Theo Kelz hat noch viel vor
Theo Kelz ist mit seinem Leben zufrieden. Den 24. August 1994 kann er aber nicht vergessen. Damals riss dem Polizisten in Klagenfurt eine von Franz Fuchs gelegte Rohrbombe beide Hände weg. Seit dem Jahr 2000 hat Kelz nach einer spektakulären Transplantation "neue" Hände, seit April ist er in Pension und fährt mit seinem Motorrad durch die Welt, wie er im APA-Interview erzählt.
"Die Sache wegschieben geht nicht, man wird täglich daran erinnert, was passiert ist", so Kelz. Seinen Kollegen, die ihm nach der Explosion der Bombe das Leben gerettet haben, ist er heute noch dankbar. Ebenso wie er froh darüber ist, dass man es ihm bei der Polizei ermöglicht hat, wieder zu arbeiten: "Im Stadtpolizeikommando Klagenfurt wurde für mich ein Posten in der Leitstelle geschaffen, der Innenminister hat es genehmigt und so konnte ich nach einem Jahr, halt mit Prothesen, wieder in den Job zurück." Ob er die Sache so gut verarbeiten hätte können, wenn man ihn in Pension geschickt hätte, bezweifelt er. "Da wäre ich wohl in ein tiefes Loch gefallen."
Hobby Motorradfahren
Sogar sein großes Hobby, das Motorradfahren, nahm er mit den Handprothesen wieder auf. "Ein Freund hat mir das Motorrad entsprechend umgebaut, und der Bezirkshauptmann hat gemeint, wenn ich einen Amtsarzt finde, der mit mir die Probefahrt macht und ein Attest ausstellt, dann kriege ich meinen A-Schein zurück." Er habe schließlich eine Amtsärztin gefunden, die sich zu ihm auf die Maschine gesetzt habe. Nach der Transplantation wechselte er wieder auf ein normales Motorrad-Modell zurück.
Denn Kelz wollte sich mit den Prothesen nicht auf Dauer abfinden. "Eines Tages hatte ich eine Vision, ich lag im Bett und hatte zwei Hände." Er kontaktierte den Chirurgen Raimund Margreiter bezüglich einer Transplantation, "aber der hat abgelehnt". Danach habe er an 50 Transplantationskliniken in aller Welt geschrieben und lauter Absagen bekommen. Kelz: "Dann habe ich mich noch einmal an Margreiter gewandt, und der hat dann zugestimmt, wahrscheinlich weil ich so hartnäckig war."
17-stündige Operation
Im März 2000 erhielt Kelz schließlich in einer 17-stündigen Operation zwei neue Hände. "Zwei Tage später bin ich aufgewacht und es war genau wie in meiner Vision." 5.000 Therapiestunden später sind seine neuen Gliedmaßen "zu achtzig Prozent funktionsfähig". Lediglich bei sehr kaltem Wetter merke er, dass die Durchblutung nicht so gut funktioniere, zudem müsse er täglich acht Tabletten einnehmen.
Rachegefühle oder Hass gegen Franz Fuchs habe er nie empfunden, "sonst wäre ich nicht so weit gekommen, denn Hass ist ein schlechter Begleiter". Als Fuchs 1997 gefasst wurde, sei er erleichtert gewesen. Dass Fuchs sich bei seiner Festnahme beide Hände wegsprengte, bezeichnet Kelz als "Ironie des Schicksals". Fuchs beging schließlich in seiner Zelle Selbstmord. Kelz: "Daran habe ich nie gedacht, ich hänge viel zu sehr am Leben, außerdem hatte ich ja Verantwortung für meine Familie." Kelz' Frau ist vor fünf Jahren gestorben, "ihr verdanke ich sehr viel", ebenso wie seiner Tochter, zu der er heute noch sehr engen Kontakt hält.
