Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?
Schaffen Männer den Spagat zwischen Kind, Karriere und Liebe? Berater Schneebauer ist optimistisch.

Er soll Windeln wechseln, Kuchen backen, Frauen verstehen, Kohle verdienen, auf der Karriereleiter ganz oben stehen – und dabei noch richtig gut aussehen. Die Rede ist vom viel zitierten "neuen Mann", diesem medial und gesellschaftlich ausgiebig präsentierten Ideal, von dem sich die Männer selbst oft ge- und überfordert fühlen.

Wie entwickeln sich männliche Rollenbilder aktuell, was erwartet uns in zehn Jahren? Dr. Richard Schneebauer (kl. Bild re.) arbeitet bei der Männerberatung des Landes OÖ (Infos: www.familientherapie-zentrum.at) und erklärt im Interview Hintergründe.

KURIER: Es ist derzeit oft die Rede vom "neuen Mann". Wer ist das? Was kann er? Was will er?

Richard Schneebauer: Fakt ist, dass das alte System nicht mehr funktioniert, aber die Frage bleibt: Was ist der neue Mann? Bis dato gibt es noch keine wirklich gute Antwort. Für Männer war ihre Rolle als Ernährer lang eindeutig, das ist jetzt nicht mehr so. Frauen kämpfen ja schon länger mit dem Spagat zwischen Familien- und Berufsleben. Das kommt auf uns Männer jetzt auch zu.

Merken Sie in der Beratung, dass Männer unsicher sind, weil sie nicht mehr genau wissen, was Gesellschaft und Familie eigentlich von ihnen wollen?

Was man spürt ist, eine zusätzliche innere Verunsicherung. Den meisten ist das noch nicht mal bewusst. Für viele ist es ein Gefühl von Leere oder Überlastung.

Frauen von heute und die Arbeitswelt von morgen verlangen von uns Männern, dass wir wissen, wer wir sind. Das schließt natürlich das Thema "Gefühle" mit ein. Nun kann ich mich als Mann jahrelang gegen Veränderungen sträuben. Aber nicht für immer. Männer werden aktuell gerade auf sich selbst zurück geschmissen, Frauen erledigen nicht mehr alles, auch nicht die Gefühlswelt. Das ist die Zeit, in der wir jetzt gerade sind.

Was kommt danach?

Das ist eine spiralförmige Entwicklung, die immer weitergeht. Ich glaube daran, dass wir in ein liebevolles Miteinander kommen können, in mehr Bewusstsein für die Situation des anderen. Dieses Miteinander spürt sich zwar anfangs unsicher an, ist aber in Wahrheit stabiler. Ein Beispiel: Wenn ich ehrlich hinschaue, wie viele Schulden ich habe, ist das zwar anfangs unangenehm, aber tatsächlich ist es doch gut zu wissen, wo ich stehe.

Werden Männer in zehn Jahren ihre neue Rolle mehr angenommen haben?

Es wird sicher normaler, dass man sich auch als Mann sagen traut: "Das ist jetzt eine heftige Zeit!" Etwa speziell mit kleinen Kindern.

Männer werden verstehen, dass man dafür auch ganz viel bekommt, wenn man sich in die Familie einbringt. Je mehr die Männer übernehmen wollen, desto leichter tun sich die Frauen dabei, loszulassen.

Wer oder was prägt diesen neuen Mann?

Entscheidend prägen sicher die Eltern. Da ist der Klassiker, dass viele Männer sehr viel Frau und wenig Mann in ihrer Herkunftsfamilie erlebt haben. Vor allem, wenn es um das Thema Gefühle geht. Viele Männer haben es weder gelernt noch gesehen, wie man sich in die Familie einbringen kann. Jetzt ist aber der Anspruch von Frau und Gesellschaft da, dass sie es können müssen.

Die Prägungen der Gegenwart sind natürlich auch vielschichtig. Es gibt Erwartungen von Frauen, von anderen Männern, den Eltern, den Medien. Dieser Druck wirkt von allen Seiten auf den Mann ein. Dadurch ist die Verwirrung groß: Wie soll ich sein? Irgendwo fängt es dann an zu bröckeln und zu krachen, meistens in den Bereichen Gesundheit, Arbeit oder Beziehung. Da merken dann plötzlich viele: Ich muss an mir arbeiten, nicht nur an meiner Fassade. In solchen Situationen können Männergruppen oder ein Freundeskreis helfen. Es muss nicht jeder in Psychotherapie gehen, aber jeder braucht das Wissen, wie man mit diesen Stresssituationen umgeht. Wenn es Frauen so geht, haben sie sozialen Rückhalt bei ihren Freundinnen. So etwas erleben Männer selten. Männer haben nämlich relativ wenig Freunde, mit denen sie sich ehrlich austauschen.

