So viele Vignettensünder wie noch nie
Günter Hieber kennt alle Ausreden: "Mein Kind hat mit der Vignette gespielt, sie dann aber irgendwo in der Wohnung versteckt" oder "Der Hund hat leider das Pickerl gefressen, ich werde mir aber gleich eines kaufen".
Hieber ist Mautaufsichtorgan – oder ein Vignetten-Sheriff, wie die meisten Autofahrer ihn etwas abfällig nennen würden. "Wie man sich mit der Körpersprache verrät, so gibt es auch eine Autosprache", erklärt er beim Kontrollpunkt am Handelskai. "Wer uns sieht und zum Beispiel besonders dicht auf seinen Vordermann auffährt, ist schon einmal verdächtig. So versuchen sich manche durch die Kontrolle zu schummeln."
Heuer haben die Maut-Kontrollore so viel zu tun wie noch niemals zuvor. 18.721 Vignetten-Sünder sind heuer bis Ende September bereits erwischt worden – das sind bereits mehr als in den meisten Jahren zuvor von Jänner bis Dezember. Auch der bisherige Rekord von 20.157 erwischten Schwarzfahrern aus dem Jahr 2012 (siehe Grafik) wird wohl locker gebrochen werden. Dafür verantwortlich sind vor allem einheimische Fahrer, wie aus einer Anfragebeantwortung von Verkehrsminister Alois Stöger an das Team Stronach hervorgeht.
"Wie man sich mit der Körpersprache verrät, so gibtes auch eineAuto-Sprache."Günter Hieber"Maut-Sheriff"Hieber, der auf der Straße täglich mit den Sündern zu tun hat, vermutet die immer weiter steigende Anzahl der Verkehrsteilnehmer als Hauptursache. Außerdem würden viele das Navigationsgerät verantwortlich machen, dass sie angeblich irrtümlich auf die Autobahn lotst. Sind also die immer häufiger verwendeten Navis schuld?
Nicht so gerne redet man bei der Asfinag hingegen darüber, dass auch die steigenden Kosten der Vignetten etwas damit zu tun haben könnten. Der azurblaue Kleber für das kommende Jahr wird 84,40 Euro kosten; heuer waren es bereits stolze 82,70 Euro. Im Vergleich dazu sind gerade einmal 120 Euro Ersatzgebühr zu zahlen, wenn man ohne gültige Vignette erwischt wird. Theoretisch fährt man also billiger, wenn man in drei Jahren zwei Mal ertappt wird.
Lutter hält die Strafe dennoch für "angemessen". Schließlich könne man um diesen Preis dann nur einen Tag Autobahn fahren statt ein komplettes Jahr wie beim Kauf der Vignette.
Tendenziell ist die Zahl der Erwischten in Wien höher als in den anderen Bundesländern: "Da probieren es doch auch manche, dass sie für eine kurze Fahrt zur nächsten Ausfahrt keine Vignette kaufen", erklärt Hieber. "Bei uns sind etwa ein bis zwei von hundert Fahrzeugen ein Treffer."
Autorin: Nicolin Irk (17)
Tageskarten
Wer mit dem Auto nach Slowenien fährt, muss für die Autobahn-Benützung zahlen. Eine Sieben-Tages-Vignette kostet 15 €. Auch in Ungarn gibt es eine Kurzzeit-Vignette, die zehn Tage gültig ist. Diese kostet 2975 Forint (ca. 9,72 €).
Kilometerbezogene Maut
In einem der beliebtesten österreichischen Urlaubsziele, in Italien, wird die Maut nach gefahrenen Kilometern berechnet. Die Zahlungsart variiert je nach Ort. Touristen sollten sich vorher über die jeweiligen Preise informieren.
Deutschland
In Deutschland gibt es bis dato nur eine Lkw-Maut. Noch, denn ab 2016 könnte Deutschland alle Autofahrer zur Kassa bitten. Für die Benutzung der Autobahn müssten Österreicher dann voraussichtlich 10 € für eine Zehn-Tages-Vignette zahlen.
