Von Kreisky über Doskozil bis Papst Franziskus
Die SPÖ Linz-Stadt hat sich auf die Suche nach der Zukunft der Sozialdemokratie gemacht. Dazu hat sie Dienstagabend Josef Cap eingeladen, ehemals Klubobmann, ehemals Bundesgeschäftsführer, ehemals Zentralsekretär, ehemals aufmüpfiger Jung-Roter. Vor zwei Jahren hat er das Buch „Kein Blatt vor dem Mund“ herausgegeben, seine Autobiografie quasi. Mit Cap auf dem Podium: Bürgermeister Klaus Luger.
Nostalgisch-verklärt
Der Moderator eröffnet mit jenen drei legendären Fragen, die Cap auf dem SPÖ-Bundesparteitag 1982 an Burgenlands Landeshauptmann Theodor Kery gestellt hat. Damit war klar, wohin das Gespräch gleich einmal abzweigen würde – ins Nostalgisch-Verklärte. Er wolle es eher anekdotenhaft anlegen, sagt Cap, „weil das lustiger ist“. Also plaudert er drauflos, etwa über die rund 1.000 Streichungen, die er über die Jahrzehnte bei diversen parteiinternen Wahlen eingesammelt hat. Überhaupt die Vergangenheit. Damals habe die SPÖ mit ihren mehr als 700.000 Mitgliedern die politische Hegemonie im Land gehabt, erinnert sich Cap. Bruno Kreisky darf klarerweise nicht fehlen, wenn es um bessere alte Zeiten geht. „Er war ein Jahrhundertpersönlichkeit“, schwelgt Cap. Und er habe erkannt, dass es für Veränderungen eine gewisse Reformbereitschaft in der Bevölkerung brauche. Das sei momentan „eine ziemlich öde Nummer“. Die SPÖ habe brisante Themen der Zeit viel zu spät oder gar nicht besetzt.
Und schon ist das Gespräch vom gestrigen beim heutigen Burgenland, namentlich bei Hans Peter Doskozil. „Der hat sich nicht gescheut, die Dinge anzusprechen“, ist Cap voll des Lobes. Über das Wie lasse sich zugegeben streiten, nicht aber über die Basis des jüngsten Wahlerfolgs: „Leadership und Themensetzung.“
Das Burgenland ist nicht Linz
Prinzipiell stimmt Luger dem zu. Das ländlich strukturierte Burgenland sei mit der Stadt Linz jedoch nicht zu vergleichen, warnt er vor allzu simpler Logik. So sei das dortige Erfolgsrezept bei der Hauspflege nicht eins zu eins übertragbar. Aber Doskozil habe bewiesen: „Es ist etwas drinnen, wenn man die Dinge anspricht, Antworten hat und ordentlich kommuniziert.“ Zwischen den Kreisky-Jahren und heute ortet Luger „gewisse Parallelen in den Rahmenbedingungen“. Österreich sei auch damals mehrheitlich konservativ gewesen, allerdings habe es einen breiten Wunsch nach Aufbruch und Veränderung gegeben. „Das war Mainstream.“ Zurzeit würden Ängste dominieren: vor Überfremdung, Verlust, generell vor der Zukunft. Diese Ängste würden von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bedient, der sich als „Messias“ gebärde.
Lugers selbstkritischer Befund: „Das Problem ist: Vieles wird von den Konservativen stimmungsmäßig exakt getroffen, obwohl wir die Antworten auch haben könnten.“ Laut einer Arbeiterkammer-Studie sind 17 Prozent der Menschen armuts- und ausgrenzungsgefährdet, sagt Luger und fragt: „Warum dringen diese Themen in der SPÖ im Bund nicht durch?“ „Wir müssen über die Zukunft der Arbeit reden“, fordert der Bürgermeister eine Rückbesinnung auf das SPÖ-Kernthema, jedoch mit neuen Zugängen. So müsse es jungen, dynamischen Menschen gestattet sein, mehr als 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Sozialstaat und Ermöglichungskultur dürften kein Widerspruch sein. Anders gesagt: Freiheit für die einen und Sicherheit für jene, die tatsächlich den Schutz des Staates brauchen.
Leistung, Aufstieg, Sicherheit
„Leistung, Aufstieg, Sicherheit!“ Um diese Themen müsse sich die Sozialdemokratie annehmen, pflichtet Cap bei. Und um das Thema Migration, ergänzt Luger. „Wir waren in der SPÖ sehr lange nicht in der Lage einzusehen, dass es bei der Integration Probleme gibt.“ Der Bürgermeister nennt ein Beispiel: Rund 70 Prozent der Körperverletzungen in der Stadt würden derzeit mit Stichwaffen begangen. Und das gehe nicht auf das Konto durchziehender Banden. „Die SPÖ ist gut beraten, nicht die Augen vor der Realität zu verschließen und von Pseudodogmen abzugehen, die einmal ihre Berechtigung hatten, uns aber in unserer politischen Entwicklung schaden.“
Konservativste Regierung seit 30 Jahren
Einigkeit herrscht – wenig überraschend – in der Einschätzung der türkis-grünen Koalition. Luger ist „zutiefst davon überzeugt, dass das die konservativste Regierung seit über 30 Jahren ist“. Cap wiederum sieht in den Angriffen von Sebastian Kurz auf die Justiz den ersten großen Fehler des Kanzlers. „Ich bin fassungslos über die Art, wie mit dem Staat, mit der Republik umgegangen wird.“
Rendi-Wagner kommt nicht vor
Lugers Resümee: Die SPÖ habe eine strategische Chance. Denn: „Es gibt in diesem Land eine aufgeklärte, liberale Gesellschaft. Das macht mich so kämpferisch.“ „Siegermentalität“ wünscht sich Cap von seiner Partei. Ansonsten setzt er viel Hoffnung in den Papst, der eigentlich ein Sozialdemokrat sei. Außerdem habe er den Intriganten im Vatikan den Kampf angesagt. Das mag als Ratschlag an Pamela Rendi-Wagner verstanden werden. Die Parteichefin kommt an diesem Abend nicht vor. Immerhin wird sie auch nicht kritisiert, jedenfalls nicht namentlich.
Autor: Gerhard Marschall
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