Rekord: In jeder zehnten Gemeinde Österreichs regiert eine Frau

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Die Zahl der Bürgermeisterinnen ist auf einen neuen Rekordwert gestiegen: 241 gibt es in ganz Österreich, die meisten in Niederösterreich. Dass die Frauen dennoch stark in der Minderheit sind, hat mehrere Gründe.

Manchmal muss man zu außergewöhnlichen Vergleichen greifen, um Statistik erfassbar zu machen. Und so gab es in Österreich lange Zeit die Erzählung, dass es unter den heimischen Bürgermeistern mehr Amtsinhaber mit dem Vornamen Franz gebe als Bürgermeisterinnen. Kein schlechter Witz. Bis 2021 war dem wirklich so.

Dieses Jahr ist der Frauenanteil unter den Gemeindechefs auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Das gab der Gemeindebund bekannt. Insgesamt sind derzeit 241 Gemeinden in Österreich in weiblicher Hand – das entspricht einem Frauenanteil von 11,5 Prozent.

Vorreiter Niederösterreich

Die meisten Bürgermeisterinnen gibt es – in absoluten Zahlen und anteilig – in Niederösterreich. Dort sind derzeit 95 Gemeindechefinnen (umgerechnet 16,6 Prozent) im Amt. Auf den Plätzen folgen Salzburg (11,8 Prozent), Oberösterreich (11,4 Prozent) und das Burgenland (9,9 Prozent).

Der Trend ist damit gegenläufig zu jenem auf höheren politischen Ebenen, wo der Frauenanteil zuletzt sank (etwa im Nationalrat) oder zumindest stagnierte – wenn auch auf deutlich höherem Niveau. Gerade auf kommunaler Ebene ist die Politik bis heute männlich dominiert – und konnotiert.

Zu diesem Befund kam der Gemeindebund im Vorjahr auch in einer Umfrage unter Bürgermeistern, Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen. 62 Prozent der weiblichen Befragten nannten die „männlich geprägte Parteikultur“ als einen Hauptgrund für den geringen Frauenanteil in der Kommunalpolitik. In der Befragung zeigt sich auch die Kluft zwischen Männern und Frauen: Von den männlichen Befragten stimmten diesem Urteil nur 29,8 Prozent zu.

Tatsächlich sei es so, dass Frauen „deutlich mehr leisten müssen, um sich parteiintern durchzusetzen“, urteilte unlängst die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle in einem Gespräch mit dem KURIER. Auch bei den Wählern würden sie sich schwerer tun, zu überzeugen. So sei etwa der Anteil von Bürgermeisterinnen vor allem deshalb in Niederösterreich so hoch, weil es dort keine Direktwahl der Gemeindechefs gebe.

Die meisten Amtsinhaberinnen sind – nicht nur in Niederösterreich, sondern bundesweit – von der ÖVP, sie stellt weit mehr als die Hälfte aller Frauen. Dahinter folgt die SPÖ, die in Tirol, in Kärnten und im Burgenland die Mehrheit unter den Bürgermeisterinnen hält. Die FPÖ stellt eine Bürgermeisterin, die KPÖ ebenfalls. Letztere steht der größten von einer Frau regierten Stadt vor: Elke Kahr ist seit 2021 Grazer Stadtchefin. Die jüngste Bürgermeisterin ist Nicole Thaller aus Hofkirchen im Traunkreis. Die ÖVP-Politikerin ist 28 Jahre alt.

Eine Bürgermeisterin aus der SPÖ-Riege ist Michaela Raber, die für die SPÖ im burgenländischen Rauchwart als Gemeindechefin tätig ist – und damit als eine der Vorreiterinnen gilt. Als sie 2011 erstmals kandidierte, gab es im Südburgenland keine einzige Frau in dieser Position.

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Alte Rollenbilder

Den Grund, warum der Frauenanteil zwar stetig, aber nur langsam wächst, sieht Raber in „alten Rollenbildern, die immer noch in den Köpfen der Menschen sind“, wie sie im Gespräch mit dem KURIER sagt. Und ein bisschen seien die Frauen auch selbst verantwortlich. Denn: „Obwohl mich der Job, als mich meine Fraktion vorgeschlagen hat, sofort gereizt hat, habe ich gezögert.“ Sie habe „strenger reflektiert, als das ein Mann gemacht hätte: Schaffe ich das?“

Die Statistik stützt Rabers Beobachtung: 64 Prozent der befragten Bürgermeisterinnen nannten „mangelndes Selbstvertrauen“ in der Gemeindebund-Umfrage als Grund für den geringen Frauenanteil.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Sonja Ottenbacher (ÖVP) gemacht, als sie 2004 Bürgermeisterin von Stuhlfelden in Salzburg wurde. Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen war sie die erste in ihrem Bundesland überhaupt. „Davor war das, gerade im ländlichen Raum, unvorstellbar“, sagt sie. Ottenbacher hat sich (auch in ihrer Rolle als Gemeindebund-Vizechefin) die Frauenförderung auf die Fahnen geheftet – und das erste Vernetzungstreffen für Bürgermeisterinnen ins Leben gerufen.

Mittlerweile findet es jährlich statt; in diesem Jahr ab Sonntag in Anif. „Wir müssen vorleben, dass man einer Frau die Leitung eines Ortes zutrauen kann“, sagt sie. Und dass Frauen alle Themen – von der Bauverhandlung bis zum Budget – genau so beherrschen wie männliche Kollegen.

In manchen Themen – und da sind sich Raber und Ottenbacher einig – seien Frauen gar im Vorteil: „Sie haben andere Stärken. Sie sind manchmal empathischer, wägen länger ab, hören genauer zu“, sagt Ottenbacher. „Die Bürger vertrauen uns Probleme an, die sie Männern vielleicht nicht erzählen würden“, sagt Raber.

Wie schnell sich tradierte Rollenbilder auch ändern können, erzählt Ottenbacher. Als sie 2024 nach 20 Jahren aus dem Amt schied, folgte ihr ein Mann nach. „Für die Kinder in unserem Ort, die mit mir groß geworden sind, war das ganz eigenartig. Plötzlich war ein Mann Bürgermeisterin.“

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