Bildungsreport: Einstieg statt Ausstieg

Bildungsreport: Einstieg statt Ausstieg
Brüchiger Übergang: Jeder zehnte Jugendliche ist weder in einer Schule noch in einer Lehre. Eigene Trainer greifen jetzt früher ein.

Verkäuferin oder Kosmetikerin? Marion hält nicht viel von klassischen Frauenberufen. Ihre Mutter gab ihr daher das Verzeichnis aller 250 Lehrberufe und meinte, sie solle sich einfach etwas aussuchen: "Ich möchte Waffenmechanikerin werden", sagt die 15-Jährige entschlossen. Auch schießen möchte sie lernen. Warum? "Ich habe schon einige Kampfsportarten ausprobiert", erzählt das Mädchen.

Den Lehrberuf Waffenmechaniker/in gibt es tatsächlich, er wird aber nur in der Fachberufsschule Ferlach in Kärnten angeboten. Relativ gute Jobaussichten gibt es nur für höher qualifizierte Spezialisten, heißt es im AMS-Prospekt, gerade einmal fünf (männliche) Lehrlinge gibt es aktuell. Marion überlegt daher, doch einen anderen Berufsweg einzuschlagen. "Vielleicht dann doch lieber Friseurin", sagt sie kleinlaut.

Für Vedran Kurtovic ist die Unentschlossenheit der Jugendlichen bezüglich ihrer eigenen Zukunft täglich Brot. "Vielleicht wird aus ihr doch noch eine Pazifistin", kommentiert er Marions Waffenfantasien trocken. Kurtovic kommt im Rahmen des Jugendcoaching-Projekts Cmon 14 (sprich: Come on 14) jede Woche in die Polytechnische Fachschule in Wien 22, um die Jugendlichen auf den Übergang von der Schule in den Beruf vorzubereiten. Ein Übergang, der aus vielen Gründen längst nicht mehr reibungslos funktioniert und zu alarmierenden Ergebnissen führt: Gut 10.000 Jugendliche, die meisten davon in Wien, machen nach der Pflichtschule keine weitere schulische oder berufliche Ausbildung. Sie kippen quasi aus dem System, landen auf der Straße oder werden im besten Fall zu Hilfsarbeiterjobs herangezogen.

Orientierung

Hier setzt Cmon 14 an. In Einzel- oder Gruppengesprächen bereiten Jugendpsychologe Kurtovic und seine Kollegin Barbara Pierer, eine studierte Pädagogin, die Schüler auf die Zeit danach vor.

Dabei geht es nicht nur um Berufsorientierung oder Bewerbungstrainings, die in der Schule oft zu kurz kommen, sondern auch um "persönliche Angelegenheiten" wie Schwierigkeiten mit den Eltern oder anderen Konflikten. Hier falle es den Schülern leichter, mit externen Beratern zu sprechen als mit ihren Lehrern, weiß Kurtovic. Er kritisiert aber auch, dass manche Schulen sich zu wenig um die Zukunft ihrer Schüler kümmern.

Fußballer Mustafa (15) weiß jetzt, dass er zur angestrebten Profikarriere bei der Admira ein zweites Standbein braucht und will eine Lehre "in einer Bank oder im Büro" beginnen. Sabrina wiederum hat ihre Lehrstelle als Verwaltungsassistentin schon fast in der Tasche. Adam und Michele wollen rasch ihre Noten verbessern - und eine weiterführende Schule besuchen.

Lehrstellen: Starker Rückgang bis 2015

Prognose Laut einer Studie im Auftrag des AMS sinkt die Zahl der Lehrverhältnisse von 127.000 im Vorjahr auf 118.000 im Jahr 2015. Damit gehen 9000 Lehrplätze verloren, was den Fachkräftemangel weiter zuspitzen dürfte. Gründe: Die Zahl der Jugendlichen im erwerbsfähigen Alter geht ebenso zurück wie die Zahl der Betriebe, die Lehrplätze anbieten.

Garantie Die 2009 beschlossene Ausbildungsgarantie der Regierung garantiert jedem Jugendlichen eine Berufsausbildung - entweder in einem Betrieb oder in einem vom Staat finanzierten überbetrieblichen Ausbildungszentrum.

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