Neu wäre für uns Männer also, die aktuelle Situation anzunehmen, nach dem Motto: So ist es jetzt gerade, manchmal scheint die Sonne, manchmal regnet es eben.

  • ... Frauen mit Kindern die Hauptlast im Haushalt und später häufig auch die Pflege älterer Angehöriger übernehmen? Sind sie dennoch erwerbstätig, so wirkt sich diese Doppelbelastung in der Regel negativ auf ihre Karriere und damit auch auf Gehalt und Pension aus. In Österreich liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 23 Prozent unter dem von Männern.
  • ... 46 Prozent der in Vollzeit arbeitenden Männer mit Kindern unter zwölf Jahren regelmäßig Überstunden machen? Mit durchschnittlich 52,1 Stunden Wochenarbeitszeit arbeiten Österreichs Männer deutlich mehr als der EU-Durchschnitt mit 47,2 Stunden. 75 Prozent der 300 Millionen Überstunden in Österreich werden von Männern gemacht.
  • ... in Österreich die Männerbeteiligung an der Hausarbeit nur bei 15 Prozent liegt? In skandinavischen Ländern ist sie doppelt so hoch. Bei der Kinderbetreuung ist Österreich ebenso Schlusslicht: Weniger als 30 Prozent der Väter übernehmen Kinderbetreuungsaufgaben.
  • ...Beziehungen und Ehen umso länger halten, je mehr sich Männer an der Familienarbeit beteiligen? Das beweisen zahlreiche, internationale Studien.
  • ...sich Männer und Frauen in ihren Zukunftserwartungen wie auch in den Wertemustern kaum unterscheiden? 94% der Männer und 98% der Frauen ist die Familie wichtig oder sehr wichtig. Knapp dahinter stehen Freundes- und Bekanntenkreis, Arbeit und Freizeit.

Aus Sicht der Väter. Heiß diskutiert, ist das Buch der beiden deutschen Journalisten Marc Brost und Heinrich Wefing doch eine Besonderheit im Sammelsurium der Eltern-Kind-Karriere-Ratgeber. "Geht alles gar nicht. Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können" bezweifelt erstmals, dass sich alle Lebensbereiche für alle Beteiligten friktionsfrei unter einen Hut bringen lassen, erzählt also quasi von der großen Vereinbarkeitslüge. Erschienen im Rowohlt Verlag, als Hardcover und E-Book erhältlich.

Keine Illusionen. Ein kleiner Auszug aus dem Klappentext: "Kennen Sie das Gefühl, zu wenig Zeit für alles zu haben? Für die Kinder, für den Job, für die Beziehung, für sich selbst? Glauben Sie trotzdem, es sei schon irgendwie hinzubekommen, weil das ja alle behaupten – die anderen Eltern, die Wirtschaft, die Politik? Marc Brost und Heinrich Wefing sagen: Es geht eben nicht. Weder bei den Müttern noch bei den Vätern. Und sie zeigen, warum das so ist. Ein Buch, das mit verbreiteten Illusionen aufräumt und vor allem eines fordert: Ehrlichkeit."

"Mir hat es gut gefallen, weil auch Männer Kindergärtner sein können und der Beruf nicht nur für Frauen ist."

"Am Anfang war es komisch mit den behinderten Menschen zu reden und ich war sehr hilflos."

"Ich hab mir vorher gedacht, dass diese Arbeit nur Frauen machen."

So reagierten die Teilnehmer des Projekts "Mannsbilder" der Männerberatung des Landes OÖ im April 2015. Männer von morgen wachsen über ihr Rollenverständnis hinaus. Das wird sich auch auf die Berufs- und Arbeitswelt auswirken. "Mannsbilder" greift diese Entwicklung auf und gibt jungen Burschen spannende Einblicke in die Männerwelt von morgen.

Burschen ab 12 haben durch das Projekt die Gelegenheit, Berufe abseits gängiger Rollenklischees kennenzulernen. Sie dürfen zum Beispiel in Kindergärten, Behindertenwerkstätten oder Altersheimen mithelfen. Einrichtungen aus den Bereichen Betreuung, Pflege, Gesundheit, Erziehung etc. erhalten die Chance, sich am Arbeitsmarkt der Zukunft darzustellen und die Mitarbeiter von morgen anzusprechen. "Mannsbilder" findet zeitgleich mit dem Girls:Day am 28. April 2016 statt. Der Projekttag wird von der Männerberatung mit Unterrichtsmaterial und Workshops begleitet.

Interessierte Schulen und Einrichtungen können sich schon jetzt anmelden (www.mannsbilder-ooe.at).

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