Bartenstein: "Für die ÖVP war’s schon lustiger"

Bartenstein: "Für die ÖVP war’s schon lustiger"
Für Ex-Minister Martin Bartenstein ist Schwarz-Blau nach der Wahl nicht nur wegen der Kärntner Skandale keine Option.

Martin Bartenstein war einer der Architekten von Schwarz-Blau und verteidigt die Entscheidung von damals – auch wenn sich "mit der Weisheit des Rückblicks nicht nur Politik ganzanders gestalten würde".

KURIER: Was haben Sie gedacht, als Josef Martinz nach monatelangem Leugnen ein Geständnis abgelegt hat?

Martin Bartenstein: Dass er als erster politisch Verantwortlicher endlich einen Schlussstrich gezogen hat. Dem sollten und werden noch weitere folgen...

War die Erleichterung größer oder das Entsetzen über das Bild, das ein Parteifreund da abgegeben hat?

Natürlich ist die Enttäuschung groß, wenn einer aus der eigenen  Gesinnungsgemeinschaft so daneben tritt. Das 12 Millionen Honorar an Birnbacher hat ja schon lange förmlich nach Kick-back- Zahlungen gerochen, danach, dass Gelder an Parteien weitergeleitet werden sollten.

Sie waren 2000 einer der Architekten von Schwarz-Blau – was denken Sie heute über Jörg Haider, wenn Sie den Zerfall seines Systems und betrachten?

Architekt ist übertrieben. Ich habe damals den Kontakt zwischen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider hergestellt. Ich war vielleicht einer der Wegbereiter ...

Was sagt der Wegbereiter?

Das Sprichwort heißt: De mortuis nihil nisi bene, also nichts Böses über Verstorbene, das gilt für politisch Tätige vielleicht nur eingeschränkt. Aber ich gehöre sicher nicht zu denen, die sagen, "ich hab` es immer schon gewusst, und Jörg Haider ist an allem schuld". Andererseits wirft es natürlich einen ganz gewaltigen Schatten auf die von vielen politischen Erfolgen gekrönte politische Laufbahn des Jörg Haider.

Sie standen Haider nahe: War die offenkundig kriminelle Energie nie erkennbar?

Sicher nicht. Ein Landeshauptmann, der mehr als andere in Wien interveniert hat, ja. Ein FPÖ Chef, der es Wolfgang Schüssel nicht leicht gemacht hat, ja. Aber dass rund um den Verkauf der Hypo Alpe Adria Millionen in Parteikassen verschoben werden sollten, das hat wohl niemand von uns geahnt.

Der frühere Kärntner VP-Chef Wurmitzer sagt, er wurde abmontiert, weil er einen Haider-Wunsch (Wandelschuldanleihe für das Land) nicht erfüllt hat - wie sehr war denn Wolfgang Schüssel vom Kärntner Landeshauptmann abhängig?

Es gibt kein offizielles oder inoffizielles Durchgriffsrecht des VP- Parteiobmannes auf einen Landesparteichef. Hier soll wohl über die eigene politische Erfolglosigkeit hinweggetäuscht werden. Wolfgang Schüssel mit Dreck anzupatzen, ist ein durchsichtiges Manöver und zeigt nicht von gutem Charakter. Weil es nicht so war. Ich kenne Wolfgang Schüssel. Und ich kenne Georg Wurmitzer.

Der hat gesagt, er wüsste noch einiges zu erzählen.

Dann heraus damit – aber Fakten bitte, und keine Dolchstoßlegenden.

Was kann Dr. Birnbacher mit dem Hinweis gemeint haben, er habe sich an Ernst Strasser wenden sollen, der wüsste, wie Parteienfinanzierung geht?

Das weiß ich nicht.

Haben Sie ein ungutes Gefühl, dass da noch einiges auftauchen könnte, was die Bundes-ÖVP betrifft?

Es werden, wie man am Korruptions-U-Ausschuss sieht, jetzt manche Sümpfe Österreichs trocken gelegt. Mag sein, dass Kärnten ein Stück sumpfiger ist, aber es beschränkt sich eben nicht auf Kärnten. Und es beschränkt sich auch nicht auf die ÖVP. Sogar gegen den Bundeskanzler laufen bekanntlich Ermittlungen.