Christian Überbacher steht mit einem Platten bei einer Autobahntankstelle im Tiroler Unterland. Aber seine Laune war bereits vor der Panne im Keller. Angesprochen auf den diese Woche eingeführten permanenten "Lufthunderter" redet sich der Innsbrucker schnell in Rage. "Das Tempogefühl ist katastrophal. Man glaubt, dass man steht." Das neue Dauer-Limit gilt auf rund 90 Autobahnkilometern. Dass die Tempobremse die Luftqualität verbessern soll, ist für den Besitzer einer Autowerkstatt kein Thema: "Das interessiert mich nicht. Schön langsam muss man die Vignette in Frage stellen."
Das tut auch Herbert Aderbauer. Der Bayer hat auf dem Weg ins Zillertal an der Grenze zu Tirol eine Rast eingelegt. "Ich habe mir schon überlegt, ob ich über die Bundesstraße fahre. Da sehe ich wenigstens die Landschaft. In Zukunft werde ich mir die Vignette sparen", sagt der Deutsche, der das Credo seiner Autofahrernation lebt: "Die Autobahn ist dazu da, schnell von A nach B zu kommen." Drei bis vier Mal im Jahr geht die Reise nach Mayrhofen. In Zukunft allerdings nicht mehr über die Inntalautobahn (A12), auf der nun in weiten Teilen ständig der "Lufthunderter" gilt. Der trat bisher nur bei Überschreitung bestimmter Grenzwerte in Kraft.
Ein weiterer Grund
Bayerischen Autofahrern wurde bereits im Vorjahr ein Motivationsschub gegeben, die kostenpflichtige Autobahn in Tirol zu meiden. Da hat das Verkehrsministerium den mautfreien Korridor zwischen der Grenze und Kufstein vignettenpflichtig gemacht. Nun scheint sich die Lust auf die Mautflucht noch weiter zu vergrößern.
Gelassen nimmt die Tempobremse hingegen Beate Meixner. Als Mitarbeiterin einer Autobahntankstelle im Unterland hat sie in den vergangenen Tagen immer wieder den Ärger von Pendlern mitbekommen, wie sie erzählt. "Aber der Hunderter war früher ja auch schon fast immer geschalten", sagt die Radfelderin.
Der österreichische Verkehrsclub (VCÖ) sieht in der Maßnahme nur Vorteile. Bei Tempo 100 statt 130 würden Spritverbrauch, Stickoxid-Emissionen und Lärmpegel sinken. Die Verkehrssicherheit werde hingegen zunehmen. "Der Anhalteweg ist bei 100 km/h deutlich kürzer", argumentiert der VCÖ.
Sicherheitsmängel
In diesen Punkten habe sich der flexibel geschaltete Hunderter zwischen Wals und Golling auf der Tauernautobahn (A10) bewährt, weiß Aloisia Gurtner vom Salzburger ÖAMTC. "Der Verkehr läuft flüssig. Die Autofahrer haben ein Verständnis dafür entwickelt, dass Tempo 100 statt 130 seine Vorteile hat."
Problematisch sieht der ÖAMTC allerdings den "Luft-Achtziger", der ab Jänner 2015 auf der A1 zwischen dem Knoten Walserberg und Salzburg-Nord gelten soll. In der Probezeit von Februar bis Mai habe das Tempolimit zwar eine Reduktion der Schadstoffe etwa sieben Prozent ergeben, dafür sind Bedenken zur Verkehrssicherheit laut geworden. "Auf dem Abschnitt gibt es viele Auf- und Abfahrten. Bei 80 km/h ist das Einordnen in den fließenden Verkehr schwieriger. Auch der Sicherheitsabstand wird oft nicht eingehalten", fasst Gurtner die Rückmeldungen der ÖAMTC-Mitglieder zusammen.
Die Landesverkehrsabteilung hat dieses Problem bereits aufgegriffen. Geplant sind Abstandskontrollen, vorerst durch mobile Geräte der Polizei. Möglich ist auch ein fixes, vollautomatisches Gerät, was in Österreich eine Neuheit wäre.
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