"Aber in der Rückschau sehen wir: Not ist immer da, sie ändert nur ihre Form, ihr Gesicht, ihre Schärfe", begründet Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler die Rückkehr der Einrichtung. Sie wurde in Anlehnung an den historischen Vorgänger auch diesmal Mission genannt, wenigstens für die 100 Tage des vorerst gesicherten Bestehens.
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Mit der Stadt Graz laufen bereits Gespräche, damit das Hilfsangebot dauerhaft bestehen kann, dann aber unter dem moderneren Namen Tageszentrum, etwa für obdachlose Menschen. "Wir wollen schauen, ob wir die Bahnhofsmission auch nach 100 Jahren wieder brauchen“, betont Tödtling-Musenbichler. "Wenn wir den Experten glauben, dann müssen wir leider sagen, ja, wir brauchen sie.“
Wie es in der Bahnhofsmission aussieht
Die neue Bahnhofsmission ist gegenüber dem zentralen Gebäude des Hauptbahnhofes untergebracht: Zwei Zimmer und Sanitäreinrichtungen, Platz für 40 bis 50 Tagesgäste, die dort neben heißen Getränken und einem Imbiss auch Informationen bekommen, wo sie weiterführende Hilfe bekommen, Notschlafstellen etwa oder billige Einkaufsmöglichkeiten. Zum Übernachten ist die täglich zwischen 9 und 17 Uhr geöffnete Einrichtung nicht gedacht.
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"Bahnhöfe sind symbolträchtige Orte der Sozialgeschichte“, überlegt Erich Hohl, Vizedirektor der Caritas, "ein Knotenpunkt gesellschaftlicher Hilfe.“ In den 1920-ern waren es vor allem junge Frauen vom Land, die die Not zur Arbeitssuche in die Stadt zwang und in der Bahnhofsmission aufgefangen wurden: "Sie haben hier auch Schutz vor sexueller Ausbeutung gefunden.“
Später kamen Kriegsvertriebene oder Flüchtlinge der Ungarnkrise, bis die Mission 1990 geschlossen wurde: Ausgehend von diesem ersten Hilfszentrum hatte die 1924 gegründete Caritas in Bahnhofsnähe andere Hilfsangebote hochgezogen, von der Notschlafstelle für Männer bis zum "Marienstüberl" mit warmen Mahlzeiten für bis zu 280 Menschen täglich. Unter den Gästen des "Stüberls" sind auch viele, die zwar eine Wohnung haben, aber sich Nahrungsmittel kaum leisten können.
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Die Zielgruppe der Bahnhofsmission ist dadurch eine andere, es dürften eher Obdachlose hier einige Stunden täglich Aufnahme finden. "Aber wir werden uns an den Bedürfnissen orientieren und glauben, eine Lücke schließen zu können“, versichert Leiter Jakob Url. "Auch wenn einsame Menschen niemanden haben, gibt es hier Kaffee und Gespräche für sie.“
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