Bundesweit wird Weinbau auf gut 44.000 Hektar betrieben, mit Abstand am meisten in Niederösterreich mit rund 27.000 Hektar. Die aktuell rund 100 Hektar in Oberösterreich nehmen sich vergleichsweise bescheiden aus, doch die Tendenz ist steigend. „Das Interesse ist riesengroß“, berichtet Stumvoll. Beleg für die Dynamik: Laut OÖ. Weinbaugesetz dürfen pro Jahr 15 Hektar Wein neu, das heisst zusätzlich gepflanzt werden. Dieses Kontingent wurde im Jänner erstmals zur Gänze ausgeschöpft.
Wie viele neue Rebstöcke heuer gesetzt werden, lässt sich nicht absehen. Danach dauert es drei Jahre bis zur ersten Lese und bis zu fünf Jahre bis zur Vollernte – ohne Erfolgsgarantie. „Fleiß, Geduld und Pioniergeist“ mache die Winzer aus, lobt Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger. Investitionen in einen Weingarten seien mit Risiken verbunden.
Nicht nur die Anbaufläche wächst, auch die Qualität steigt. Besonderen Trinkgenuss verspricht der 2023er. Weil von September bis Mitte Oktober de facto sieben Wochen lang Sonnenschein herrschte, konnten die Trauben perfekt reifen. „Dieser Jahrgang ist wahrscheinlich das Beste, was in Oberösterreich jemals produziert worden ist“, schwelgt Stumvoll in höchsten Tönen. Dementsprechend groß sei die Euphorie bei den Winzern.
Obwohl er erst seit ein paar Jahren betrieben wird, hat Weinbau auf dem Gebiet des heutigen Oberösterreich eine lange Geschichte. Es gab ihn wahrscheinlich schon zur Keltenzeit, gewiss aber, als sich die Römer hier breitmachten. In der Stiftungsurkunde von Kremsmünster findet sich im Jahr 777 die erste urkundliche Erwähnung. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es die größte Ausdehnung. Eine kleine Eiszeit verschob die Weinbaugrenze nach Osten, eine Reblauskrise besorgte den Rest. Um 1870 war dann wirklich Schluss.
Erwärmung gut für Oberösterreich
Jetzt geht es klimatisch wie geografisch in die entgegengesetzte Richtung. „Klarerweise spielt das Weltklima dem Weinbau in die Karten“, sagt Stumvoll: „Ich bin kein Wahrsager. Aber wenn sich die klimatischen Bedingungen nicht ändern, wird es so weitergehen.“ Seit den 1990ern wird in OÖ wieder Wein angebaut, für rund 30 Betriebe hat er sich mittlerweile zu einem wirtschaftlich tragfähigen Standbein entwickelt. Überaus heterogene Bodenverhältnisse – von schwerem Lehm über Löss, Granitablagerungen und Sandstein bis hin zu Schotter – bringen unterschiedliche Weine hervor. Das ergibt Vielfalt.
Reif & erfrischend
Wein aus Oberösterreich ist drauf und dran, sich ein eigenständiges Image aufzubauen. Das dauert, weil sich die Geschmäcker und Vorlieben der Weinliebhaber über lange Zeit verfestigt haben: ein Grüner Veltliner hat so, ein Zweigelt so zu schmecken. Dagegen gilt es anzukämpfen, das Neue, Andere will entdeckt und genossen werden. Der 2023er bietet sich dazu an. Er zeichnet sich laut dem Experten Klaus Stumvoll durch sehr reife Fruchtaromen, erfrischende Säure und schönen Trinkfluss aus. Kurzum: „Ein sehr duftiger Wein, von dem man gern ein zweites Glas trinkt.“ Am 8. Juni ist eine gute Gelegenheit, das querbeet zu erproben: Am erstmals stattfindenden „Tag der offenen Kellertüre“ werden rund 20 Winzer ihre Betriebe vorstellen und zur Verkostung einladen.
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