Wolfgang Gurlitts Nazi-Connection
Die Kunstsammlung von Wolfgang Gurlitt, Onkel von Cornelius Gurlitt, in dessen Münchner Wohnung kürzlich rund 1500 Naziraubkunstbilder beschlagnahmt wurden, bildet den Kern des Linzer Kunstmuseums Lentos. Trotz vieler Proteste kaufte die Stadt Linz von 1953 bis 1956 um damals 1,85 Mio. Schilling (135.000 Euro) 117 Gemälde von dem schillernden Berliner Kunsthändler. Die Herkunft zahlreicher Werke war dabei nicht eindeutig nachzuweisen.
Wer war dieser Wolfgang Gurlitt, der für die Nazis als „Mischling zweiten Grades“ galt? Stella Rollig, Leiterin des Lentos, behauptete am Montag gegenüber dem KURIER, dass es keine Verbindung zwischen Wolfgang Gurlitt und seinem Cousin Hildebrand Gurlitt gab. Dem widerspricht jetzt der Provenienzforscher und Gutachter Michael John, Dozent an der Linzer Johannes Kepler Universität. „Sie waren Cousins, handelten beide mit entarteter Kunst und waren beide in den Sonderauftrag Linz involviert. Beide sagten, ihre Sammlung sei bei einem Bombenangriff verbrannt und beide arrangierten sich mit dem NS-Regime“, analysiert John und bezweifelt damit die Aussage Rolligs.
Für John kommt der Trubel rund um die Lentos-Sammlung übrigens nicht überraschend. Bereits vor zwei Jahren hatte er über die kuriosen Geschäftspraktiken Wolfgang Gurlitts publiziert. Welche Verflechtungen es zwischen den Cousins und dem sensationellen Münchner Kunstfund gibt, gehöre jetzt erforscht.
Angelpunkt Bad Aussee
Schmidt in seiner späteren Funktion als Direktor des OÖ Landesmuseums war es, der Gurlitt den Zugang zum damaligen Landeshauptmann Heinrich Gleißner und zu Ernst Koref, Bürgermeister der Stadt Linz, ermöglichte. Gurlitt erhielt dadurch sogar ein eigenes Auto für seine „Dienstreisen“.
1946, als Gurlitt zum Leiter der Neuen Galerie Linz, dem Vorläufer des Lentos, ernannt wurde, unterzeichnete man schließlich den ersten Vertrag, in dem es heißt: „Gurlitt stellt der Stadt aus dem Besitz seiner Familie und aus von ihm vertretenen Freundbesitz“ als Grundstock 120 bis 150 Ölgemälde als Leihgaben zur Verfügung. Für John gibt gerade der Zusatz „Freundbesitz“ genügend Grund für intensivere Nachforschungen. „Er hat Bilder in Kommission genommen, die er dann der Stadt Linz verkauft hat“, sagt der Wissenschaftler.
Justus Schmidt, der Gurlitt mehrfach zu Gleißner begleitete, verlor im Zuge der Entnazifizierung seine Position als Landesmuseumsdirektor, war aber weiter als Kunstberater für die Stadt Linz tätig. Es gilt als belegt, dass er 1953, als die Sammlung Gurlitts in das Eigentum der Stadt überging, als Vermittler auftrat. Er wählte die Werke aus und half bei Schätzungen und Finanzierungen mit. Schon damals war vielen Beamten bewusst, dass es sich bei der Sammlung auch um Raubkunst handeln könnte. So notierte etwa der damalige Magistratsdirektor bezüglich des Bildnisses von Ria Munk: „Klimt jüdischer Besitz! Bin nicht für diesen Klimt!“ Dennoch wurde dieses Werk erworben.
Gleißner intervenierte
Dennoch: Mit der Zeit geriet Gurlitt mit der Stadt Linz immer mehr in Zwist, da er sich, neben seinem Amt als Leiter der Neuen Galerie, auch als Kunsthändler betätigte und wertvolle Werke von Waldmüller bis Picasso vertrieb. Bürgermeister Koref setzte Gurlitt 1956 schließlich ab. Mittlerweile wurden vom Lentos insgesamt zehn Bilder restituiert, darunter Gustav Klimts Werk von Ria Munk sowie sechs Gemälde Anton Romakos. Über Emil Noldes „Maiwiese“ und zwei Gemälde von Lovis Corinth, wird demnächst entschieden.
Literatur: John Michael.: Die „Connection“ Bad Aussee–Berlin–Linz, in: Blimlinger, Mayr (Hg.): Kunst sammeln, Kunst handeln.
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