Auf einen Kaffee im Jahr 1906: Ein Gespräch mit Erfolgsautorin Beate Maly

Die Wienerin Beate Maly, Jahrgang 1970, hat bereits an die 40 Bücher veröffentlicht.
Wir schreiben Wien im Jahr 1906: Am Ring reihen sich neue Prachtbauten aneinander, während am Magdalenengrund im 6. Bezirk, im Volksmund Ratzengrund genannt, die Elenden hausen. In den Kaffeehäusern diskutiert man über den Skandalautor Arthur Schnitzler, in die Spelunken am Spittelberg zieht es Spieler und Prostituierte. Und im Atelier der Wiener Werkstätte beginnen die ersten Frauen, sich als Künstlerinnen zu behaupten, die es gar wagen, Hosen zu tragen.
Es ist dieses Wien, in dem Lili Feigl aufwächst; eine kreative, mutige junge Frau, die sich und ihren alkoholkranken Vater mit kleinen Betrügereien das Überleben sichert. Bis sie eines Tages zufällig eine Stelle in der Wiener Werkstätte findet – und prompt unschuldig in zwei Mordfälle verstrickt wird.
Lili Feigl und ihre Abenteuer sind die Schöpfung der Wiener Autorin Beate Maly. Ihr historischer Kriminalroman „Mord in der Wiener Werkstätte“, erschienen am 21. März, ist Auftakt einer neuen Reihe: Denn weitere Bücher mit Lili Feigl werden folgen, verspricht sie. Der KURIER traf Maly in einem typischen Kaffeehaus der Stadt und sprach mit ihr über ihr Leben als Autorin in Wien.
Maly veröffentlichte bereits an die 40 Bücher
Maly, so viel sei gleich verraten, ist leidenschaftliche Vielschreiberin. An die 40 Bücher bei sechs Verlagen hat sie bereits veröffentlicht, einige davon unter ihren Pseudonymen Laura Baldini und Lina Jansen. Außerdem arbeitet sie 15 Stunden pro Woche als Frühförderin von autistischen Kindern. „Diese Tätigkeit erdet mich, da geht es nicht um Verkaufzahlen“, sagt sie.
Die Wiener Werkstätte ...
Sie war eine Gemeinschaft von Künstlern, sie existierte von 1903 bis 1932. Ihre Gründungsmitglieder Josef Hoffmann und Koloman Moser sind heute noch bekannt. In der Wiener Werkstätte wurden unter anderem Schmuck, Möbel oder bedruckte Seidenstoffe und Teppiche hergestellt.
... und die unsichtbaren Frauen
Die vielen kreativen Frauen, die in der Wiener Werkstätte arbeiteten, sind heute vergessen. Mehr über sie erfährt man etwa auf der Website des MAK: mak.at/frauenderww/digistory
Wie sieht der Arbeitsalltag einer Autorin in Wien aus? Stimmt die Vorstellungen von den Künstlern, die im Kaffeehaus auf Inspiration warten?
„Ich würde nie ins Kaffeehaus gehen – also zum Schreiben“, erwidert Maly und lacht. Das tue sie lieber zu Hause oder auch auf Lesereisen im Zug. „Ansonsten ist es einfach ein Job“, fügt sie hinzu. Am Anfang brauche es eine Idee, ein Konzept sowie akribische Recherche – denn am Ende stehe immer ein Abgabetermin, den es einzuhalten gelte.
Die Idee entstand beim Besuch einer Ausstellung
Die Idee für das aktuelle Buch entstand 2021 beim Besuch der Ausstellung „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im MAK. „Bei der Wiener Werkstätte denkt jeder nur an Josef Hoffmann und Koloman Moser“, sagt Maly. Vor 1919 waren Frauen noch nicht einmal zum Kunststudium zugelassen, da man der Meinung war, sie seien nicht mit schöpferischem Geist ausgestattet. Die Leistung der Künstlerinnen jener Zeit werde bis heute unterschätzt – daher sollte der Krimi in diesem Milieu spielen.
Dann folgen Konzept und Rahmenhandlung: „Ich muss meine Figuren kennen und verstehen, warum sie so agieren, wie sie agieren“, sagt Maly. Freilich entwickle so manche Nebenfigur während des Schreibens ein Eigenleben: im aktuellen Werk etwa ein Zeitungsreporter. „Ich wusste am Anfang noch nicht, dass der so sympathisch wird“, sagt die Autorin und lacht.

Beate Maly: „Mord in der Wiener Werkstätte“, Emons. 256 Seiten. 16,50 Euro.
Zur Recherche durchstöberte sie etwa Ausstellungskataloge sowie alte Filmarchive. Ebenso dazu gehören Rundgänge durch Wien; für das aktuelle Buch etwa über den Naschmarkt oder durch den 6. und 7. Bezirk. „Es geht um eine Orientierung, ob die Wege der Figuren plausibel sind, und auch um die Atmosphäre“, erklärt Maly.
"Nicht mit Sahne, sondern mit Obers"
Die „Makro-Ebene“ mit allen historischen Eckdaten müsse passen – dann könne sie auf der Mikro-Ebene ihrer Fantasie freien Lauf lassen: da flackern die Gaslampen, da werden Kaffee, Kipferl und Apfelstrudel serviert. „Natürlich nicht mit Sahne – sondern mit Obers“, so Maly. Denn das Wiener Flair sei wichtig. Und auch, dass es nicht zu blutrünstig zugeht: „Manche sagen, dass ich ,Cozy Crimes’ schreibe“, erzählt Maly. „Das trifft es ziemlich gut. Ich möchte, dass die Menschen ein Buch lesen und sich nachher gut fühlen.“
Und was denkt Maly nach ihren Ausflügen ins Wien von 1906 über die Stadt heute?
Einst war Wien ein hartes Pflaster, ohne Gesundheitsversorgung oder soziale Absicherung. Es herrschten Armut und Hunger. Heute sei Wien eine wunderschöne, lebenswerte Stadt. „Es hat sich ausgezahlt, dass so viel in den sozialen Wohnbau, die Gesundheit und die Bildung investiert wurde“, sagt sie. Ihre persönlichen Lieblingsorte? Im Sommer das Gänsehäufel und im Winter der Eislaufverein, erwidert Maly.
Und natürlich ihre persönliche Werkstätte – die Schreibwerkstatt, in der ihre Bücher entstehen.
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