten Arm. Oder noch direkter: „Für das Drecksgesindel müssen die Öfen wieder aufgebaut werden.“ 299 antisemitische Kommentare in sozialen Medien wurden 2018 nach der Meldung über die App „BanHate“ rechtlich verfolgt. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von 60 Prozent.
„Davon waren wir selbst überrascht“, gesteht Daniela Grabovac. Sie leitet die Antidiskriminierungsstelle Steiermark, die vor zwei Jahren die europaweit erste App zur raschen und anonymen Meldung von Hasspostings entwickelte. 1.960 Postings wurden insgesamt im zweiten Jahr der App „BanHate“ gemeldet, ein Zuwachs von rund fünf Prozent. 1.005 von ihnen waren strafrechtlich relevant und wurden an die Justiz weitergeleitet.
Darunter eben auch jene 299, die explizit antisemitisch waren oder den Holocaust leugneten. 2017 war diese Anzahl wesentlich geringer, da lag sie bei 185.
Anzahl explodiert
Thomas Mühlbacher, Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, schildert aus seiner langjährigen Praxis ebenfalls, dass „die Anzahl dieser Delikte explodiert ist“. Waren es jedoch bis in die 2000er-Jahre hinein eher Jugendliche, die betrunken Hakenkreuze an Wände schmierten, seien die Täter nun Erwachsene aus gesättigten Milieus, wie es Mühlbacher formuliert. „Sie verwenden subtile Begriffe, Codes, sind juristisch schwerer fassbar. Das Problem bewegt sich in die Mitte der Gesellschaft und ist für mich sehr bedrohlich.“
Die Meldungen über Hasspostings kamen hauptsächlich aus Österreich und wurden auf Facebook verbreitet (87,8 Prozent). An zweiter Stelle lagen mit 5,8 Prozent die Foren von Online-Medien. Eine Erklärung für den deutlichen Überhang Facebooks hat Daniela Grabovac nicht. „Das kann zweierlei heißen: Unsere Melder sind vor allem auf Facebook aktiv oder Facebook hat da wirklich ein Problem.“
Extremismus offline
2.297 Menschen haben die App bisher heruntergeladen. Zusätzlich zu dem Online-Werkzeug hat die Antidiskriminierungsstelle nun ein Buch herausgebracht: „Extremismus online und offline“ soll einen Überblick zu Gesetzen gegen Hass im Netz sowie Praxistipps zur Bekämpfung bieten.
Als die App „BanHate“ 2017 vorgestellt wurde, kalkulierte Grabovac mit 500 Meldungen pro Jahr. Es wurden fast vier Mal so viele, zwei Mitarbeiterinnen sind allein mit Sichten und Nachverfolgen beschäftigt. Das ist zeitaufwendig, doch gerade Zeit ist ein wichtiger Faktor. Postings fallen unter das Medienrecht, die Verjährungsfristen sind knapp, betont Staatsanwalt Mühlbacher: Sie beginnen bereits ein Jahr ab der Veröffentlichung zu laufen.
Kommentare