Pläne
Kelz, der im Jänner 60 Jahre alt geworden ist, hat noch viele Pläne. Eben erst ist er von einer mehrmonatigen Reise zurückgekehrt. "Wir sind mit dem Motorrad durch ganz Afrika bis nach Kapstadt gefahren, im November geht es auf eine Reise durch Süd- und Nordamerika, nächstes Jahr wollen wir Asien durchqueren." Das Projekt dient einem guten Zweck, nämlich der Organisation "Helping Hands - Giving Life", bei dem Kelz gemeinsam mit seinem Freund Franz Stelzl seit Jahren aktiv ist. "Wir unterstützen Sozialprojekte, zuletzt in Tansania, bei der Amerikareise wollen wir Straßenkindern in Ecuador helfen."
Vor bald 20 Jahren begann der Briefbombenterror. Am 3. Dezember 1993 explodierten in den Händen des Hartberger Pfarrers August Janisch und von ORF-Moderatorin Silvana Meixner die ersten von insgesamt 25 Briefbomben und verletzten sie schwer. Der Steirer Franz Fuchs verschickte im Verlauf von fast vier Jahren die explosiven Postsendungen.
Bei einem Anschlag in Oberwart im Februar 1995 tötete er mit einer Rohrbombe vier Menschen, außerdem gab es zahlreiche Verletzte. Zu den Opfern von Franz Fuchs zählte auch der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dem am 5. Dezember 1993 - noch im Rahmen der ersten Serie - eine Briefbombe die linke Hand verstümmelte. Anfang Oktober 1997 wurde Franz Fuchs in der Nähe seines Heimatortes Gralla im Zuge einer Gendarmeriekontrolle verhaftet. Dabei zündete er in Selbstmordabsicht eine Bombe, die ihm beide Hände wegriss und zwei Beamte ebenfalls verletzte. Am 9. März 1999 wurde Fuchs im Grazer Landesgericht zu lebenslanger Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt. Am 26. Februar 2000 beging er in seiner Zelle Selbstmord.
Die schlimmste Terrorwelle der Zweiten Republik begann am 3. Dezember 1993, als Briefbomben in den Händen der ORF-Moderatorin Silvana Meixner und des Hartberger Flüchtlingspfarrers August Janisch detonierten. Bis Dezember 1995 wurden in fünf Serien noch 23 weitere explosive Postsendungen verschickt. Insgesamt wurden zehn Personen durch die Briefbomben verletzt.
Das mit Abstand schwerste rassistisch motivierte Attentat seit 1945 war der Rohrbomben-Anschlag in Oberwart, bei dem in der Nacht auf den 5. Februar 1995 vier Bewohner einer Roma-Siedlung starben. Am 24. August 1994 riss eine Rohrbombe in Klagenfurt dem Polizisten Theo Kelz beide Arme weg. Auch Franz Fuchs verlor beide Hände, als bei einer Polizeikontrolle in seinem steirischen Heimatort Gralla bei Graz am 1. Oktober 1997 eine Rohrbombe explodierte. Fuchs wurde 1999 in Graz zu lebenslanger Haft verurteilt und beging im Februar 2000 Selbstmord.
Seine Anschläge verübte er unter dem Pseudonym "Bajuwarische Befreiungsarmee". Dass diese "Armee" aus nur einem Täter bestand, wollten so manche nicht glauben.
1. Briefbomben-Serie I
3. Dezember 1993: In der oststeirischen Bezirksstadt Hartberg detoniert die erste Briefbombe und verletzt Pfarrer August Janisch. In der Minderheitenredaktion im Wiener ORF-Zentrum wird Redakteurin Silvana Meixner durch eine Briefbombe verletzt.
4. Dezember 1993: In der Caritas-Zentrale in Wien wird eine Briefbombe rechtzeitig entdeckt. Sie war an den damaligen Präsidenten Helmut Schüller gerichtet.
5. Dezember 1993: Eine Briefbombe verstümmelt die linke Hand des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk. Eine an den Slowenischen Kulturverein im südsteirischen Bad Radkersburg geschickte Briefbombe wird ebenso entschärft wie eine an die Grün-Politikerin Madeleine Petrovic adressierte Bomben-Sendung.
