Alltag in der Risikozone: Innsbruck, eine Stadt erwacht

Alltag in der Risikozone: Innsbruck, eine Stadt erwacht
Die Innsbrucker zog es am ersten Tag in Freiheit ins Freie. Über die Rückkehr der Glücksgefühle.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie durch ich dreh!“

Als die Tochter im Fernsehen mitbekommt, dass in Tirol nun endlich die Ausgangssperre aufgehoben wird, gehen mit der Siebenjährigen die Pferde durch. Aber wer kann es ihr schon verdenken: Nach drei Wochen in Quarantäne, die sich für jeden von uns wie eine Ewigkeit angefühlt haben, sorgt allein schon die Aussicht auf Abwechslung für Ekstase.

Das Daheimbleiben dürfte für die meisten Menschen in den letzten Wochen wohl die härteste Einschränkung gewesen sein. Dass nun die Arbeit im Homeoffice auf dem Wohnzimmertisch gemacht werden muss? Alles halb so schlimm, wenn das Internet funktioniert.

Dass man die Verwandten und Freunde tagelang nur mehr zu hören bekommt? In Zeiten von Videotelefonie kein Drama.

Dass Mama und Papa plötzlich der Tochter im Heimunterricht Rechnen und Lesen beibringen müssen? Soll nichts Schlimmeres passieren.

Mit all diesen Beschränkungen hatte man sich in den letzten Wochen abgefunden, arrangiert, ja teilweise sogar angefreundet.

Aber diese Ausgangssperre, dieses Verbot, die Stadtgrenzen zu überschreiten, die abgeriegelten Geh- und Radwege entlang des Inns und der Sill, kurz: die fehlende Bewegungsfreiheit: Genau das war die größte Herausforderung, das Beklemmende der vergangenen Wochen. Nämlich gar nicht einmal so sehr für den Körper, vielmehr für den Geist.

Zu wissen, man ist eingesperrt, man darf nicht das machen, was man eigentlich will, drückt zwangsläufig aufs Gemüt.

Umgekehrt sorgt die Gewissheit, endlich wieder die eigenen vier Wände verlassen zu dürfen, für ungeahnte Glücksgefühle. Wer gesehen und erlebt hat, was am Dienstag in Innsbruck los war, der kann ungefähr erahnen, wie sehr dieser Moment von allen herbeigesehnt wurde.

Die Aufhebung der strengen Maßnahmen hat die Stadt schlagartig zum Leben erweckt. Am Dienstag war plötzlich gefühlt halb Innsbruck auf den Beinen bzw. den Rädern. Die Innsbrucker drängten ins Freie, sie zog es raus in die Wiesen und Wälder. So als hätte ihnen die Quarantäne die Luft zum Atmen geraubt. Als wollte jeder nachsehen, ob die Stadt nach drei Wochen Isolation wohl doch noch immer die gleiche ist.

Ein blauer Himmel, Sonnenschein und 25 Grad sorgten für die perfekte Kulisse. Aber wahrscheinlich hätte es die Leute auch bei Sturm und Regen in Massen nach draußen gezogen.

„So kenne ich Innsbruck“, sagte die Tochter während der Radtour entlang des Inns.

Die Innsbrucker verhielten sich an diesem Dienstag übrigens vorbildlich. Viele trugen Masken, praktisch alle hielten den Sicherheitsabstand ein und nahmen sichtlich aufeinander Rücksicht.

Die größte Gefahr ging am ersten Tag in Freiheit in Innsbruck jedenfalls nicht vom Coronavirus aus. Tatsächlich müssen viele wohl eher fürchten, dass sie bei ihren Ausflügen einen ordentlichen Sonnenbrand erwischt haben.

Kommentare