Bildung ohne Grabenkämpfe: Dialog quer durch alle Lager

Inklusion ist eines der Themen, die die Lager entzweit. Beim Bildungsinnovationsdialog sollen beide Seiten miteiander reden.
Kaum ein Thema entzweit Österreich so sehr wie die Schule. Gesamtschule oder Gymnasium? Deutschförderklassen oder Integration? Inklusion oder Sonderschule? Seit Jahrzehnten werden diese Fragen erbittert diskutiert – Lösungen sind selten in Sicht.
Genau hier setzt eine neue Initiative an: „BID – Gemeinsam Bildung stärken“. Ihr Ziel: die ideologischen Gräben im Bildungsbereich überwinden und Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch bringen. Der „Bildungsinnovationsdialog“ (BID) soll ein Jahr lang laufen, 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einbeziehen und am Ende ein gemeinsames Zukunftsbild für das österreichische Bildungssystem entwerfen – samt Strategie für die Umsetzung. Die Initiative ist für den "Zeig Profil Award" nominiert.
Der KURIER hat mit Teresa Torzicky, einer der treibenden Kräfte hinter BID, über Motivation, Ziele und die Hoffnung auf einen echten Neustart gesprochen.
KURIER: Sie haben mit dem BID kurz für Bildungsinnovationsdialog eine Bildungsinnovation bzw. eine Bewegung von Bürgern und Bürgerinnen ins Leben gerufen, weil Ihnen die Bildung offensichtlich ein Herzensanliegen ist. Eine Herkulesaufgabe. Was treibt Sie an?
Teresa Torzicky: Gemeinsam und öffentlich mit allen über die Zukunft der Bildung zu sprechen, ist ein starkes Zeichen für Österreich. Es zeigt, dass wir an unsere eigene Zukunft glauben und bereit sind, gemeinsam an ihr zu arbeiten. Auch zeigt es, dass wir bereit sind über politische und gesellschaftliche „Trennlinien“ hinweg miteinander zu sprechen, auch über Dinge, bei denen wir nicht immer einer Meinung sind. Ich denke, dass es genau so etwas in der aktuellen Situation braucht und mich persönlich treiben immer am meisten Dinge an, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie gebraucht werden.

Teresa Tozicky hat den Bildungsinnovationsdialog gegründet.
Wie kann man den Bildungsinnovationsdialog in wenigen Worten beschreiben?
Es handelt sich um einen großen österreichweiten Dialogprozess, der über ein Jahr läuft und an dem 1.000 Personen teilnehmen. Ziel ist es, dass am Ende eine gemeinsames Bild für die Bildung in Österreich entsteht, das wir in den kommenden 10 bis 15 Jahre verfolgen wollen. Auch soll eine konkrete Strategie für die Umsetzung entstehen, damit wir nicht nur große Gedanken spinnen sondern auch gleich die Wege dorthin erschließen.
Wer soll an diesem Dialogprozess teilnehmen und warum denken Sie, dass Ihnen gelingt, was bisher in den vergangen Jahrzehnten nicht gelungen ist?
Wirklich alle, die mit dem Bildungssystem zu tun haben – von Politikerinnen und Politikern aus allen im Parlament vertretenen Parteien über Verwaltung, Gewerkschaften, Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern. Also ein Querschnitt durch das ganze Land, wenn es um das Thema Bildung für Kinder und Jugendliche geht. So stellen wir sicher, dass wir keine Perspektive übersehen und die echten Problemlagen erkennen, die wir angehen müssen und gleichzeitig alle passenden Leute mit dabei haben, um auch die besten Lösungen zu finden.
Warum braucht es noch eine Initiative im Bildungsbereich?
Wir sehen uns nicht als eine weitere Initiative sondern als Bewegung, die Raum, Zeit und Fokus geniert, um die anderen bestehenden Initiativen zu unterstützen. Weil viele engagierte Menschen und Projekte, etwa im EdTech-Bereich oder bei Bildungs-NGOs, bringen seit Jahren tolle Ideen ein – aber kommen damit einfach nicht ins System. Tech-Unternehmen entwickeln ihre Programme in Vorleistung, kommen aber nicht auf den Markt. Initiativen kämpfen ums Überleben oder leben von Förderung zu Förderung. Da fehlt eine strukturierte Möglichkeit, dass solche Initiativen tatsächlich Teil des Bildungssystems werden und auch eine langfristige Perspektive, die uns aufzeigt wo wir in der Bildung hinwollen. Genau da setzen wir an. Dazu wollen wir miteinander ins Gespräch kommen – ein Jahr lang. Das klingt lang, ist es aber nicht, wenn man ernsthaft etwas verändern will.