6. Dezember 1993: Im Wiener Handelsgericht taucht eine Briefbombe auf, der eigentlich für die Grüne Migrationssprecherin Terezija Stoisits gedacht war. Im Posteinlauf des Bundeskanzleramtes wird ein an die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal adressierter Sprengsatz entdeckt.
Viertes Terror-Opfer wird eine Sekretärin in einer Wiener Anwaltskanzlei. Sie öffnet einen Brief an den "Islamischen Ausländer-Hilfsverein". Die zehnte und letzte Briefbombe der ersten Serie wird rechtzeitig abgefangen. Sie war für die ARGE Ausländerbeschäftigung der Wiener Wirtschaftskammer bestimmt.
2. Der Klagenfurter Bombenanschlag
24. August 1994: Auf dem Gelände der Rennerschule in Klagenfurt wird eine rund fünf Kilo schwere Bombe entdeckt. Drei Polizisten bringen den Sprengsatz in einem Streifenwagen zum Flughafen. Sie detoniert, der 40-jährige Beamte Theo Kelz verliert beide Unterarme, seine beiden Kollegen werden ebenfalls verletzt.
3. Briefbomben-Serie II
4. Oktober 1994: Eine einem Mitarbeiter des Gastarbeiterreferats der Diözese Feldkirch zugedachte Briefbombe wird entschärft. Auch Briefbomben an den Klagenfurter Wieser-Verlag und die Hallein Papier AG werden rechtzeitig abgefangen.
6. Oktober 1994: An den Abt des Stifts Wilten in Tirol wird eine Briefbombe geschickt und entschärft.
4. Die Morde von Oberwart
4./5. Februar 1995: An einer Wegkreuzung in der Nähe einer Roma-Siedlung in Oberwart explodiert - vermutlich kurz vor Mitternacht - eine Sprengfalle. Erst in der Früh frühen Morgenstunden werden die Leichen von vier jungen Männern entdeckt. Auch eine Tafel mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien" wird gefunden.
5. Die Bombenfalle von Stinatz
6. Februar 1995: Auf einem Altpapiersammelplatz in der kroatisch-burgenländischen Gemeinde Stinatz explodiert ein Sprengkörper und verletzt einen Mitarbeiter des Umweltdienstes Burgenland.
6. Briefbomben-Serie III
9. Juni 1995: In der Redaktion des TV-Senders "Pro 7" in München explodiert eine Briefbombe und verletzt eine Mitarbeiterin der Adressatin, Moderatorin Arabella Kiesbauer. In Linz wird die Betreiberin eines Partnervermittlungsbüro durch eine Briefbombe verletzt.
13. Juni 1995: In der norddeutschen Stadt Lübeck trifft die dritte Briefbombe dieser Serie ein. Der SPD-Geschäftsführer im Rathaus, Thomas Rother, wird beim Öffnen der Post verletzt.
7. Briefbomben-Serie IV
16. Oktober 1995: Der aus Syrien stammende Gemeindearzt von Stronsdorf in Niederösterreich wird in seiner Ordination durch eine Briefbombe verletzt. Am Postamt von Poysdorf wird Flüchtlingshelferin Maria Loley (71) verletzt, als sie ein an sie adressiertes Schreiben öffnet. In Mistelbach entgeht ein aus Südkorea stammendes Arztehepaar knapp einem Briefbomben-Anschlag.
8. Briefbomben-Serie V
11. Dezember 1995: Sechs Tage vor der Nationalratswahl detonieren in einem Postkasten in Graz zwei von vier Briefbomben. Adressaten der Sendungen: Das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, eine in Wien lebende indische Familie, eine Partnervermittlungsagentur mit Postfach in Güns (Ungarn) sowie Angela Resetarits, die Mutter des Kabarettisten Lukas, des Sängers Willi ("Ostbahn Kurti") und des ORF-Redakteurs Peter Resetarits.
9. Die Ingrisch-Bombe
9. Dezember 1996: Bei der Entschärfung explodiert eine Briefbombe, die an die Stiefmutter des damaligen Innenministers Caspar Einem, die Schriftstellerin Lotte Ingrisch, adressiert ist.
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