Amnesty-Chef: Reform nach Wiener Silversternacht

Patzelt sieht die Nähe von Polizei und Staatsanwaltschaft kritisch
Heinz Patzelt fordert nach dem Polizeieinsatz in der Silvesternacht 2015 in Wien Reformen.

Mehr als eineinhalb Jahre hat es gedauert, jetzt wird der Schlussstrich gezogen. Jener Vorfall in der Silvesternacht 2015, bei dem eine 47-jährige Frau von zwölf Polizisten „beamtshandelt“ worden war und dabei einen Steißbeinbruch erlitt, bleibt ohne rechtliche Folgen.

KURIER: Es liegt in der Natur der Sache, dass Staatsanwaltschaft und Polizei inhaltlich an einem Strang ziehen, etwa die Kriminalität bekämpfen. Wie groß ist die Gefahr der Befangenheit?

Heinz Patzelt: Die Staatsanwaltschaft ist auf die Polizei angewiesen. Mit ihren geringen Ressourcen ist sie Lichtjahre entfernt, das alles alleine aufzuklären. Die Frage, um die es sich dreht, lautet: Wie schwer muss ein Übergriff sein, dass ich gegen Menschen kritisch auftrete, mit denen ich täglich zusammenarbeite. Ob das immer richtig beantwortet wird, dahinter steht ein dickes Fragezeichen.

Gibt es einen Systemfehler?

Die Verfahren gehören so weit wie möglich weg vom herkömmlichen Prozedere. Es gibt solche Behörden, etwa die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, die einen räumlichen und inhaltlichen Sonderstatus haben.

Deshalb wurde im konkreten Fall die Staatsanwaltschaft Eisenstadt befasst.

Die Einheiten sind sich organisatorisch so nahe, dass ein Staatsanwalt nicht unabhängig agieren kann. Es geht nicht um Eisenstadt oder Bludenz oder um Freunderlwirtschaft, sondern um eine gemeinsame Sozialisierung.

Was wäre die Ideallösung?

Der Goldstandard wäre eine eigene, in der Justiz angesiedelte, Anklagebehörde für derartige Vorwürfe – samt einer eigenen Ermittlungsgruppe. Wenn die Ermittlungen im Innenministerium bleiben, dann sollte das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung befasst werden.

Der Staat stellt ein Verfahren gegen sich selbst ein. Die Optik ist doch unvermeidbar.

Die Verfahrenseinstellung ist ein rechtsökonomisches Prinzip, wenn ich nur anklage, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich ist. Wenn der Staat gegen sich selbst ermittelt, hat das keinen Platz. Sich zu sagen, die Suppe gegen mich selbst ist dünn, ich klage gar nicht an, ist schlichtweg inakzeptabel.

Was bleibt aus menschenrechtlicher Sicht übrig?

Das ist ein Signal an die Exekutive, wenn ihr so handelt, passt das. Das ist wirklich schlimm, auch für die vielen Polizisten, die es schaffen, solche Situation problemlos zu lösen.

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