Wie schlau ist es denn vom neuen Kärntner VP-Chef, auch jetzt eine Koalition mit der FPK nicht auszuschließen?

Gabriel Obernosterer ist in einer denkbar schwierigen Situation, eine am Boden liegende Partei wieder aufzurufen, da braucht`s keine Zurufe von einem Ex-Minister.

Bartenstein: "Für die ÖVP war’s schon lustiger"

Mit heutiger Kenntnis: Würden Sie noch einmal Schwarz-Blau den Weg bereiten?

Mit der Weisheit des Rückblicks ausgestattet, würde sich nicht nur Politik ganz anders gestalten. Aber nach Jahrzehnten einer Realverfassung, in der eine Regierung nur mit der SPÖ gebildet werden durfte, war es auch rückblickend gut, die Freiheitlichen in Regierungsverantwortung zu nehmen –  Knittelfeld und die Wahl 2002  haben gezeigt, dass das auch ein Mittel war, den Aufstieg Jörg Haiders in lichte Höhen zu stoppen. Und in vielen Sachfragen profitiert dieses Land immer noch von der Reformkraft Wolfgang Schüssels, die er nur mit der FPÖ umsetzen konnte. Mit der Sozialdemokratie wäre das nicht möglich gewesen.

Also tatsächlich noch einmal?

Man erlebt immer wieder Enttäuschungen, und hätte man von denen gewusst ... . Aber Sie haben Ernst Strasser erwähnt, der englischen Journalisten auf den Leim gegangen ist, mit allen Konsequenzen. Aber der hat auch die größte Polizeireform der 2. Republik durchgeführt. Also bitte etwas Mut zur Differenzierung. Und im Vergleich zur Reformkraft der Regierung Faymann: Beides miterlebt, kein Vergleich.

Aber die politischen Skandale der letzten Zeit werden eben mit Schwarz-Blau in Verbindung gebracht.

Politisch bleibt die Ära Schüssel von 2000 bis 2007 eine Erfolgsgeschichte für das Land. Auch wenn es Fehltritte einzelner gab. Aber verkratzt es das Image eines  Bruno Kreisky, der bekanntlich einen Finanzminister hatte, der in Sachen Steuern vor dem Richter stand?

Faktum ist, das ein Gutteil des politischen Personals, gegen das jetzt mit der Justiz zu tun hat, aus der Ära Schwarz-Blau stammt. Das kann ja nicht nur Böswilligkeit der politischen Opposition oder der Medien sein?

Das sage ich auch nicht. Da haben manche daneben gegriffen, offensichtlich auch zugegriffen, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber die Reformkraft der Regierung Schüssel ist das eine, und erhebliche Fehler Einzelner sind das andere. Und solche Malversationen geschehen nun einmal eher im Regierungsumfeld als etwa bei den Grünen, die in keiner Phase Regierungsverantwortung hatten.

Und keine Möglichkeit hatten...

Das sagen Sie. Aber ich lasse mir das Land auch nicht schlecht reden: Das Gros – das hätte ich vor einem halben Jahr noch anders formulitert –, das Gros der politischen Verantwortungsträger arbeitet fürs Land und nicht für die eigene Tasche. Außerdem geht es in vielen Fällen um sicher illegale Parteienfinanzierung, aber nicht um den Zugriff für die eigene Tasche. Das ist, auch wenn es rechtlich fast das Gleiche ist, moralisch schon noch einmal etwas anderes.

Schließen Sie aus, dass die ÖVP noch von anderen Parteienfinanzierungs-Causen ereilt wird?

Ich bin zuversichtlich, dass die Causa Birnbacher/Martinz/Haider einmalig ist. Und im Übrigen auch herzlich wenig mit Schwarz-Blau zu tun hat.

Sie haben die Grünen erwähnt, die mit der SPÖ laut ÖVP-Fibel des Teufels sind - keine Angst, dass die beiden jetzt Rückenwind haben?

