Bevor die Straßenbahn fährt: Baustellen-Blues in Graz
Vor 20 Jahren hat Peter Unger ein bekanntes Stoffgeschäft mitten in der Grazer Innenstadt übernommen, mittlerweile führt es seine Tochter Nina. Seit März jedoch schauen die Unternehmer, die auch in Bad Vöslau in Niederösterreich ein Geschäft haben, skeptisch in die Steiermark: "Die Megabaustelle ist Horror", konstatiert Peter Unger schlicht.
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Das meint den Bau einer 1,2 Kilometer langen Straßenbahntrasse durch Neutor- und Belgiergasse, die die lange geforderte Entlastung der Herrengasse bringen wird. Allerdings – und das ist der Haken an der Sache – dauern die Bauarbeiten drei Jahre.
Neue Straßenbahntrassen
Graz bekommt zwei neue Straßenbahnlinien (16 und 17). Sie werden durch die Neutor- und Belgiergasse geführt. Damit gibt es erstmals eine Strecke abseits der Herrengasse und des Hauptplatzes: Bisher fahren alle Tramlinien durch dieses Nadelöhr
Bauarbeiten
Die neue Trasse ist 1,2 Kilometer lang, die Bauarbeiten begannen am 6. März und sind bis Ende 2025 projektiert. In November 2025 soll die neue Route in Betrieb gehen. Die Kosten werden mit rund 38 Millionen Euro beziffert
Sperren für Kfz
Der Bau bringt Engstellen für Kfz-Lenker: Unter anderem ist die Neutorgasse gesperrt, es gibt Umbauten am Jakomini- und Andreas-Hofer-Platz. Der bis dahin dreispurige Opern- und Joanneumring ist bis zumindest November auf eine Spur verengt
Weniger Parkplätze
Nicht nur während des Umbaus fallen Pkw-Stellflächen weg, sondern auch nach Fertigstellung: In der Innenstadt bis zur Annenstraße sollen es an die 50 weniger sein. Auch im Uni-Viertel – in der Heinrichstraße und Zinzendorfgasse – fallen insgesamt rund 80 Pkw-Stellflächen weg, dort aber wegen der Verkehrsberuhigung samt mehr Platz für Radler
Zumindest bis 2024 bleibt die Neutorgasse für den Kfz-Verkehr gesperrt. Nicht das einzige Zugeständnis an mehr öffentlichen Verkehr: Im Zuge weiterer Umbauarbeiten etwa am Jakominiplatz, der Öffi-Drehscheibe, verengen sich auch dreispurige Fahrbahnen auf nur eine Fahrspur.
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Staus an der neuralgischen Stelle sind an der Tagesordnung, betroffene Innenstadtkaufleute vom Friseur bis zum Gastwirt klagen über Umsatzeinbußen von bis zu 70 Prozent: Sogar Lkw mit Lieferungen könnten nicht zufahren, Kunden nicht mit dem Pkw halten. Auch Laufkundschaft weiche aus.
Klagerufe, die die Politik gehört hat. Vor Kurzem ging der erste "Unternehmerstammtisch Innenstadtentlastung“ über die Bühne, bei dem Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) weitere 200.000 Euro an Unterstützung für die Kaufleute zusagte. 3.000 Euro wären das für T.O. Stoffe der Familie Unger pro Jahr, rechnet Peter Unger vor, der Maximalbetrag.
Ein Zusatzproblem
"Seitens der Politik sollte man mehr helfen, die Zeit zu überbrücken", mahnt er, sonst bekäme Graz "in der Innenstadt ein Problem", da vielleicht nicht alle Kaufleute die Durststrecke durchhalten können: "Wir haben Angestellte im Geschäft, die eine tolle Arbeit machen. Aber die Umsätze sind hinunter gegangen, schon seit Corona ist die Kaufkraft gesunken. Die Baustelle ist ein Zusatzproblem."
Im Rathaus selbst ist sich die Politik zudem auch nicht einig: Da die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ, dort der ÖVP-Wirtschaftsstadtrat Günter Riegler, der einen eigenen "Fünf-Punkte-Plan" mit Mietkostenzuschuss und Investitionsförderungen vorsieht – millionenschwer und kaum zu dem laufenden Budget zu stemmen.
Neutor- und Belgiergasse sind aber nicht die einzigen Baustellen der Stadt(Politik) – Wirbel gibt es auch um Parkplätze: Die Koalition hat sich Verkehrsberuhigung und Neuverteilung des öffentliches hin zu mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger vorgenommen, das geht auf Kosten von Pkw-Stellflächen.
Im Uni-Viertel wurde kürzlich die Zinzendorfgasse zu einer Begegnungszone umgestaltet, etwa 30 Parkplätze sind weg, dafür stehen dort Sitzmöbel und Pflanzentröge. In der Heinrichstraße, einer Ausfahrtstraße Richtung Osten, dürften an die 50 Stellplätze wegfallen, hier wird gerade gebaut. Dafür werden dort Radstreifen eingerichtet. Sie werden blau gestrichen wie jene in der Petersgasse, für die ebenfalls eine Radwegoffensive bevorsteht – samt Baustellen für die Umsetzung.
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