"Hier ist OE1 Bravo Mike Alpha": Er funkt schon seit 70 Jahren

"Hier ist OE1 Bravo Mike Alpha": Er funkt schon seit 70 Jahren
Manfred Belak ist auch in seinem 90. Lebensjahr von seiner Wohnung in Wien mit Funkamateuren in der ganzen Welt verbunden.
Von Uwe Mauch

Ruhig spricht er jetzt in sein Mikrofon: „Hier ist OE1 Bravo Mike Alpha. Ist jemand QRV?“ Er hätte statt QRV auch empfangs- und sendebereit sagen können. Sagt er aber nicht.

Funkamateure, und bitte nicht Amateurfunker sagen, haben ihre eigenen Codes – und die sind weltweit gültig.

Manfred Belak beherrscht alle. Der in Kürze 90-Jährige hat seine große Liebe als Teenager in Leoben entdeckt – bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Er ist einer von 8.000 Funkern in Österreich und drei Millionen weltweit.

"Hier ist OE1 Bravo Mike Alpha": Er funkt schon seit 70 Jahren

Das Cover einer Fachzeitschrift hatte ihn als Teenager magisch angezogen. Erinnert sich Belak. Dieses zierte Nadja Tiller. Die Schauspielerin war 1949 zur ersten Miss Austria gekürt worden.

„Sie machte Werbung für ein Kofferradio“, so der Zeitzeuge. Weit mehr fasziniert hat ihn jedoch ein Bericht über Funkamateure in seiner Heimatstadt.

"Hier ist OE1 Bravo Mike Alpha": Er funkt schon seit 70 Jahren

„Wir waren alle per Sie“

Achtung, Funkkontakt! Auf seine Anfrage zeigt sich jetzt jemand empfangs- und auch sendebereit. Herr Belak hört eine ihm vertraute Stimme: „OE1 Bravo Mike Alpha von OE3 Delta Mike Whiskey.“

Das Rufzeichen OE3 sagt ihm: ein Funker aus Niederösterreich. Man ist per Du, tauscht erst Freundlichkeiten und danach hoch spannende Informationen aus.

Manfred Belak erzählt von einem Radiohändler in Leoben: „Im Zweiten Weltkrieg war er Marinefunker. Er hat einem Freund und mir die Technik erklärt und uns dann auch das eine oder andere Teil zum Funken überlassen.“

Der Marinefunker führte die Buben auch in die damals handverlesene Funkamateur-Gruppe im Bezirk Leoben ein: „Man darf nicht vergessen. Der Weltkrieg war gerade erst vorbei. In der NS-Zeit waren Funker mit der Todesstrafe bedroht. Und wir benützten jetzt Geräte der Wehrmacht, aber auch der Westmächte.“

Im Zirkel der Leobener Funker sprach man sich mit OM an, der Abkürzung für Old Man. Hätten damals Frauen gefunkt, hätte man sie mit YL (für Young Lady) oder XYL (für verheiratete Frau) angeredet. Gesetz war auch: „Wir waren alle per Sie.“

Magie lag buchstäblich in der Luft, etwa als der Belak-Bub zum ersten Mal ein Rufzeichen aus dem Ausland empfing: „SM7, ein Schwede! Beim Morsen waren meine Finger schweißnass.“

Zu jener Zeit wurden mithilfe des Morse-Alphabets in erster Linie Textnachrichten übermittelt. Schnelle Finger waren daher schon lange vor dem Internet gefragt.

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„Weltweit Freunde“

Die Frage stellt sich bei der hellwachen Erzählung von Manfred Belak, ob Funken jung hält. Der Fred, wie er sich der Einfachheit halber als Funker nennt, wäre ein gutes Beispiel für diese These: Er sieht blendend aus, erzählt sehr präzise, auch über seine Sternstunden als Funker.

Etwa diese: „Und dann höre ich die vertraute Stimme eines Funkpartners, die ich seit vierzig Jahren nicht mehr gehört habe.“ Dazu müssen Laien wissen: Funker lassen tagsüber ihre Empfangsgeräte mitlaufen, als eine Art Grundrauschen in ihrem Leben.