Gibt es schon genug Unterstützung aus Bereichen wie Politik und NGOs?
Wir sind gut unterwegs. Besonders mit Bildungspolitikerinnen waren wir bereits ausführlich in Kontakt, auch über Parteigrenzen hinweg. Die Rückmeldungen waren sehr positiv – wir haben Zuspruch von aktuellen und ehemaligen Bildungsministerinnen sowie Bildungssprecher*innen aller Parteien. Besonders gefreut hat uns die Aussage einer ehemaligen Bildungsministerin, die sinngemäß meinte, wenn sie nochmals das Ministeramt antreten würde, dann würde sie genau so einen Prozess ins Leben rufen. Das zeigt, dass das Verständnis für die Notwendigkeit eines solchen Prozesses da ist. Was NGOs und Bildungsorganisationen betrifft, haben wir aktuell knapp 20 Mitgliedsorganisationen, die unser Vorhaben unterstützen.
Hat das Thema Bildung mehr Dringlichkeit bekommen, weil der Hut brennt?
Absolut. Der Fachkräftemangel ist nur ein Aspekt, wo es offensichtlich wird. Wenn es in der Schule nicht funktioniert, betrifft das auch die Eltern – und damit auch deren Arbeitgeber und zeigt sich somit auch wieder in der Wirtschaft. Auch aus demokratiepolitischer Sicht gibt es Alarmzeichen: Polarisierung, Vertrauensverlust in die Politiker*innen aber auch die Demokratie und ihre Institutionen zum Beispiel. Auch zeigt es sich aber schon länger, wenn man die mediale Berichterstattung zum Thema Bildung in Österreich aufmerksam verfolgt. Wenn man auf die Daten wie zum Beispiel PISA schaut: Österreich ist im Bildungssystem nur Mittelmaß, gibt aber überdurchschnittlich viel aus. Das ist auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht effizient.
Wie geht man in so einem Prozess mit unterschiedlichen politischen Meinungen um?
Dazu gibt es Ansätze aus dem internationalen Kontext, die man speziell für Situationen mit politisch verhärteten Fronten anwendet. Wichtig ist im ersten Schritt, dass alle die da sind in ihrer Meinung gehört und akzeptiert werden und das man dort beginnt, wo man einer Meinung ist. Egal wie einfach um nicht zu sagen trivial dieser Konsens auch sein mag.
Wir sehen aktuell bereits innerhalb unserer Initiative wie schwer das ist. Bei uns sind natürlich Wähler*innen und Politiker*innen aller Hintergründe willkommen. Somit natürlich auch freiheitliche Politikerinnen oder Wählerinnen. Manche unserer Mitglieder haben da erst mal geschluckt – aber genau darum geht es. Wir wollen diese Fronten aufbrechen. Auch inhaltliche Fronten wie zum Beispiel zwischen Pro-Gymnasium- und Gesamtschul-Befürwortern – die reden oft nicht mal mehr miteinander. Doch genau diese Interaktion braucht es, um bessere Lösungen zu entwickeln, die mehrheitsfähig sind. Denn die bisherigen Reformvorschläge reichen offensichtlich nicht aus. Unser Ziel ist es nicht, alte Debatten zu wiederholen, sondern neue Perspektiven zu entwickeln. Dafür muss man bestehende Initiativen einbinden – ohne sie wird keine Reform funktionieren.
Wie soll sichergestellt werden, dass die Ergebnisse auch in die Breite wirken?
Der Prozess soll ein Jahr dauern, damit für die 1000 Personen auch genügend Zeit ist, Ideen in die eigenen Communities hineinzutragen und Feedback zu holen. Auch soll der Prozess medial begleitet werden, damit auch die Bevölkerung Zeit hat, sich ein Bild zu machen und sich einzubringen.
Haben Sie schon Mitglieder bzw. Personen, die zu den 1.000 gehören werden?
Ja, aber nicht alle Mitglieder unserer Initiative nehmen direkt am Prozess teil. Die 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen ähnlich wie Bürgerräte funktionieren, die ja zufällig ausgelost werden– aber mit einer Erweiterung: In Bereichen wie Politik oder Verwaltung wissen wir, wer relevant ist und diese Personen sind auch Teil der 1.000. Bei 200 Lehrerinnen zum Beispiel schauen wir, wie wir eine sinnvolle Auswahl treffen können, damit der Faktor Zufall eine Rolle spielt, aber auch alle Bundesländer und Schularten abgedeckt sind. Der Start hängt aktuell noch vom Bildungsministerium ab. Herr Bundesminister Christoph Wiederkehr hat ja schon im Vorfeld gesagt, dass er einen solchen Prozess gut fände.
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