Beruf Anwalt: "Stehe Leuten mit schier unlösbaren Problemen bei"

Täglicher Kampf für den Freispruch: Rechtsvertreter sind hoch angesehen. Viele leiden aber unter dem enormen Erfolgsdruck.

Der Tod eines jungen Wiener Anwalts beschäftigt derzeit die Staatsanwaltschaft. Der 35-Jährige stürzte am 15. August von einer Dachterrasse in Wien und erlag seinen Verletzungen. Nun soll mittels Obduktion geklärt werden, ob sich der Advokat das Leben genommen hat, oder Drogen im Spiel waren, die den Mann psychisch so beeinträchtigt haben, dass er in den Tod sprang. Aus dem Umfeld des Anwalts für Wirtschaftsrecht heißt es, dass es weder im privaten noch im beruflichen Bereich Anzeichen auf eine besondere psychische Belastung gegeben hätte. Der 35-Jährige galt als sehr erfolgreich. Dass genau dieser Erfolg aber sehr großen Druck erzeugt, bestätigen Anwälte, mit denen der KURIER über das Thema gesprochen hat.

Philipp Wolm ist Strafverteidiger und damit ständig mit harten Fällen konfrontiert. Nicht jeder, sei für den Job gemacht: „Ich glaube, man kann diesen Beruf nicht ausüben, wenn man die Fälle und die einzelnen Schicksale mit nach Hause nimmt. Peer Groups (psychologische Betreuung) gibt es keine. Wenn das ein Kollege bräuchte, dann wäre die Berufswahl verfehlt.“ Wolm ist ständig mit Menschen in Ausnahmesituationen konfrontiert, was die Belastung noch steigert.

Beruf Anwalt: "Stehe Leuten mit schier unlösbaren Problemen bei"

12-Stunden-Tage sind in Anwaltskanzleien laut Brancheninsidern die Norm.

Geldsorgen

Doch auch in Kanzleien, die sich mit Wirtschaft und großen Konzernen befassen, ist der Leistungsdruck enorm. Ein angehender Anwalt, der unerkannt bleiben möchte, erzählt von finanziellem Druck und langen Arbeitstagen. „Zwölf Stunden sind die Norm, denn man muss am Ende des Monats eine gewisse Anzahl an abrechenbaren Stunden vorweisen können.“ Auch nach der Zeit als Konzipient würde der Kampf ums berufliche Überleben weitergehen. Die Gebühren, die an die Rechtsanwaltskammer bezahlt werden müssen, sind laut dem jungen Mann enorm hoch. Verpflichtende Seminare kosten tausende Euro. „Um in allen Berufsfeldern dem Berufsbild folgend am Laufenden zu bleiben, sind Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden, um über gesetzliche Neuerungen informiert zu sein“, heißt es seitens der Rechtsanwaltskammer. Studien aus den USA und Deutschland zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit an Depressionen oder Alkoholismus zu erkranken, für Juristen überdurchschnittlich hoch ist.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich an die Telefon-Seelsorge, kostenlos unter der Rufnummer 142.

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