„Wir Junge bringen die Grünen in ein neues Zeitalter“
Der 31-jährige Braunauer David Stögmüller ist Bundesrat der Grünen. Er macht das hauptberuflich, die „4300 Euro (brutto, Anm.d.Red.) reichen für mich“. Früher war er beim Roten Kreuz angestellt, nun arbeitet er dort ehrenamtlich.
KURIER: Ihre Homepage wird von einem Zitat von Rosa Luxemburg geziert, das lautet: „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht.“ Welche Fesseln spüren Sie? David Stögmüller: In der politischen Landschaft geht viel zu wenig weiter. Als Junger ist man motiviert, man hat Visionen und Ideen. Die Gesellschaft ändert sich, deshalb muss sich auch die Politik ändern.
Die Entwicklung geht teilweise an den Grünen vorbei. Die Partei wurde aus dem Parlament rausgewählt. Andererseits hat Georg Willi in Innsbruck den Bürgermeistersessel erobert. Dennoch sieht der Grazer Soziologe Klaus Krämer nur wenig Chancen für die Grünen, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen.
Strategisch sind wir wirklich in einem Dilemma. Wir haben uns in den letzten Jahren viel zu viel mit uns selbst beschäftigt und wir haben sehr viele Themen bespielt. Und es gibt viele Zuschreibungen, wo wir eigentlich nicht stehen.
Ein Beispiel für eine derartige Zuschreibung?
Dass wir angeblich alle Ausländer nach Österreich reinlassen wollen. Dass wir uns nur um das Binnen-I kümmern. Dass wir Frauenpolitik als alleroberste Legitimität sehen. Diese Zuschreibungen entsprechen nicht der Realität. Die Grünen haben viel zu viel Zeigefinger-Politik gemacht. Wir sollten die Dinge aber verstärkt leben. Wir sollten selbst das Binnen-I nützen, es aber anderen nicht vorschreiben.
Warum haben wir in der Ausländerpolitik nicht gesagt, wir wollen eine faire Asylpolitik machen, uns aber von jenen abgrenzen, die straffällig geworden sind? Warum soll nicht jemand abgeschoben werden, dessen Asylantrag negativ ist? Aber dem eine Chance geben, der sehr gut integriert ist. Wir waren hier viel zu wenig klar positioniert.
Landesrat Rudolf Anschober hat sich ebenso wie die Caritas und der Bischof für einen Asylwerber und Maler-Lehrling stark gemacht, der abgeschoben werden sollte und der, wie sich dann her ausgestellt hat, vom Bezirksgericht Ried wegen Körperverletzung verurteilt worden ist. Es gibt noch einen weiteren Fall, wo sich herausstellte, dass der Asylwerber falsche Angaben gemacht hat. Solche Fälle schrecken viele in der Bevölkerung ab.
Ich glaube, das war ein Missverständnis. Anschober dürfte das nicht gewusst haben. Die Intention, die dahintersteckt, ist richtig. Man soll gut integrierten Asylwerbern, die eine Arbeit haben und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft werden wollen, eine Chance geben. Sie müssen Deutsch lernen und sie müssen sich integrieren.
Ich komme aus Braunau, wo sich der Fachkräftemangel verschärft. Es gibt zu wenig Lehrlinge. Jetzt sperrt Schwarz-Blau bei uns die Berufsschule zu. Die Lehre wird unattraktiv gemacht. Die Lehre sollte aber für die Asylwerber besser zugänglich werden.
Bei der österreichweiten Reformkonferenz der Gesamtpartei vor zwei Wochen in der Linzer Tabakfabrik haben die Jungen Grünen gesagt: „Wir warten nicht mehr, bis wir gefragt werden, wir nehmen die Dinge selbst in die Hand. Es braucht eine Neuaufstellung.“
Die Jungen müssen jetzt anpacken.
Wer sind die Jungen? Leute wie Sie?
Leute wie ich, wie Stefan Kaineder (33, Landtagsabgeordneter, Anm. d. Red.) und, Severin Mayr (38, Landtagsabgeordneter, Anm.d.Red.) .
Was heißt anpacken?
Wir müssen gemeinsam, das ist wichtig, die Reformen vorantreiben. Das sind jene, die nich t in Hainburg dabei waren und sich nicht an die Bäume gefesselt haben. Wir bringen die Grünen in ein neues Zeitalter.
Für die Älteren wie Rudolf Anschober wird es langsam Zeit abzutreten?
Ich würde nicht sagen abtreten. Wir schauen, wie wir uns zuerst inhaltlich und dann personell aufstellen.
Die Partei muss sich in den Positionen verjüngen?
Auf jeden Fall. Wir müssen uns auf die wichtigsten Zukunftsthemen konzentrieren. Wir haben jetzt die Chance dazu. Die Neos haben das gut vorgezeigt. Sie haben mit Mathias Strolz die Politik interessant und spannend gemacht. Er ist jetzt weg, was für uns junge Grüne eine Riesenchance ist. Wir können das schaffen.
Die Frage ist, was Rudi Anschober tun wird. Im November werden die nächsten personellen Weichen gestellt. Auch landespolitsch hat es geheißen, dass wir im November darüber reden werden, wie es weitergeht. Auch wenn Rudi sich dafür entscheidet, nicht mehr anzutreten, gehören die Neuen aufgebaut. Das ist nicht unwesentlich. Rudi muss einmal gemeinsam mit dem Stefan (Kainder) und Severin (Mayr) reden und bekannt geben wie es weitergeht. Die Personalressourcen müssen beredet werden.
Das gehört abgeklärt?
Ganz klar. Ich schätze Rudi. Er ist sehr engagiert. Es muss aber Platz sein für die Jungen, die die Partei weiter tragen müssen. Es ist die Frage, wie er sich entscheiden wird.
Er ist nun mit 15 Jahren Landesrat das längstdienende Regierungsmitglied.
Er hat natürlich die Erfahrung, die niemand anderer hat. Mein Zugang ist, die Grünen wirklich zukunftsfit zu machen. Und den Menschen das Angebot zu geben, das sind die Jungen, die die Zukunftsthemen ansprechen und die Perspektiven aufgreifen. Das kann uns gelingen, wenn wir ein gemischtes Team haben. Das Reißverschlussprinzip Mann-Frau wird sicher bleiben. Wir müssen uns einfach neu aufstellen.
Als ein Problem der Grünen hat sich die Aufstellung der Kandidatenlisten herausgestellt. So wurde Peter Pilz vor einem Jahr in Linz abgewählt, der in der Folge eine eigene Liste gegründet hat.
Die Kandidatenaufstellung muss viel breiter erfolgen. Es waren nur rund 120 Leute dabei. Es schwebt uns künftig eine Briefwahl vor. Alle, die sich um den ersten Platz bewerben, müssen sich der Abstimmung durch alle Grünen Mitglieder per Briefwahl stellen.
Was macht dann die Mitgliederversammlung?
Es gibt zum Beispiel für den Landtag die Plätze zwei bis sechs, die von der Versammlung gewählt werden. Wichtig, dass die Parität Frauen-Männer gegeben ist und dass wichtige Themen abgedeckt werden wie zum Beispiel Umweltpolitik, Demokratie, Sozialpolitik etc. Die Sicherheitspolitik ist auch ein wichtiges Thema, das wir vernachlässigt haben.
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