Wochenplan und Chancenbonus: Wie die Schule fit für morgen wird

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Die Wissenschaft hat Lösungen. Wie lassen sich die im Klassenzimmer umsetzen? Barbara Schober und Barbara Pitzer diskutieren.

Wie können wir die Schule in Österreich für die Zukunft rüsten? Die Wissenschaft hätte dazu Antworten, sagt die Bildungspsychologin Barbara Schober von der Uni Wien. Sie diskutiert im KURIER-Talk mit Barbara Pitzer von der Abteilung Qualitätsentwicklung im Bildungsministerium über die Migration, durchmischte Klassen, ausgezeichnete Schulleitungen und den Wert eines guten Unterrichts.

KURIER: Ist unsere Schule bereit für die Zukunft?

Barbara Schober: Bedingt. Es wird einige Veränderungen brauchen. Fraglos tut sich hier schon was, aber im Mittel zu langsam. Gesellschaft und Technik verändern sich rasant – da muss auch das Bildungssystem mutiger werden, um Schritt zu halten.

Was heißt das für die Schule, wie muss sie aussehen?

Barbara Pitzer: Klassenzimmer mit starren Strukturen und durchgehendem Frontalunterricht haben ausgedient. Erfolgreiche Schulen setzen auf mehr individuelle Förderung und Teamarbeit und fördern selbstständiges Lernen. Ich glaube auch, dass die Schulen dazu noch mehr Autonomie brauchen; vieles können sie auch jetzt schon selbst gestalten, aber diese Möglichkeiten werden noch viel zu wenig genutzt.

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Wie kann sich das jemand vorstellen, der vor 30 Jahren in die Schule gegangen ist? Was ist heute anders?

Schober: Lehrkräfte begleiten Kinder beim Lernen, statt vorne zu stehen und zu erwarten alle könnten alles gleich aufnehmen. Kinder erhalten zum Beispiel einen Wochenplan – sie müssen Aufgaben in verschiedenen Fächern selbstständig bearbeiten, zum Teil alleine, zum Teil im Team. Die Lehrperson unterstützt und begleitet dies. Eine andere Methode ist, dass die Kinder und Jugendlichen Portfolios erstellen, sich also selbst intensiv mit einem Thema auseinandersetzen. Wenn Kinder so lernen, sitzt der Stoff nachhaltiger und sie lernen dabei auch andere Dinge, etwa sich selbst zu organisieren, Schwierigkeiten überwinden etc. Aber das müssen sie natürlich auch lernen.

In vielen Volksschulen gibt es nur eine Lehrerin für 25 Kinder. Wie soll da auf diese Weise unterrichtet werden. Da braucht es Ressourcen.

Pitzer: Ja, Ressourcen sind an Schulen mit besonderen Herausforderungen immer wieder ein Problem. Deshalb gibt es Förderprogramme wie „100 Schulen – 1000 Chancen“ und demnächst das Chancenbonus-Programm für 400 Schulen mit besonderen Herausforderungen. Die Ressourcen sollten so eingesetzt werden, dass die Stärkeren davon genauso profitieren wie die Schwachen. Ein zentrales Element ist auch die Zusammenarbeit mit den Schulpartnern, Vereinen, Institutionen etc., die Schulen unterstützen können.

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Barbara Schober hat in München promoviert und  gemeinsam mit Christiane Spiel die Bildungspsychologie als Fach international etabliert. Heute ist sie Professorin an der Uni Wien sowie Dekanin der  Psychologie-Fakultät .

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Die Migration bestimmt in Metropolen den Schulalltag: Hilft Durchmischung allein? Schober: Unterschiedlichkeit ist nun mal die Realität. Und sie betrifft viele Bereiche, nicht nur die Frage nach Sprache oder Herkunft. Unterschiedlichkeit bringt Chancen – Kinder lernen voneinander, Integration kann gelingen, weil man sich kennenlernt und auch viele Gemeinsamkeiten sieht. Aber das passiert nicht automatisch. Sprachförderung und gezielte Unterstützung sind im Kontext von Migrationsunterschieden entscheidend. Sonst funktioniert es nicht.

Wie kann man Schulen stärken, damit sie die Herausforderungen bewältigen?

Pitzer: Kurz gefasst: Mehr Schulautonomie, starke Schulleitungen und Lehrkräfte, die im Team arbeiten. Das steigert auch die Freude am Lehrberuf. Autonomie heißt: Ich entscheide am Standort, was meine Kinder brauchen, und passe den Unterricht diesen Bedürfnissen an.

Erfolgreiche Schulen haben meist auch eine ausgezeichnete Leitung. Was zeichnet sie aus und wie wählt man geeignete Personen aus? Schober: Gute Schulleitungen sehen sich in erster Linie nicht als Verwaltungsinstanz, sie führen „pädagogisch“, setzen gemeinsame schul- und unterrichtsbezogene Ziele, formulieren Erwartungen an die Schule, legen Wert auf Teamarbeit und schauen auch konsequent darauf, ob Ziele erreicht werden. Dazu benötigt man Menschen mit Führungskompetenzen, die sich bewusst sind, dass sie mit ihrem Tun den entscheidenden Unterschied ausmachen. Hier kann man in der Auswahl der Leitungen und der Ausbildung sicher noch einiges verändern.

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Barbara Pitzer. Die Tirolerin studierte  Hauptschullehramt, unterrichtete 19 Jahre, davon eines  in Peru. Sie war Landesschulinspektorin in OÖ und leitet derzeit die Abteilung für Qualitätsentwicklung im Bildungsministerium.

Was sollte man tun, wenn Schulen nicht funktionieren?

Pitzer: Dann braucht es gezielte Eingriffe und Unterstützung durch die Schulaufsicht. Bei jenen fünf Prozent der Schulen, die gar nicht funktionieren, wird in einem eigenen Prozess Unterstützung und Hilfe von außen organisiert, der hilft, die Schulentwicklung voranzutreiben. Das muss auch so sein. Jeder verlorene Tag bedeutet verlorene Chancen für Kinder.

Schober: Wir müssen auch an der Professionalisierung der Lehrkräfte arbeiten. Sie müssen sich einerseits ihrer hohen Expertise bewusst sein und andererseits muss klar sein, dass sie diese ständig weiterentwickeln müssen – auch weil sich die Situation im Klassenzimmer immer wieder ändert und das Wissen im Bereich Bildung sich ändert. Im Moment ist das nicht selbstverständlich. Eine Medizinerin kann sich auch nicht darauf ausruhen, was sie einst im Studium gelernt hat, sondern muss sich weiterbilden. Das kann ich auch von einer Lehrperson erwarten.

Fehlt der politische Wille, das Bildungssystem grundsätzlich zu reformieren?

Pitzer: Eigentlich wollen alle die beste Schule für Kinder – aber ideologische Fronten blockieren oft sachliche Lösungen. Über manche Dinge kann man sachlich kaum sprechen, wie z.B. die gemeinsame Schule, obwohl das dringend nötig wäre.

Aber reicht es nur, eine gemeinsame Schule einzuführen? Oder geht es nicht auch um etwas Entscheidenderes?

Schober: Rahmenbedingungen der Schule sind wichtig, aber die alleine lösen es nicht. Der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Schule ist die Qualität des Unterrichts. Da geht es nicht nur um die Frage, wie lange Kinder in der Schule sind, sondern wie gut sie dort lernen. Das ist der wesentlichste Faktor für erfolgreiches Lernen.

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