300 Bombendrohungen geklärt: Österreich war Zielland Nr. 1

Bombendrohung gegen den Wiener Hauptbahnhof
Das mediale Echo veranlasste vier Verdächtige aus Deutschland, die Anschlagsdrohungen auszusprechen. Ermittler geben Einblick, wie die Gruppe gefasst wurde.

Das einzig beruhigende an dem Fall: Die vier Verdächtigen aus Deutschland waren gar nicht in der Lage eine Bombe zu bauen. Auch Sprengstoff gab es keinen.

Die Gruppe, die sich selbst "Schweinetreff“ nannte, zielte nur darauf ab, mit hunderten anonymen Bomben- und islamistischen Anschlagsdrohungen möglichst viel Chaos, Aufsehen und vor allem Schlagzeilen zu verursachen. Ermittler nennen diesen gefährlichen Trend "Swatting“. Dabei zielen Täter darauf ab, durch bewusst falsche Notfälle polizeiliche Großeinsätze auszulösen. Ihr Motiv: Mit dem dadurch entstehenden öffentlichen Echo wird innerhalb der Szene geprahlt, sagt Leopold Holzbauer, stellvertretender Direktor beim Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).

Leopold Holzbauer (DSN): Das Motiv der Täter war Anerkennung.

Leopold Holzbauer (DSN): Das Motiv der Täter war Anerkennung.

Länderübergreifender Erfolg

Österreichischen Ermittlern ist es in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden gelungen, eine vierköpfige Tätergruppe auszuforschen, die für mehrere hundert anonyme Bomben- und Anschlagsdrohungen verantwortlich sein soll.

Bei einer Razzia am vergangenen Dienstag haben Fahnder in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen die Wohnungen der vier Verdächtigen sowie eines Zeugen in Sachsen-Anhalt durchsucht.

Im Visier der Ermittler steht ein 23-Jähriger aus Frankfurt, ein 20-Jähriger aus Dortmund sowie zwei 16-Jährige aus NRW und Niedersachsen. Zusammen sollen die Beschuldigten für mehr als 300 Anschlags- und Bombendrohungen in Österreich verantwortlich sein – unter anderem gegen Bahnhöfe, Schulen und Einkaufszentren. Um den Anschein zu erwecken, dass radikale Islamisten hinter den Drohungen stecken, waren die Schreiben auch mit "Allahu akbar“ gezeichnet.

Ein schwer bewaffneter Polizist steht auf einer belebten Straße.

Polizeieinsatz nach einer Bombendrohung gegen eine Linzer Schule

Bahnverkehr lahm gelegt

Am Donnerstag gaben DSN und das Bundeskriminalamt einen Einblick, wie man nach monatelangen Erhebungen dem "Schweinetreff“ auf die Schliche kommen konnte. Es begann am 2. Oktober 2024 mit einer Bombendrohung gegen den Bahnhof Salzburg, darauf langten fast stündlich weitere Drohungen ein – gegen Bahnhöfe in St. Pölten, Linz, Graz, Klagenfurt und diverse Schulen.

"Immer mit dem Resultat, dass die Orte evakuiert und durchsucht werden mussten“, erklären Holzbauer und der stellvertretende Direktor des Bundeskriminalamtes, Paul Marouschek. Der Bahnverkehr kam durch die Sicherheitsmaßnahmen teilweise zum Erliegen, der volkswirtschaftliche Schaden sei enorm.

Durch aufwendige Datenforensik und mit Hilfe von spezieller Software und wochenlanger Recherche ist es Spezialisten des Cybercrime-Competence-Center (C4) im Bundeskriminalamt sowie der DSN gelungen, diverse IP-Adressen in Deutschland mit den Drohmails in Verbindung zu bringen.

Täter waren Profis

Die Täter waren Profis und seien sehr gut darin gewesen, ihre digitalen Spuren zu verwischen, erklärt der Leiter der Cybercrime-Competence-Center, Martin Grasel. Sie verschickten freilich nichts von ihren eigenen Computern, sondern verwendeten verschlüsselte Dienste. Wie man auf Grund von Chatnachrichten von den Tätern erfuhr, war Österreich das bevorzugte Zielland für die Drohungen. „In Österreich gab es immer eine hohe mediale Resonanz. Sie haben sich darüber beklagt, dass sie hingegen in Deutschland mit den Drohungen kaum noch Schlagzeilen generieren konnten“, so die Fahnder.

Paul Marouschek (BK) warnt mögliche Trittbrettfahrer.

Paul Marouschek (BK) warnt mögliche Trittbrettfahrer.

Grazer Amoklauf

Als besonders perfide bezeichnen die Kriminalisten das vorgehen nach dem Grazer Schul-Amoklauf. Die Täter hätten sofort auf die aktuelle Entwicklung reagiert und massenweise Amokdrohungen gegen Schulen ausgesprochen. "Als maximalen Trigger“, sagt ein Kriminalist.

Die einzelnen Täter kennen sich nicht persönlich. Die Gruppe soll sich nur virtuell getroffen und ausgetauscht haben. Als Kommunikationsweg diente eine geschlossene Messenger-Gruppe. Wichtige Hinweise lieferte den Behörden ein Aussteiger, der Interna über den Modus Operandi des "Schweinetreffs“ lieferte.

"Es wird nicht gleich passieren, aber wir finden euch“

Derzeit gehen die Ermittler nicht von einem politischen oder religiösen Hintergrund für die Taten aus. Neben der Verunsicherung der Bevölkerung sei es in erster Linie darum gegangen, sich an den Medienberichten zu ergötzen. "Solche Drohungen sind kein Kavaliersdelikt“, sagt Marouschek. Für mögliche Trittbrettfahrer hat er eine klare Botschaft: „Es wird nicht gleich passieren, aber wir finden euch.“

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