Das kann schon sein. Ebenso wie die FPÖ, die sich von den aktuellen Causen nicht absentieren kann, wieder ein Stück weit absacken kann. Aber ich warne vor voreiligen Schlüssen: Wir sind von den Wahlen noch ein Stück weit entfernt, und man kann davon ausgehen, dass es keine rot-grüne Mehrheit gibt. Aber dass die rot-schwarze auf tönernen Füßen steht, ist auch ein Faktum.

Käme Schwarz-Blau für Sie in Frage?

Das ist derzeit wohl keine realistische Option. Weder mit noch ohne Causa Birnbacher. Jörg Haider und seine FPÖ waren doch aus anderem Holz geschnitzt als H.C. Strache – Haider konnte umschalten vom erfolgreichen Rechtspopulismus auf staatstragende Politik. Die FPÖ heute dagegen holt sich, während in Deutschland etwa die Opposition in existenziellen Fragen wie der Euro-Krise fast Hand in Hand mit der Regierung marschiert, politisches Kleingeld ab und stellt sich auf eine Stufe mit der postkommunistischen Linken. Daher ist eine Koalition mit der FPÖ  bis auf weiteres sehr unwahrscheinlich.

Rot-Grün geht sich nicht aus, Schwarz-Blau kommt nicht, also wieder eine Große Koalition?

Die Zahl der Möglichkeiten ist sehr beschränkt, Österreich ist ja nicht Skandinavien, Stichwort: Minderheitsregierung.

Eine Minderheitsregierung mit den Grünen könnten Sie sich vorstellen?

Österreich ist eben nicht Skandinavien. Da ist eine Dreierkoalition wahrscheinlicher, was das Leben aber auch nicht einfacher macht. Auch wenn mit der Großen Koalition keiner der beiden glücklich ist und sie zudem nach links und rechts ausfranst und den Grünen und den Blauen und Orangen viel Spielraum lässt ...

Weil sie sich nur in der Mitte tummelt?

Ja sicher.

Ist der Partezettel für die ÖVP auf dem Cover von News verfrüht?

Frei nach Mark Twain ("Die Nachrichten über meinen Tod sind stark übertrieben"): Ja. Die ÖVP wird wieder eine Partei werden, die auch den Kanzleranspruch stellt. Aber es war für die ÖVP schon einmal lustiger.

Jetzt versucht's die ÖVP mit dem Thema "Mehr direkte Demokratie" und verpflichtenden Volksabstimmungen.

Im Prinzip ist das gut, aber der Teufel steckt im Detail, siehe Michael Häupls Bauchfleck mit der Kurzparkzonenbefragung in Wien und der Grazer Umweltzonenbefragung. Spätestens da haben viele auch in der eigenen Partei gesehen, dass man mit dem Projekt Direkte Demokratie vorsichtig umgehen muss. Politisch sag` ich meinen Freunden immer, dass das ein Thema ist, mit dem sich die Freiheitlichen und die Grünen traditionell leichter tun, auch weil sie in der Opposition sind.

Also nicht das ideale Thema?

Das Thema Direkte Demokratie alleine wird die ÖVP nicht in Richtung Kanzleranspruch tragen, da sind die klassischen Themen Wirtschaftskompetenz, Sicherheit und Europa gefragt. Und in Europa spielt Österreich nicht mehr die Rolle, die es bis 2007 gespielt hat.

Die ÖVP stellt den Außenminister...

Ja, aber die permanenten Krisengipfel der Regierungschefs in Sachen Euro überdecken alles andere. Und unserer bezeichnet sich zwar inzwischen als glühender Europäer, aber seine Vergangenheit als EU-kritischer Leserbriefschreiber so wie sein Schwenk als verlässlicher Gefolgsmann von Angela Merkel zu Francois Hollande wird in Brüssel eher kritisch registriert.

Zur Person

Martin Bartenstein war von 1995 bis 2008 Minister, unter Rot-Schwarz ebenso wie unter Schwarz-Blau (die überwiegende Zeit Wirtschaft). Heute sitzt er für die ÖVP als Abgeordneter im Nationalrat.

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