Britische Einwanderer in Austria: „Ex-Brit“ statt Brexit
„Drei Worte, je vier Buchstaben“, antwortet Michael Bailey auf die Frage, warum fast 11.000 Briten dauerhaft in Österreich leben. Gemeint sind „Work, Life & Love“. Also die Tatsache, dass viele Auslandsbriten wegen der Arbeit kommen, die Lebensqualität hier schätzen lernen und schließlich wegen der Liebe bleiben.
Bailey ist, nein, er war einer von ihnen. Seit dem 9. Juli 2018 ist er österreichischer Staatsbürger. Seinen britischen Pass musste er damit abgeben. Denn Doppelstaatsbürgerschaften lässt das hiesige Staatsbürgerschaftsgesetz nicht zu.
68 neue Österreicher
Der Übersetzer ist damit Teil eines Trends, der 2016 mit dem EU-Austrittsreferendum in Großbritannien begonnen hat. Die Zahl der Einbürgerungen hat sich seitdem jährlich nahezu verdoppelt. Sind 2016 lediglich zehn Briten zu Österreichern geworden, waren es in den ersten drei Quartalen 2019 immerhin 68. Das sind angesichts der insgesamt 9.450 Einbürgerungen in Österreich im vergangenen Jahr zwar nur wenige. Für jeden einzelnen Ex-Briten war es aber ein großer Schritt.
Der ausschlaggebende Grund für Bailey war seine Familie. „Als Vater ging es mir darum, das Leben meiner Kinder einfacher zu machen.“ Davon hat er drei im Kindergartenalter, die nun auch Österreicher sind. Und eine Frau, die als Tochter russischer Eltern ebenfalls eine Einbürgerung hinter sich hat.
„Als der Einbürgerungsprozess meiner Frau lief, wussten wir noch nicht, dass sie mit Zwillingen schwanger war. Mein erstgeborener Sohn und ich waren zu dieser Zeit bereits seit Kurzem Österreicher – die Zwillinge somit automatisch österreichische Staatsbürger. Noch heute scherzen wir, dass es damals fünf Einbürgerungen zum Preis von drei gab.“
Bürokratische Hürden
Seinen (britischen) Humor hat sich Bailey trotz der vielen Amtswege bewahrt. Doch der Spießrutenlauf in Form von Formularen und Nachweisen während der Einbürgerung sowie die beträchtlichen Kosten von letztlich mehr als 2.000 Euro haben ihn bewogen, seine Erfahrungen zu teilen. Auf dem Blog „From Brexit to Ex-Brit“ hat er nicht nur dokumentiert, wie es ist, die eigene Nationalität aufzugeben, sondern auch anderen Auslandsbriten mit Tipps geholfen.
Einer davon ist Kieraen Ross. Der 35-jährige Volksschullehrer lebt seit zwölf Jahren in der Bundeshauptstadt. Ein „echter Wiener“ wurde er am 31.01.2020 – dem Tag des tatsächlichen Brexits. Reiner Zufall, sagt der ehemalige Nordengländer, während er in einem Irish Pub in Wien ein österreichisches Bier trinkt.
Ross kam wegen der Liebe. Seine damalige Freundin, eine Burgenländerin, lernte er während eines Auslandsaufenthalts kennen. Ein halbes Jahr später kam er nach Österreich. „Das burgenländische Deutsch war die größte Herausforderung“, erinnert er sich noch heute.
Für ihn war bald klar, dass Österreich seine Heimat werden könnte. „Ich kam 2008 am Höhepunkt der Rezession aus einem Teil Englands, in dem die Arbeitslosigkeit hoch ist.“ Viele Menschen dort hätten keine Perspektive und daher für den Brexit gestimmt. Er war „natürlich dagegen“.
"Waschechter Suderant"
Dementsprechend erleichtert war der 35-Jährige, als das lange Warten auf die Einbürgerung ein Ende hatte – obwohl seine Oma „ein bisschen enttäuscht“ war. Auch wenn er kritisiert, dass die zuständige MA35 es ihm nicht leicht machte, werde er das Gefühl nicht so schnell vergessen, als er am Magistrat vor Europäischer, Österreichischer und Wiener Flagge stand, sein Gelöbnis sprach und im Hintergrund ein CD-Player die Hymne spielte.
„Ich fühle mich als Österreicher“, meint Ross stolz – selbst, wenn er in Wien „angegrantelt“ werde. Bailey, der sich seit mittlerweile 20 Jahren in Wien wohlfühlt, geht es genauso: „Ich vermisse zwar Fish and Chips, aber wahrscheinlich bin ich schon ein waschechter Suderant.“
Die beiden Wahlösterreicher kennen mehrere Briten, die sich derzeit überlegen, die britische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Ob sich das bis zum Ende der Brexit-Übergangsfrist zwischen der EU und Großbritannien am 31.12.2020 ausgeht, steht in den Sternen.
Fix ist hingegen, dass Bailey und Ross ihre nächste Reise nach Großbritannien mit österreichischem Pass antreten werden. „Es wird ein ungewohntes Gefühl sein“, glaubt Ross. Bailey stimmt zu, ergänzt auf die Frage, wann es für ihn das nächste Mal heimgeht, aber: „Jeden Tag, wenn ich um halb sechs zu meiner Familie fahre.“
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