Das Anti-Wegwerf-Gesetz landet im Müll

Das Anti-Wegwerf-Gesetz landet im Müll
577.000 Tonnen - Österreich könnte Lebensmittel sparen, doch die Politik bleibt bereits jahrelang untätig.

1,5 Millionen Menschen gelten in Österreich als armutsgefährdet, müssen mit weniger als 1185 Euro monatlich auskommen. Andererseits landen jährlich 577.000 Tonnen Lebensmittel im Müll.

Angesichts dieser Zahlen stemmen sich zahlreiche Initiativen gegen die Verschwendung von Ressourcen. In Frankreich gibt es seit 2016 eine entsprechende Regelung, in Deutschland erteilte die Regierung einer Petition hinge gen eine Absage. Hierzulande fordert eine Initiative konkret ein Anti-Wegwerfgesetz, wonach Supermärkte zur Ab gabe unverkäuflicher Ware an die Zivilgesellschaft verpflichtet werden sollen. Das Begehr führte nun wohl zu einem Entschließungsantrag im Nationalrat, aber weder hat das Par- lament einen Gesetzesentwurf vorbereitet, noch sieht das Ministerium Handlungsbedarf.

Oliver Hönigsberger, ein Kärntner Informatiker, ehemaliger Grüner und nach den Parteiturbulenzen für die „Verantwortung Erde“ im Ge meinderat von Ossiach, sind die Praktiken der Supermärkte seit Jahren ein Dorn im Auge: Lebensmittel, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, werden täglich entsorgt, obwohl sie noch genießbar wä ren. Gemeinsam mit Aldo Haumann aus Wien gründete er im Jahr 2015 eine Interessensgemeinschaft, die sich mit der Idee eines Anti-Weg werf-Gesetzes ans Par lament wandte und es nach langem Ringen in den Umweltausschuss des Nationalrates schaffte.

Am 21. März 2018 war die Causa endlich Sitzungsthema. „Ein Anti-Wegwerf-Gesetz fordern die UnterzeichnerInnen der Bürgerinitiative gegen die Verschwendung von noch nutzbaren Lebensmitteln. Ziel ist darüber hinaus die Ver ringerung einer Überproduktion. Zur Umsetzung werden unter anderem die Förderung der Sharing Economy und die Einführung von Müllwächtern (Menschen, die die zum Verzehr geeigneten Lebensmittel an Bedürftige oder Organisationen weiter geben, Anm.) vorgeschlagen“, heißt es in einem Antrag von ÖVP und FPÖ.

Beschluss einstimmig

Die Abgeordneten nickten das Begehr ab. Das Parlament könnte nun einen Gesetzesentwurf vorlegen, blieb diesbezüglich jedoch untätig. Vielmehr beschlossen die Mandatare einstimmig, die Anliegen der Bürgerinitiative an das Ministerium für Nachhaltigkeit weiterzuleiten. Im – von ÖVP- und FPÖ-Mandataren formulierten – Entschließungsantrag des Nationalrates ist vom Anti-Wegwerf-Gesetz jedoch keine Rede. Dort heißt es lediglich: „Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, weiterhin Maßnahmen zu ergreifen, die eine nachhaltige Ab-

fallwirtschaftspolitik sowie die Vermeidung von Lebensmittelabfällen zum Ziel haben.“

„Nachfrage gedeckt“

Warum nicht das Parlament selbst reagiert und stattdessen ein allgemein gehaltenes Ersuchen ans Ministerium übermittelt wurde, wisse er nicht, sagt Josef Riemer (FPÖ) vom zuständigen Umweltausschuss. „Das Ministerium soll das Anti- Wegwerf-Gesetz jedenfalls prüfen“, ersucht er Ministerin Elisabeth Köstinger ( ÖVP).

Doch deren Büro winkt ab: „Wir können kein Anti-Weg-

werfgesetz prüfen, solange kein entsprechender Antrag vorliegt.“ Im Mai 2017 sei seitens des Ressorts mit dem Lebensmittelhandel eine freiwillige „Vereinbarung 2017–2030 zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei Lebens mittelunternehmen“ unterzeichnet worden. 14.000 Tonnen pro Jahr würden an Sozialmärkte weitergegeben. Damit sei auch deren Nach frage gedeckt, so das Ministerium. Folglich erfülle man die im Entschließungsantrag erhobene Forderung bereits.

Zur Schaffung von „Müllwächtern“ gibt ein Köstinger-Sprecher zu bedenken: „Weder kann es gesellschafts politisch wünschenswert sein, dass der persönliche Müll von fremden Personen durchsucht wird, und dann stellt sich auch die Frage der Haftung: Wer übernimmt die bei spielsweise, wenn der Konsum von einem abgelaufenen Produkt zu einer Lebensmittelvergiftung führt?“

Ein steiniger Weg

Hönigsberger hatte sowieso wenig Hoffnung auf eine ra sche Gesetzesänderung. „Offenbar wird es noch viele Jahre brauchen, bis wir unsere Forderungen durchbringen. Es würde mich freuen, wenn unsere Initiative dann in

den Gestaltungsprozess eingebunden wird. Den Nationalratsbeschluss sehe ich aber zu mindest als Etappensieg“, erklärt er.

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