Wasser für 150 Millionen Menschen
Auf Ulrich Kubingers Schreibtisch steht ein Monitor ohne Anschlüsse. "Das ist nur eine Attrappe. Ich arbeite ohne Computer, nur mit meinem Kopf, denn der läuft autark." Durch Rechner würde man sowieso nur das Denken verlernen. Das Auftreten des 57-jährigen Eigentümers der Umwelttechnik-Firma VTA mit Sitz im oberösterreichischen Rottenbach ist salopp und nonkonform, seine Erfindungen fallen in die Kategorie: genial.
VTA stellt Produkte zur Abwasserreinigung und Reduzierung von Mikroschadstoffen her. Das Unternehmen beliefert Tausende Kläranlagen weltweit – die Stadt Wien zählt zu den Kunden, ebenso Hamburg, die Petronas Towers in Kuala Lumpur, der Palast des Scheichs von Kuwait. Insgesamt profitieren mehr als 150 Millionen Menschen von VTA-Wassersystemen, die seit 2007 auf Nanotechnologie basieren. "Nanotechnik setzt dort an, wo Chemie an ihre Grenzen stößt", so Kubinger.
Millionstel Millimeter
Das Verfahren spielt sich im Bereich eines Nanometers ab: dem Millionstel eines Millimeters. Aus Eisenerz wird sogenanntes "Nano-Magnetit" gewonnen. Dessen Teilchenstruktur hat eine riesige Oberfläche, die Abwasser extrem effizient und kostengünstig filtern kann. "Beim Umweltschutz gibt es deshalb so viele Lippenbekenntnisse, weil er oft zu teuer ist", sagt Kubinger. Als Erfinder sieht sich der 57-Jährige nicht. "Ich bin ein Beobachter. Nur der Beobachter kann etwas finden."
Schon als Kind habe er im Teich des Nachbarn mit einer Brühe aus Leim schmutziges Wasser gereinigt. Nach der HTL ging es zur Klärtechnik an die TU Wien.
Mittlerweile hat der Träger des Europäischen Umweltpreises und Ehrendoktor der Russischen Akademie der Wissenschaften mehr als 25 Patente angemeldet. "Ich bin voller Liebe und Freude, wenn ich etwas entwickeln kann."
Das Zaubermittel
Angefangen hat alles 1992 im Keller seines Wohnhauses. "Meine Mischungen habe ich mit einem Kochlöffel umgerührt und in einen Zehn-Liter-Weichspülkanister gefüllt." Dann sei er zur Kläranlage Vorchdorf gefahren, um sein Produkt zu testen. Nach langem Zögern schüttete man eine kleine Menge in den Klärschlamm. Drei Tage später kam ein Anruf, Kubinger möge sofort kommen. "Ich war schweißgebadet, dachte mir, oh Gott, was habe ich angestellt. Dort starrte mich der Klärwärter total entgeistert an. Er sagte, er habe seit 24 Jahren noch nie bis auf den Boden gesehen." Von da an ging alles schnell. Immer mehr Kläranlagenbetreiber wollten das "Zaubermittel", wie es genannt wurde, haben. Aus den Kanistern wurden schließlich Tankwagen.
Seinen 158-Mitarbeiter-Betrieb – Akademikerquote 70 Prozent – sieht Kubinger übrigens nicht als Firma. "Juristisch gesehen ja, aber eigentlich fühlen wir uns wie eine Bewegung." Das mache VTA am Markt unberechenbar. "Obwohl jede Versicherung ausgestiegen ist, haben wir während des Arabischen Frühlings in Ägypten für sauberes Wasser gesorgt. Wenn wir in Nordafrika Akzente setzen wollen, dann machen wir das auch." Sein Forschungszentrum in Rottenbach, nebenbei das größte Fotovoltaik-Gebäude Oberösterreichs, sei inzwischen eine Pilgerstätte für Wissenschaftler und Wirtschaftsdelegationen aus aller Welt.
Kubingers neueste Erfindung heißt übrigens "Ultrafiltration". Bei dieser werden Nanoteilchen mit Ultraschall aufgeladen. "Die Sache ist bahnbrechend. Das wird die Zukunft der Abwasserreinigung in großen Städten." Noch heuer soll das Produkt die Marktreife erlangen.
Heute, 22:15 Uhr, ServusTV: "Profitquelle Wasser" – Ulrich Kubinger diskutiert und experimentiert im "Talk im Hangar-7".
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