Wieso Österreich so islamskeptisch ist

Moschee in Wien: 42 Prozent der Muslime sind streng religiös
Bertelsmann-Studie zeigt: Muslime sind im internationalen Vergleich schlecht integriert - das hat auch mit Islamfeindlichkeit zu tun.

Wie integriert sind Österreichs Muslime? Die Antwort, die eine neue Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung darauf gibt, ist durchwachsen: Im Vergleich mit Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien schneiden Muslime hierzulande schlecht ab – sie hinken in vielen Bereichen nach, haben es aber zeitgleich auch schwerer mit der Mehrheitsgesellschaft. Denn: Nirgendwo herrscht so viel Islamskepsis wie in Österreich.

Warum sich Muslime in Österreich schwertun, ist gar nicht so einfach zu erklären. Dass sie etwa öfter und früher von der Schule gehen als anderswo, hat viel mit unserem selektiven Bildungssystem zu tun, stellt die Studie fest; dass sie beim Spracherwerb später dran sind und aus dem Erwerbsleben öfter ausgeschlossen sind als Nichtmuslime, hat wiederum viel mit der sozialen Herkunft zu tun. "Bei der Integration spielt die soziale Klasse, also der sozioökonomische Status eine große Rolle", sagt Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der WU Wien – Österreichs Muslime seien hauptsächlich Gastarbeiter aus der Türkei oder vom Balkan; viele von von ihnen hatten beim Zuzug wenig Qualifizierung. Das erschwert nicht nur die Integration der ersten Generation, sondern vererbe sich auch.

Nachteile für Fromme

Anders sieht es bei den Faktoren aus, bei denen sich Muslime von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden – bei Religion oder Geschlechterbild etwa. Dass muslimische Frauen viel seltener einen Vollzeitjob haben als nichtmuslimische, habe mit "traditionellen Rollenerwartungen" zu tun, so die Studienautoren Dirk Halm und Martina Sauer. Auch, dass Österreichs Muslime überdurchschnittlich fromm sind – 42 Prozent beten fünf Mal täglich und gehen Freitags in die Moschee –, hat Folgen: Die strikte Befolgung religiöser Pflichten erschwert die Jobausübung; Strenggläubige sind auch bei guter Bildung öfter arbeitslos und verdienen weniger.

Dazu kommt, dass fromme Muslime wegen ihrer religiöser Symbole diskriminiert werden; das verbessert die Chancen am Arbeitsmarkt auch nicht. In Österreich passiere das, so die Autoren, überdurchschnittlich oft: 68 Prozent der befragten Muslime haben in den vergangenen zwölf Monaten negative Erfahrungen gemacht, in der Schweiz und in Deutschland waren es nur je ein Drittel.

Große Ablehnung

Woran das liegt, lässt sich wiederum an einer anderen Zahl ablesen. 28 Prozent der Österreicher geben an, lieber nicht neben Muslimen wohnen zu wollen – das sind viel mehr als in Deutschland (19 Prozent) oder Frankreich (14 Prozent). Sind Österreicher also generell fremdenfeindlich? Nicht unbedingt, sagt Kohlenberger. "Das ist eine Pendelbewegung" – 2015 sei die Debatte positiv geprägt und die Politik eine andere gewesen. Jetzt seien Politik und Diskurs "im Kontrast viel negativer", das schlage sich bei der Bevölkerung nieder.

Enge Verbundenheit

Bei den österreichischen Muslimen scheint diese Ablehnung zumindest zu keiner großen Abneigung zu führen. Nur drei Prozent geben an, nie etwas mit Andersgläubigen zu tun zu haben; die häufig zitierte Parallelgesellschaft sei also die Ausnahme und nicht die Regel, so die Studienautoren. Zudem fühlen sich 88 Prozent der Muslime Österreich eng verbunden – das ist ein guter Wert.

Bleibt nur die Frage: Wie umgehen mit jenen Dingen, die stark verbesserungswürdig sind? Indem man die Aufnahmegesellschaft ebenso in die Pflicht nimmt wie Zuwanderer, so die Studie. Das Bildungssystem müsse durchlässiger werden, Zuwanderer seien in puncto interkultureller Kontakte gefordert. Mentorensysteme wie jenes der Wirtschaftskammer seien ein guter Ansatz, sagt Kohlenberger. So könne man individuell fördern, denn: "Es gibt keine einfachen Lösungen, kein Schema F bei der Integration."

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