Betagte Patienten misshandelt: „Volksanwalt warnt seit Jahren“

Betagte Patienten misshandelt: „Volksanwalt warnt seit Jahren“
Vier Pfleger wurden dieser Tage suspendiert. Etliche Missstände sollen schon länger bekannt gewesen sein.

Schwere Vorwürfe werden gegen vier Mitarbeiter des LKH Graz Süd-West erhoben: Die drei Krankenschwestern und ein Pfleger sollen betagte Patienten, die auf der Alterspsychiatrie untergebracht sind, misshandelt haben. Die Krankenanstaltengesellschaft (KAGES) übermittelte eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. Die vier Mitarbeiter wurden suspendiert.

Michael Lehofer, ärztlicher Leiter der Abteilung für Psychiatrie am LKH Graz Süd West, zeigt sich im Gespräch mit dem KURIER betroffen: „Uns liegen glaubhafte Berichte vor, wonach die Pflegekräfte gegenüber Patienten entwürdigende und grob respektlose Aussagen getätigt haben.“ Bei den Patienten handle es sich um demente Personen, die unter Aggressionen und Depressionen leiden. Durch das rüde Verhalten der Spitalsmitarbeiter sei es in einem Fall auch zu einer „körperlichen Intervention“ gekommen. Ein Mitarbeiter soll einen Patienten so grob angefasst haben, dass dieser eine Hautabschürfung mit blutender Wunde erlitt.

Zu den Vorfällen sei es laut Lehofer gekommen, wenn die vier Mitarbeiter gemeinsam Nachtdienst versehen hätten. „Konkret sind uns Vorfälle im Zeitraum der vergangenen zehn Tage bekannt.“ Die Mitarbeiter seien zwei Jahre oder weniger auf der Abteilung gewesen.

Ins Rollen kam der Fall durch eine neue Mitarbeiterin, die die Vorgehensweise ihrer Kollegen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte und meldete.

„Die Anforderungen auf diesem Arbeitsplatz sind sicher extrem, damit muss man umgehen können“, sagt Lehofer. Dass es sich um „ein systematisches Problem“ auf der Abteilung handle, glaube er allerdings nicht.

Betagte Patienten misshandelt: „Volksanwalt warnt seit Jahren“

Beschwerde

Doch genau ein solches ortet Volksanwalt Günther Kräuter, der sich am Samstag zu Wort meldete. „Die Kommission der Volksanwaltschaft hat im LKH Graz am Standort Süd gravierende Missstände festgestellt“, erklärt Kräuter. So ist u. a. von „zu wenig Personal, kaum bezahlten Fortbildungen, vernachlässigtem Deeskalationstraining, ausufernden Nebentätigkeiten der Fachärzte und einer desaströsen baulichen Situation“ die Rede. Diese Missstände seien seit Jahren bekannt. Dass es im Gegenzug zu einer Beschwerde der KAGES an den Nationalratspräsidenten im Bezug auf die unangekündigte Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft gekommen ist, sei „bezeichnend“, erklärt Kräuter. In der Beschwerde sei die Befugnis des Expertenteams der Volksanwaltschaft infrage gestellt worden.

Bericht an National- und Bundesrat

In ihrem aktuellen Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat weist die Volksanwaltschaft außerdem explizit auf die Gefahr verborgener Gewalt in psychiatrischen Abteilungen hin:
„Schwierige Rahmenbedingungen können auch zu Formen der psychischen Gewalt führen, die sich beispielsweise in Drohungen, Beleidigungen, Kränkungen etc. äußern. Auch kognitive bzw. emotionale, affektive oder seelische Schädigungen können die Folge sein. Gerade im Umgang mit psychisch kranken Menschen, die sich zum Teil gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Einrichtung befinden und sich häufig ausgeliefert und hilflos fühlen, sind ein wertschätzender Umgang und Achtsamkeit bei der Wortwahl von besonderer Bedeutung.“

Neue Regelung

Dass die Beschuldigten wieder auf die Abteilung des LKH Graz zurückkehren, schließt Lehofer jedenfalls aus. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass Pflegekräfte nach Bekanntwerden derartiger Vorwürfe wieder Dienst an Patienten verrichten können. Wie der KURIER berichtete, sollen etwa im Pflegeheim Clementinum im Bezirk St. Pölten Patienten gequält und sexuell missbraucht worden sein. Gegen vier Pfleger wird seit 2016 ermittelt. Zwei von ihnen haben nach ihrer Suspendierung wieder eine Anstellung gefunden. Patientenanwalt Gerald Bachinger hofft, dass ein unlängst im Nationalrat beschlossenes Gesetz so etwas nicht mehr ermöglicht. Denn jetzt könne die Staatsanwaltschaft auch während des Zeitraumes der Ermittlungen Informationen an die berufsrechtlichen Behörden weiterleiten.

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