Wenn man sich selber vergisst

Der deutsche Fußballprofi Rudi Assauer veröffentlichte  zu Beginn seiner Alzheimer-Erkrankung im Jahr 2012 noch eine Biografie, in der er seine Erkrankung thematisiert.
Jeder Dritte über 90 leidet an Alzheimer. Die Anzahl der Erkrankten wird sich bis zum Jahr 2050 verdreifachen.

Er hat viel vergessen. Er hat zum Beispiel nicht mehr gewusst welcher Tag heute ist“, sagt Hildegard S. über ihren 63-jährigen Mann Josef. Er ist vor drei Jahren an Demenz erkrankt. „Josef ist eher ruhiger geworden. Auch sein Wortschatz wird laufend weniger.“ Für die Familie war es eine große Umstellung. „Es war schlimm. Man merkt es aber, dass etwas mit ihm nicht stimmt.“

Ohne Geist

Demenz kann viele verschiedene Ursachen haben, wie Durchblutungsstörungen. Am Häufigsten tritt sie in Form von Alzheimer auf, deren Ursache unbekannt ist. Jeder Tag ist ein erneuter Kampf gegen das Vergessen. Weltweit sind mehr als 34 Millionen Menschen von Alzheimer betroffen. Rudi Assauer, der ehemalige Schalke-Manager, bekannte sich erst kürzlich zu seiner Demenz. Das lateinische Wort bedeutet „ohne Geist“ und genauso fühlen und verhalten sich die Betroffenen.

„Bei Alzheimer kommt es zu einem langsam fortschreitenden Untergehen der Nervenzellen. Vor allem jene, die mit dem Gedächtnis zusammenhängen, sind betroffen“, sagt Primar Friedrich Leblhuber, Leiter der Abteilung für Neurologisch-Psychiatrische Gerontologie an der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz. „Die Patienten verlieren ihre Persönlichkeit, der Zellverlust breitet sich fortschreitend aus.“ Zuerst ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, dann das Langzeitgedächtnis. Alzheimer ist eine Gedächtnisfunktionsstörung. „Wenn das Kurzzeitgedächtnis erste Defizite aufweist und immer öfter etwas aus der jüngsten Vergangenheit vergessen wird, dann ist das ein erstes Anzeichen. Es kommt zu Orientierungsstörungen und in weiterer Folge zu Verhaltensstörungen.“

Lebensstil

Alzheimer zu erkennen ist für die Angehörigen nicht immer einfach. „Viele Erkrankte bemerken zwar, dass etwas nicht stimmt. Sie überspielen jedoch ihre Vergesslichkeit“, sagt Regina Roller-Wirnsberger, Professorin für Geriatrie an der Medizinischen Universität Graz. „Ein gesunder Lebensstil kann die Art, wie ich altere, mitbeeinflussen“, weiß die Ärztin. „Dazu zählen ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung, also zwei bis drei Mal wöchentlich eine halbe Stunde.“

Soziale Integration, Bildung und lebenslanges Lernen seien außerdem Schutzfaktoren. Heilen kann man Alzheimer nicht, jedoch hinauszögern. In der Memory-Klinik im Wagner-Jauregg Krankenhaus werden Alzheimerpatienten betreut. „In regelmäßigen Abständen kommen Erkrankte zu uns. Wir trainieren nicht nur ihr Gedächtnis, sondern auch das Gleichgewicht oder die kognitiven Fähigkeiten“, sagt Leblhuber. Rund 80 Prozent der Patienten werden privat von Angehörigen betreut, der Rest ist in Altenheimen untergebracht. Josef S. kommt dreimal in der Woche in das „Tagesheim für Menschen im Alter“ des Diakoniewerks in Wels. „Wir trainieren Alltägliches mit unseren Klienten, zum Beispiel Kuchenbacken. Sie werden körperlich und geistig angeregt“, sagt Sylvia Boubenicek, Leiterin des Tageszentrums Wels.

Risikogruppen

Je älter man wird, desto höher ist das Risiko einer Erkrankung. „Ein Prozent der 65-Jährigen und bereits 30 Prozent der 90-Jährigen sind von Alzheimer betroffen“, erläutert Primar Leblhuber. Zu den Risikogruppen zählen Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht. Vor allem das Fett um die Taille sei gefährlich. Auch Cholesterin und depressive Störungen können Indikatoren sein. „Neue Studien zeigen, dass auch Rauchen das Fortschreiten von Demenz begünstigt“, verdeutlicht Roller-Wirnsberger.

Bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der Alzheimererkrankten auf mehr als 100 Millionen weltweit verdreifachen. Leblhuber erklärt sich den rasanten Anstieg durch das Älterwerden der Gesellschaft und den Wandel der familiären Strukturen. „Die Krankheit ist früher nicht so aufgefallen. Da wurde der Opa einfach zu Hause gepflegt. Auch das Bewusstsein hat sich im Vergleich zu damals geändert.“ In Österreich gibt es derzeit rund 110.000 Patienten mit Alzheimer. „Das ist aber nur eine Schätzung. Die Dunkelziffer bei dieser Erkrankung ist jedoch sehr groß.“

Aktuell wird gerade an einem Impfstoff gegen Alzheimer im Frühstadium geforscht.  Auch das Wagner-Jauregg Krankenhaus ist involviert. „Erste Ergebnisse waren vielversprechend.“, verrät Leblhuber. Die Daten werden derzeit jedoch noch geprüft.

Anlaufstellen

- M.A.S. Service in Bad Ischl, Regau, Ottensheim, Pregarten, Micheldorf und Ried/I. Tel.: 06132/21410
- Demenzberatungsstelle des Diakoniewerks  in Wels Tel.: 07242/46163-20
- Memory Klinik im Wagner-Jauregg Krankenhaus in Linz  Tel.: 05 055462-23532

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