Hören sie Spannendes, schalten sie sich sofort zu.

Die Stimme gehörte im Übrigen einem Vorarlberger. Der rief in sein Funkgerät: „Fred, kannst du dich noch erinnern, dass ich mich in Wien verfahren habe und dass du mich via Funk gelotst hast!“

Manfred Belak freut sich außerdem, dass er im Laufe der Zeit „weltweit Freunde“ gefunden hat: „Unter ihnen waren auch einige Auslandsösterreicher, wie der Grazer Mario in Pretoria oder der Alfredo in Sao Paulo. Er hat mich auch in Wien besucht.“

Funken ist aber nicht nur ein Frieden stiftendes Hobby. Funker haben auch in vielen Notsituationen anderen Menschen das Leben gerettet.

Manfred Belak nennt nur drei Beispiele von vielen: „Erdbeben in Friaul 1976, Umsturz in Rumänien 1989 oder die Lawinenkatastrophe in Galtür im Jahr 1999.“

Auch bei einem Blackout, bei dem die mobilen Netze in der Sekunde ausfallen können, gelten Funkgeräte als Rettungsanker für ein Land im Katastrophenmodus.

Ein echter Sir aus Österreich

Lieber erzählt Manfred Belak aber von Funksprüchen in die Ferne: „Das Weiteste war ein Kontakt mit einem Funker von den Falkland-Inseln, es gab aber auch Gespräche mit Hongkong und Südafrika.“

Lang lebe OE1 Bravo Mike Alpha! Manfred Belak ist seit bald 90 Jahren ein echter Sir aus Österreich.

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Wie funken funktioniert

Auch er freut sich, dass er dank seiner Antennen und Funkgeräte weltweit Freunde hat. Der in Wien tätige Unternehmer Michael Kastelic ist darüber hinaus als Präsident des Österreichischen Versuchssenderverbands aktiv.
Für den KURIER erklärt er hier einige Fachbegriffe:

Rufzeichen: Hat nichts mit einem Satzzeichen zu tun, ist viel mehr die Kennung der Funker. Das Rufzeichen von Michael Kastelic ist zum Beispiel OE1MCU – OE steht für Österreich, 1 für Wien, MCU für seinen Vor- und Familiennamen.

QSL-Karte: Mit dem Versand einer QSL-Karte bestätigen Funkamateure eine erfolgreiche Funkverbindung.

Zur Technik: Man benötigt ein Funkgerät, das an eine Antenne angeschlossen ist. Gesendet wird in verschiedenen Frequenzbereichen, die durch die Internationale Fernmeldeunion (kurz ITU) zugeteilt wurden. Die Funkwellen breiten sich unterschiedlich aus, werden mit einer Antenne empfangen, im Funkgerät verarbeitet und angezeigt/ausgegeben.

Funkwellen sind elektromagnetische Wellen, die zur drahtlosen Übertragung der Informationen genutzt werden können. Ihre Frequenz und die Wellenlänge bestimmen ihre Nutzung und Reichweite.

Elektrischer Schwingkreis: Ohne  den Schwingkreis, auch Resonanzkreis genannt, geht nix. Die kleinste resonanzfähige Schaltung besteht aus einer Spule und einem Kondensator.

Funkamateur(innen) haben eine eigene Funklizenz. Die können sie nach einer staatlichen Prüfung bei der Fernmeldebehörde beantragen. Sie können damit weltweit experimentellen Funk betreiben. Auch Satelliten-, Not- und Katastrophenfunk.

ÖVSV: Der Österreichische Versuchssenderverband ist die Interessensvertretung der Funkamateur(innen) in Österreich. Die Kernaufgabe des unabhängigen und gemeinnützigen Vereins ist die Förderung des völkerrechtlich geregelten Amateurfunkdienstes.

Morsen ist heute eine Betriebsart von vielen. Mit dem Morsen hat die weltweite Kommunikation begonnen. Es gibt Funker, die morsen schneller als die schnellsten SMS-Schreiber.

Urban Legend: Präsident Michael Kastelic verneint: „Wir bekommen keinen Polizeifunk und keinen Taxifunk ,rein’.“ Nachsatz: „Wen interessiert das?“

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