Wolfgang Gurlitts Nazi-Connection

1917 hat Lovis Corinth den Berliner Kunsthändler Wolfgang Gurlitt porträtiert. Gurlitt galt als umtriebige Person, die oft in finanzielle Schwierigkeiten kam.
Das Nazi-Raubgut ihres Gründers Gurlitt belastet das städtische Museum bis heute.

Die Kunstsammlung von Wolfgang Gurlitt, Onkel von Cornelius Gurlitt, in dessen Münchner Wohnung kürzlich rund 1500 Naziraubkunstbilder beschlagnahmt wurden, bildet den Kern des Linzer Kunstmuseums Lentos. Trotz vieler Proteste kaufte die Stadt Linz von 1953 bis 1956 um damals 1,85 Mio. Schilling (135.000 Euro) 117 Gemälde von dem schillernden Berliner Kunsthändler. Die Herkunft zahlreicher Werke war dabei nicht eindeutig nachzuweisen.

Wer war dieser Wolfgang Gurlitt, der für die Nazis als „Mischling zweiten Grades“ galt? Stella Rollig, Leiterin des Lentos, behauptete am Montag gegenüber dem KURIER, dass es keine Verbindung zwischen Wolfgang Gurlitt und seinem Cousin Hildebrand Gurlitt gab. Dem widerspricht jetzt der Provenienzforscher und Gutachter Michael John, Dozent an der Linzer Johannes Kepler Universität. „Sie waren Cousins, handelten beide mit entarteter Kunst und waren beide in den Sonderauftrag Linz involviert. Beide sagten, ihre Sammlung sei bei einem Bombenangriff verbrannt und beide arrangierten sich mit dem NS-Regime“, analysiert John und bezweifelt damit die Aussage Rolligs.
Für John kommt der Trubel rund um die Lentos-Sammlung übrigens nicht überraschend. Bereits vor zwei Jahren hatte er über die kuriosen Geschäftspraktiken Wolfgang Gurlitts publiziert. Welche Verflechtungen es zwischen den Cousins und dem sensationellen Münchner Kunstfund gibt, gehöre jetzt erforscht.

Angelpunkt Bad Aussee

Wolfgang Gurlitts Nazi-Connection
08.11.2013, Linz, JKU, Bild zeigt Prof. Dr. Michael John, Foto Alfred Reiter
Während des Nazi-Regimes entwickelte sich Bad Aussee zum Tummelplatz für Kunsthändler. Auch Wolfgang Gurlitt gelang es ab 1940 seinen wertvollen Kunstbesitz aus Berlin nach Bad Aussee, im damaligen Oberdonau, zu transportieren. Dort lernte Gurlitt Justus Schmidt, Kulturbeauftragter des Reichsführers SS, kennen – das war der Beginn seiner Geschäftsbeziehungen mit Linz.
Schmidt in seiner späteren Funktion als Direktor des OÖ Landesmuseums war es, der Gurlitt den Zugang zum damaligen Landeshauptmann Heinrich Gleißner und zu Ernst Koref, Bürgermeister der Stadt Linz, ermöglichte. Gurlitt erhielt dadurch sogar ein eigenes Auto für seine „Dienstreisen“.

1946, als Gurlitt zum Leiter der Neuen Galerie Linz, dem Vorläufer des Lentos, ernannt wurde, unterzeichnete man schließlich den ersten Vertrag, in dem es heißt: „Gurlitt stellt der Stadt aus dem Besitz seiner Familie und aus von ihm vertretenen Freundbesitz“ als Grundstock 120 bis 150 Ölgemälde als Leihgaben zur Verfügung. Für John gibt gerade der Zusatz „Freundbesitz“ genügend Grund für intensivere Nachforschungen. „Er hat Bilder in Kommission genommen, die er dann der Stadt Linz verkauft hat“, sagt der Wissenschaftler.
Justus Schmidt, der Gurlitt mehrfach zu Gleißner begleitete, verlor im Zuge der Entnazifizierung seine Position als Landesmuseumsdirektor, war aber weiter als Kunstberater für die Stadt Linz tätig. Es gilt als belegt, dass er 1953, als die Sammlung Gurlitts in das Eigentum der Stadt überging, als Vermittler auftrat. Er wählte die Werke aus und half bei Schätzungen und Finanzierungen mit. Schon damals war vielen Beamten bewusst, dass es sich bei der Sammlung auch um Raubkunst handeln könnte. So notierte etwa der damalige Magistratsdirektor bezüglich des Bildnisses von Ria Munk: „Klimt jüdischer Besitz! Bin nicht für diesen Klimt!“ Dennoch wurde dieses Werk erworben.


Gleißner intervenierte

Wolfgang Gurlitts Nazi-Connection
Lovis Corinth Blick aus dem Atelierfenster, 1891 LENTOS Kunstmuseum Linz
Wolfgang Gurlitts Nazi-Connection
Lovis Corinth Bildnis Wolfgang Gurlitt, 1917 Lentos Kunstmuseum Linz
Dabei wäre dem gesamten Kunstdeal beinahe ein Strich durch die Rechnung gemacht worden. Denn das nach dem „Anschluss“ zu Oberdonau gehörende Bad Aussee sollte, nach dem Ende der Nazi-Ära, wieder Teil der Steiermark werden. Im Rahmen der Wiedereingliederung versuchten die steirischen Behörden die für sie nebulose Gurlitt-Sammlung unter öffentliche Aufsicht zu stellen und zu prüfen. Die oö. Politik stemmte sich nach Kräften dagegen. So schrieb Landeshauptmann Gleißner an den Sektionschef: Man habe größtes Interesse, dass dieser Kulturbesitz in der damaligen Form erhalten bleibe.

Dennoch: Mit der Zeit geriet Gurlitt mit der Stadt Linz immer mehr in Zwist, da er sich, neben seinem Amt als Leiter der Neuen Galerie, auch als Kunsthändler betätigte und wertvolle Werke von Waldmüller bis Picasso vertrieb. Bürgermeister Koref setzte Gurlitt 1956 schließlich ab. Mittlerweile wurden vom Lentos insgesamt zehn Bilder restituiert, darunter Gustav Klimts Werk von Ria Munk sowie sechs Gemälde Anton Romakos. Über Emil Noldes „Maiwiese“ und zwei Gemälde von Lovis Corinth, wird demnächst entschieden.

Literatur: John Michael.: Die „Connection“ Bad AusseeBerlinLinz, in: Blimlinger, Mayr (Hg.): Kunst sammeln, Kunst handeln.

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